piwik no script img

Umwelt-Experte über Fluglärm„Menschen nicht komplett einhausen“

Fluglärm bei Tag und bei Nacht macht krank – und kommt die Gesellschaft am Ende auch teuer zu stehen, sagt der Umwelt-Experte Thomas Myck.

Macht Krach: Ein Flugzeug fliegt über ein Wohnhaus in der Nähe von Frankfurt. Bild: dpa
Timo Reuter
Interview von Timo Reuter

taz: Herr Myck, vor drei Jahren wurde die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen eingeweiht. Was hat sich geändert?

Thomas Myck: Die Flugbewegungszahlen sind nach dem Anstieg im Jahr 2011 derzeit zwar rückläufig, die Flugzeuge fliegen aber über Gebiete, die vorher weniger von Fluglärm betroffen waren. Und dagegen protestieren die neu betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner massiv.

Ist es denn lauter geworden?

Man muss unterscheiden zwischen der Lärm-Belastung als physikalische Größe und der Lärm-Belästigung, also dem individuellen Empfinden. Aufgrund dessen ist es mit Sicherheit lauter geworden, da es neue Betroffene gibt, für die das eine krasse Belastung ist, wohingegen diejenigen, bei denen es physikalisch etwas leiser geworden ist, dies wegen der vielfältigen Lärmbelästigung nicht als Entlastung empfinden.

Fluglärm ist zudem kein spezifisches Problem in Frankfurt, das gibt es bundesweit. Laut unseren Umfragen fühlen sich rund 23 Prozent der Deutschen davon belästigt.

Fluglärm ist ungesund?

Schmerzhafte Laute

■ Was ist ein Dezibel? Ein Unterschied von einem Dezibel entspricht ungefähr der kleinsten, mit gutem Gehör gerade noch wahrzunehmenden Änderung einer Lautstärke. Dezibel ist die Maßeinheit für den Schalldruckpegel, meist vereinfacht „Schallpegel" genannt.

■ Und was ist ein Dezibel dB(A)? Da unser Gehör Töne unterschiedlicher Frequenz als verschieden laut empfindet, werden die Schallsignale im Messgerät so gefiltert, dass die Eigenschaften des menschlichen Gehörs nachgeahmt werden. Man spricht dann von einer sogenannten A-Bewertung, kurz dB(A).

■ Wie geht die Dezibel-Skala? Sie ist logarithmisch aufgebaut. Null dB(A) entspricht der Hörschwelle, 130 dB(A) der Schmerzgrenze.

Dauerhafter Fluglärm und auch anderer Lärm machen krank, das ist durch viele Studien belegt. Über genaue Grenzwerte wird aber noch gestritten. Eine große Schweizer Studie geht etwa davon aus, dass das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, um 50 Prozent steigt, wenn Menschen über 15 Jahre einem Pegel von 60 dB(A) ausgesetzt sind. Das Umweltbundesamt geht im Einklang mit der Weltgesundheitsorganisation noch einen Schritt weiter und hält einen nächtlichen Dauerschallpegel ab 40 dB(A) für gesundheitsschädlich.

Was ist mit Fluglärm am Tag?

Bild: Umweltbundesamt
Im Interview: 

ist Jahrgang 1958. Er arbeitet beim Umweltbundesamt (UBA), der zentralen Umweltbehörde der Bundesregierung. Dort leitet der Ingenieur das Fachgebiet „Lärmminderung bei Anlagen und Produkten, Lärmwirkungen“.

Fluglärm führt auch am Tag zu Leistungsstörungen, psychischen Beschwerden und Konzentrationsschwächen. Außerdem gehen Belastungen am Tag in die Nacht ein und umgekehrt. Allerdings geht es bei Lärm nicht nur um Gesundheitsgefahren: Das Bundes-Immissionsschutzgesetz etwa soll Menschen schon vor Lärmbelästigung schützen.

Aber dort ist Fluglärm als Lärmquelle ausgenommen.

Das ist leider richtig. Das Gesetz behandelt Lärm aus Industrieanlagen, Straßen- und Schienenverkehr. Flugplätze sind aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ausgenommen. Fluglärmfragen werden daher im Luftverkehrsrecht und im Fluglärmschutzgesetz behandelt.

Was ist mit dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm?

Dieses begrenzt nicht die Fluglärmbelastung an einem Flughafen, sondern regelt nur die Bebauung innerhalb des Lärmschutzbereichs in der Flughafenumgebung. Dort bestehen bauliche Beschränkungen. Wer dort bereits wohnt, bekommt im hochbelasteten Bereich Schallschutzfenster erstattet. Das ist eine sinnvolle Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern, reicht aber bei Weitem zur Reduzierung von Fluglärm nicht aus, denn man kann die Menschen ja nicht komplett einhausen.

Gibt es überhaupt einen wirksamen gesetzlichen Schutz vor Fluglärm?

Es gibt Einzelregelungen, die versuchen, die Belastung zu reduzieren. Aus unserer Sicht ist das jedoch nicht ausreichend, denn es gibt für den Fluglärm keine umfassende Regelung und keine gesetzlich fixierten Lärmobergrenzen.

Warum?

Offensichtlich sind beim Thema Luftverkehr die wirtschaftlichen Interessen als stärker befunden worden als der Lärmschutz. Wobei oft vergessen wird, dass auch die ökonomischen Folgen von Fluglärm gravierend sind. Alleine für den Frankfurter Flughafen gibt es Schätzungen, wonach sich die Gesundheitsschäden auf jährlich 40 Millionen Euro belaufen. Meist werden aber nur die Verluste sozialisiert, während die Lärmverursacher die Gewinne einstreichen.

Aber auch außerhalb der Gesetze wird einiges gegen Fluglärm getan. In Frankfurt etwa gibt es sogar ein Nachtflugverbot.

Das Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr ist an einem der größten Flughäfen der Welt schon ein Erfolg. Es gibt zudem verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung des Lärms, etwa ein lärmabhängiges Start-und-Lande-Entgelt. Es gibt auch ein Programm der Fraport, das den Anwohnerinnen und -anwohnern anbietet, ihre vom Fluglärm besonders betroffenen Häuser zurückzukaufen. Außerdem werden lärmmindernde An- und Abflugverfahren erprobt.

Was kann noch getan werden?

Es können Lärmpausen oder eine Lärmobergrenze eingeführt werden. Letztlich geht es in Frankfurt oder Berlin um Flughäfen in dicht besiedelten Regionen, viele Menschen werden dort trotz allem von Lärm betroffen sein. Umso wichtiger ist ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Außerdem brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs, um zu klären, wie viel Verkehr wir insgesamt wollen und brauchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Im Endeffekt kann man einen megaHUB nicht in einem dichtest besiedelten Ballungsraum wie dem Rhein-Main-Gebiet betreiben!

    Die Arbeiten von Prof. Dr. Greiser und viele weitere Studien belegen, dass Fluglärm krank macht.

    Jetzt hat sogar die vom sog. „Umwelthaus“ (dahinter stehen das Land Hessen, Fraport, die Airlines, etc.) bestellte NORAH-Studie nicht verharmlosen können, dass Kinder wegen Fluglärm Probleme beim Lesen-Lernen haben: sie benötigen pro 10dBA Fluglärm für den gleichen Lernfortschritt einen Monat länger als Kinder ohne Fluglärm. Auch müssen diese Kinder MEHR MEDIKAMENTE nehmen und das ist ein echter Skandal!

    Wenn man bedenkt, dass in dieser Studie nur die Lage der Schule und deren Exposition ggü. dem Fluglärm untersucht wurde, dabei aber außer acht gelassen wurde, dass die Kinder auch zu Hause morgens um 5h vom ersten Flieger geweckt werden und nach der Schule – insgesamt 18h täglich – dem Fluglärm erdulden, dann sprechen wir hier von der Spitze des Eisberges. Es kann einem Angst und Bange werden.

    Da Fluglärm also krank macht, müssen die Bürger geschützt werden und das geht nur über den aktiven Lärmschutz, da andere Maßnahmen nicht wirken.

    Für den Frankfurter Flughafen bedeutet dies schnellstmögliche Schließung der fehlgeplanten Landebahn Nordwest, Deckelung der Flugbewegungen und als Sofortmaßnahme echte nächtliche Betriebsbeschränkungen (=Start- und Landeverbot bzw. "Nachtflugverbot"), die die ganze Nacht von 22-6h umfassen.

    Damit geht einher, dass der Flughafen die geänderten Rahmenbedingungen als Chance zum Gesundschrumpfen hin zu einem internationalen Flughafen weg vom HUB begreifen muss.

     

    Wer einen megaHUB betreiben möchte, der möchte auch 24h am Tag fliegen und benötigt einen geeigneten Standort und der liegt fernab von Städten und Wohngebieten.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Vor einigen Jahrzehnten haben sich viele großkotzige Bürgermeister der Kleinstädte durch ein Hallenbad ein Denkmal gesetzt, die werden oder sind bereits heute allesamt abgerissen. Kosten ohne Nutzen. Heutzutage will jeder dahergelaufene und nicht minder großkotzige Landrat in seinem Beritt einen Flughafen haben, möglichst einen internationalen. Diese vollkommen unsinnigen Landebahnen -meist ehemalige Militärpisten- werden massiv von höchst unverantwortlichen Politikern bezuschusst, mit Millionen. Defizit weisen sie alle auf und Profiteure sind ausschließlich einige private -ebenso unnütze- Airlines. Arbeitsplätze werden entgegen allen anderen Behauptungen NICHT geschaffen - die fallen andeswo weg. In ein paar Jahren werden die Kosten ebenso wie bei den Hallenbädern so immens hoch sein, dass auch diese "Flughäfen" als Bauruinen dastehen und/oder abgerissen werden. Das Schlimmste aber ist die Lärm-Emission die so über die gesamte Republik verteilt wird. Anstatt sich auf die bestehenden Großflughäfen zu beschränken und die dort betroffene Bevölkerung wirksam und vernünftig zu schützen wird massiv Steurgeld aus dem Fenster geworfen und wird Umweltschutz als Spinnerkram abgetan. Leiden muss die Bevölkerung breitflächig und bezahlen muss sie ihre eigene Qual auch noch selber. Armes Deutschland.