Protest gegen Bundeswehr-Schulbesuche: Kritisches Nachfragen unerwünscht
Weil er die Bundeswehr kritisierte, erhielt ein Schüler in Bamberg einen Verweis. Seine „linksorientierte Gesinnung“ bedränge andere, sagt sein Direktor.
![](https://taz.de/picture/64187/14/24022015_dpa_bundeswehr.jpg)
MÜNCHEN taz | H. ist ein politischer Mensch. Ein Linker, der – wie das manche Linke eben so machen – aufschreit, wenn er eine Ungerechtigkeit entdeckt. Als der 17-Jährige meinte, sie selbst zu erfahren, sagte er der Tageszeitung Junge Welt, seine Schule habe versucht, ihn wegen seiner politischen Einstellung „mundtot“ zu machen. Seitdem ist seine Stadt in Aufruhr, kämpft seine Schule um ihren Ruf und H. darum, nicht zu fliegen.
Schuld ist ein verschärfter Verweis, den H. von der Graf-Stauffenberg-Wirtschaftsschule in Bamberg bekommen hat und der der taz vorliegt. Darin wird ihm eine „zweifelhaft linksorientierte Gesinnung“ attestiert, und er wird angehalten, „Äußerungen bezüglich seiner extremistischen politischen Meinung zu unterlassen“, sonst drohe die Entlassung. H. habe seine Meinung so „beharrlich“ vertreten, dass sogar die Polizei gerufen werden musste.
Es geht um den 29. Januar. An diesem Tag fand an der Schule ein Berufswahlseminar statt, zu dem auch Vertreter der Bundeswehr kamen, um für den Soldatenberuf zu werben. Als H. den Offizier fragte, wie er zu dem Luftangriff der Bundeswehr in Kundus 2009 stehe, bei dem fast 100 Zivilisten starben, soll der geantwortet haben: „Man muss eben abwägen, ob man seine eigenen Jungs riskieren will oder die halt.“ Seine Ausführungen darüber, „wie schön es bei der Bundeswehr ist“, empfand H. als „dreist“, so der Schüler gegenüber der Jungen Welt.
Kurz nach dem Vortrag ging er vor die Tür, um sich mit seinen Freunden von der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ zu unterhalten, bei der er Mitglied ist. Zusammen mit anderen Organisationen hatten sie einen Proteststand gegen den Bundeswehrbesuch aufgebaut. Als besonders „extremistisch“ ist die Gruppe in Bamberg nicht bekannt. Als H. die Schule wieder betreten wollte, hielten ihn zwei Hausmeister auf.
Schulleiter ist „menschlich enttäuscht“
Einer soll Springerstiefel und eine Militärhose getragen und das Schultor schon mal als „Reichsgrenze“ bezeichnet haben. Die Hausmeister wollten H. Rucksack durchsuchen, in dem sie politische Aufkleber vermuteten, und eine Leibesvisitation durchführen. Als er sich weigerte, riefen sie die Polizei. In der Zwischenzeit wurde H. vom stellvertretenden Direktor Hausverbot erteilt. An das habe sich der „sehr einsichtige“ Schüler gehalten, vermerkten die Beamten später im Protokoll.
Als sich H. am nächsten Tag im Direktorat rechtfertigen musste, soll seine Klassenlehrerin gesagt haben, sie werde mit allen Mitteln verhindern, dass er seine Mitschüler von seiner Meinung überzeuge. Von der fühlten sich Lehrer und Schüler „politisch und persönlich bedrängt“, heißt es im Verweis. Einige Schüler hätten sich über ihn beschwert, erklärt der Schulleiter, Martin Mattausch. Er sagt, er sei von seinem Schüler „menschlich enttäuscht“.
Anstatt Presse und Politik zu alarmieren, hätte der zu ihm kommen sollen. Weil er das nicht tat, bat sogar das Büro des Oberbürgermeisters um eine Erklärung. Mattausch verteidigt den Verweis. Die Bundeswehrsoldaten seien Gäste gewesen, die es verdienten, „höflich behandelt zu werden“. Was ein Mitschüler von H. als „kritische Fragen“ beschreibt, ist für Mattausch eine „Störung“. Wird der Schulbetrieb durch politische Äußerungen „ernsthaft beeinträchtigt“, können diese unterbunden werden, heißt es aus dem Kultusministerium.
H. falle außerdem nicht zum ersten Mal unangenehm auf, sagt sein Schulleiter. Er sei schwierig und „von Schule zu Schule durchgereicht“ worden, aber „begabt“. Mattausch will ihm nichts verbauen und darum von weiteren Konsequenzen absehen. Vorausgesetzt, H. spreche nicht mehr mit der Presse. Gegenüber der taz zog H. seine Aussagen zurück.
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