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Vitali Klitschko über Protest in der Ukraine„Wir kämpfen gegen eine Diktatur“

Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko glaubt, dass die Krise friedlich gelöst werden kann. Die Regierung muss jedoch zurücktreten.

Vitali Klitschko: „Ich will nicht, dass wir in einem Polizeistaat leben.“ Bild: ap
Interview von Andrej Nesterko

taz: Herr Klitschko, werden Sie an dem runden Tisch teilnehmen, damit die Opposition und die Regierung gemeinsam einen Ausweg aus der Krise finden?

Vitali Klitschko: Ja, aber wenn wir uns mit der Regierung an einen Tisch setzen, dann zu unseren Bedingungen. Wir können zu einem Kompromiss kommen, aber das ist jetzt viel schwieriger geworden, nachdem friedliche Demonstranten ohne jeden Grund von Spezialeinheiten zusammengeschlagen wurden. Aus diesem Grund bleiben unsere Forderungen bestehen: die Freilassung aller ungesetzlich festgenommenen friedlichen Demonstranten. Diejenigen müssen bestraft werden, die den Befehl gegeben haben, die Demonstration gewaltsam aufzulösen. Und die Regierung muss die Verantwortung für die wirtschaftliche und politische Krise übernehmen, das heißt, sie muss zurücktreten.

Was, glauben Sie, werden die nächsten Schritte von Janukowitsch sein?

Ich hoffe, dass der gesunde Menschenverstand siegt und doch noch ein Kompromiss gefunden werden kann. Ich will nicht, dass wir in einem Polizeistaat leben und dass solche Fragen wie die Freiheit des Worts, der Demokratie und der Einhaltung der Menschenrechte mit dem Einsatz von Schlagstöcken beantwortet werden. Und ich glaube auch nicht, dass das die Ukrainer wollen. Genau aus diesem Grund gehen jetzt Hunderttausende Gleichgesinnte auf die Straße.

Viele Beobachter merken an, dass die Opposition zerstritten ist. Wir beurteilen Sie das?

Unser gemeinsames Hauptziel ist, den Weg für unsere Entwicklung zu wählen. Die Ukrainer wollen ein Teil Europas werden und auf demselben Weg voranschreiten, der schon viele Staaten in die Europäische Union geführt hat. Was die Uneinigkeit der Opposition angeht, so kommen wir alle aus verschiedenen Parteien. Wir haben natürlich unterschiedliche Ideologien und unterschiedliche Positionen. Doch jenseits aller Unterschiede einen uns zwei Dinge: Wir kämpfen gegen ein diktatorisches Regime, das man uns aufgezwungen hat. Und wir wollen in einem freien europäischen Land leben.

Im Interview: Vitali Klitschko

42, ist ein ukrainischer Profiboxer, promovierter Sportwissenschaftler und Oppositionspolitiker. Er ist ehemaliger Weltmeister der WBO im Schwergewicht sowie aktueller und zweimaliger Weltmeister nach Version der WBC. Sein jüngerer Bruder ist der Profiboxer Wladimir Klitschko.

In den Medien werden Gerüchte verbreitet, Sie hätten sich mit Bundeskanzlerin Merkel getroffen, die Ihnen Unterstützung für die Präsidentschaftswahlen 2015 zugesagt hat.

Das sind doch alles nur Spekulationen. Ich habe mich nicht mit Angela Merkel getroffen und folglich mit ihr auch nicht darüber gesprochen. Aber ich weiß, dass sie und die CDU die Ereignisse in der Ukraine sehr genau beobachten. Was bei uns derzeit auf den Straßen passiert, das ist eine friedliche Demonstration und zeigt den Wunsch der Ukrainer, in einem normalen Land zu leben.

Was wird die Opposition tun, wenn die Staatsmacht doch wieder gewaltsam gegen die Demonstranten vorgeht?

Solche Gewaltszenarien sollten überhaupt nicht als eine mögliche Variante der weiteren Entwicklung erörtert werden. In diesem Fall könnte die Situation außer Kontrolle geraten und brandgefährlich werden. Die Empörung in der Gesellschaft ist extrem groß. Doch wir hoffen immer noch, dass sich die Fragen friedlich regeln lassen.

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8 Kommentare

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  • Naja da hat Klitschko (der zwar gerne nationalistische Töne von sich gibt, aber es persönlich vorzieht nicht in der Ukraine zu wohnen und seit Jahren in DE und den USA lebt) sogar recht: Kiew kämpft gegen eine Diktatur, nämlich gegen die EU. Oder wurde auch nur einer der EU-Kommissare demokratisch gewählt, wurde auch nur in einem EU-Staat die Wähler befragt, ob sie unter EU-Verordnungen leben wollen?

  • G
    Gustav

    Die Schweiz, Neuseeland, zeigen, dass man auch als unabhängiges Land sehr gut leben kann!

    Bevor die Amis mit ihrer Freihandelsgleichschaltung loslegten, haben auch Südkorea,

    Taiwan und Singapur eine sehr gute Performance hingelegt.

    Es geht und es geht auch gut!

    Was die Schweiz für die Banken und für die Finanzen ist, könnte die Ukraine für die

    Nahrung (ökologisch, nicht genmanipuliert von Monsanto und ä.) und ein bißchen für Biogas sein.

    Zu wichtig und von zuvielen gebraucht, um angegriffen zu werden.

  • G
    Gustav

    Man sieht sehr deutlich, dass

    Vitali Klitschko sehr angegriffen und übermüdet aussieht. Wenn er so weitermacht,

    wird er schnell alt und krank werden.

     

    Es ist jetzt sehr wichtig wieder einen gesunden Grundzustand(ausgeruhten Verstand)

    zurückzufinden und zu regenerieren, um nicht noch mehr Fehler zu machen. Die

    Drohung zum Partisanenkrieg war ein solcher Fehler. Vitali&Wladimir müssen zum

    Frieden aufrufen und ihre Leute und die gesamte Ukraine schonen!!!

    Die Erpressbarkeit im Bezug auf Erdgaslieferungen hängt mit den ungenutzen

    Potentialen der Ukraine in Sachen Biogasgewinnung(NICHT Fracking!!!) zusammen.

    Die Russen wollen legitimerweise ihr Gas nicht unter Weltmarktniveau verkaufen.

    Und kaum ein anderes Land als die Ukraine könnte sich sein Biogas auch selbst

    produzieren!

    Sie haben auch für Windkraft und Solarenergie noch genug Flächen. Für Solarenergie z.B.

    Tschernobyl, wo die Solarfelder von alten Menschen ohne weiteren Kinderwunsch

    betrieben werden könnten. Die Ukraine sollte in keinen Machtblock integriert werden,

    weil sowohl die Russen als auch die EU auf

    sichere(gentechnikfreie und reichlich viel)Nahrung angewiesen sind(Keine Erpressbarkeit

    durch PolitikerInnen soll möglich sein!) und weil die Gefahr von mehreren tausend

    Kilometer Grenze zweier angrenzender Größmilitärblöcken(NATO,Russland) einfach zu

    groß ist!!!! Die Vorwarnzeiten zur Klärung von Fehlinterpretationen

    in politisch aufgeladenen Zeiten entfallen.

    --> Unverantwortbar!!

  • NK
    NATOs Klitschko

    Klitschko kämpft für die Administration der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) des CLUBs DER UNTERNEHMER (CDU), der ideologischen Kapital-Stiftung des deutschen Finanz- und Monopolkapitals, - in deren zukünftigen deutsch-europäischen Kornkammer Ukraine -, für den künftigen Profit und die Boxer-Dividende der US-NATO-EU-Rohstoff- Konzerne und Quandtschen Dividenden-Gesellschaften!

  • Lasst Euch nicht betrügen! Die aktuelle Regierung wurde frei und geheim gewählt. Anders als in den USA gab es außerdem genug Alternativen.Klitschko hat verloren. Jetzt wendet er sich wohl an all jene, die nichts zusammenhängendes über die Ukraine wissen. Fakt ist: Seine überheblichen Freunde in der EU haben die Vertragsverhandlungen total vermasselt. Die Freilassung einer Kriminellen zur Bedingung für einen Vertrag mit der EU zu machen, gehts noch? Wenn die so weiter machen, landet die Ukraine bald aus freien Stücken in einem Bündnis mit Rußland.Um zu überleben! Klitschko sollte anfangen, seine Ukrainer endlich ernster zu nehmen, als diese dümmlichen US- und EU-Politikberater. Die haben nur Geld, sonst nichts...

  • Auf meine Frage, was er denn so von Klitschko als Politiker halte, antwortete mir in Kharkov ein Taxifahrer "Ehrlich gesagt nichts. Der soll beim Boxen bleiben, von Politik hat der doch keine Ahnung."

    • @Tadeusz Kantor:

      ... und?

      • @Jürgen Gerdom:

        hihi... "Ja und ?"

        Vermutungen sind ja wohl erlaubt, wie ??

        Nun mal: Herr Klitschko, ob als Boxer oder sonstwas berufliches.. hat, als demokratisch gesinnter Bürger seines eigenen Gewissens alle Rechte sich zu äussern oder sich im sozialen Feld politisch zu manifestieren !

        Mit Recht auf Gehör und Debatte !

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        Aber? FRAGE: Wen in Ukraina repräsentiert Herr Klitschko mit seiner "SCHLAG" politischen Partei? Es ist offensichtlich mehr eine gebildete und E.U. orientierte Gruppierung der westlichen Geographie der Ukraine!

        Eben eine politische Minderheit in der Grösse der Ukraine.

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        Zu hoffen ist, dass die Aktivitäten von Herrn Klitschko zu irgend `Dualer ökonomischer Politik´ des Staates der Ukraine führt!

        Einerseits positive Fortsetzung der Beziehungen zu Russland, zum Zweiten Annäherung an die E.U.!

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        Wodurch die Ukraine zu irgend neuem Bindeglied zwischen West und Ost werden dürfen.

        ( Sei es drum- um den wieder aufflammenden `kalten Krieg´ zu entkräften..)

        Es erscheint irgendwie als ob Herr Klitschko mit seinen Forderungen im Recht ist- jedoch die `Kunst des Dialoges´ für Frieden und allgemeine Einsicht noch erlernen muss...

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        Auch finde ich die `Einmischung´ in Ukraina´s politische Bewusstseins-und Willensbildung von Seiten Herrn Westerwelle und

        Frau Ashton etwas überdreht !