Yanis Varoufakis bei Günther Jauch: Sendungskonzept geschrottet
Nach dem „Jauch“-Auftritt von Yanis Varoufakis reden alle über den Stinkefinger. Dabei müsste eher besprochen werden, wie flach die Debatte war.
BERLIN taz | Er hat ihn wohl doch gezeigt, den Stinkefinger. Die Frage bleibt jedoch, wann und in welchem Kontext. Aber darum – das zumindest steht zu befürchten nach Yanis Varoufakis‘ Auftritt im Ersten Deutschen Fernsehen – geht es laut der gefühlten öffentlichen Meinung längst nicht mehr. Bild.de spekulierte am Montag schon mal eilfertig über seinen Rücktritt: „Ein überführter Lügner als Minister – schwer vorstellbar.“ Gelogen, ja oder nein? Das soll der Grieche jetzt mal beantworten.
Die Talkshow-Redaktion von Günther Jauch teilte am Montag mit, sie sehe keine Anzeichen für eine Fälschung; man prüfe aber weiter. Varoufakis hatte am Sonntagabend in der Sendung erklärt, ein entsprechender Einspieler aus dem Jahr 2013 sei „doctored“, also manipuliert, worden.
Man wird sehen, was sich als richtig erweist. Fest steht jedenfalls schon jetzt, wie tief die Reflexe beim Thema Griechenland sitzen. Wo Stolz und Vorurteil medial erwünscht sind, vergessen vor allem Politiker gern, wo für sie die Grenze zwischen Interview und Verhör verläuft. Zugleich wird offensichtlich, wie flach jenes Gewässer ist, in dem sie argumentativ dümpeln.
Markus Söder zum Beispiel, seines Zeichens Finanz- und Heimatminister in einem südlichen Bundesland, forderte den Finanzminister eines EU-Mitgliedslandes auf, endlich seine „Hausaufgaben“ zu machen. Und auch sonst hantierte er lieber mit Meinungen statt Fakten. Darauf, dass da ein leibhaftiger Staatsmann sitzen würde, hatte ihn in seiner Presseabteilung offenbar niemand vorbereitet.
Varoufakis, der „Euro-Schreck“
„Der Euro-Schreck stellt sich“ lautete der Titel der Sendung. Erschienen war dann aber blöderweise ein argumentativ gut aufgestellter Varoufakis, der um Respekt und Geduld für seine Regierung sowie Empathie für die Nöte der Griechen warb. Damit war das Sendungskonzept von vornherein geschrottet. Anders als Söder, Jauch oder der Bild-Autor Ernst Elitz war der Grieche gut vorbereitet – was nicht wundert, schließlich muss er die Syriza-Politik mehrfach täglich erläutern.
Richtig lustig wurde es, als CSU-Söder Varoufakis genau das vorhielt. Ein Politiker, der in einem Live-Interview einem anderen Politiker vorhält, sich interviewen zu lassen? Irre. Dabei verdient der Bayer durchaus ein wenig Mitleid. Auf seinen Stuhl hätte eigentlich ein Bundespolitiker gehört. Der Finanzminister zum Beispiel. Oder der Vizekanzler. Stattdessen musste der CSU-Vertreter ran, dessen Abgeordnete gerade erst unter Murren das Hilfspaket für Griechenland abgenickt hatten. Namens der Abweichler sollte nun Söder den Griechen verdreschen, aber eben auch nur ein bisschen. Das hatte Charme.
In Zeiten des wohlfeilen Griechenland-Bashings kommt die Sache mit Varoufakis gerade recht. Der Mann mit dem guten Leben und dem Grips im Kopf ist einfach nicht demütig genug. Man muss sich nur mal eine Minute lang vorstellen, während der deutschen Finanzkrise wäre der damals zuständige Bundesminister live ins griechische Fernsehen zugeschaltet worden. Der Moderator hätte gefragt: „Der Stinkefinger für Griechenland, Herr Minister. Die Griechen zahlen am meisten, und werden dafür mit Abstand am meisten kritisiert. Wie passt das zusammen?“ Nicht vorstellbar? Oh doch. Der damalige deutsche Finanzminister hieß Peer Steinbrück. Ein Mann starker Worte und großer Gesten.
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