Porträt Vitali Klitschko: „Dr. Eisenfaust“ protestiert
Er ist amtierender Schwergewichtsweltmeister. Außerdem ist Vitali Klitschko Vorsitzender einer Partei namens „Schlag“. Und er ruft die Ukrainer zur Ruhe auf.
Seine Fäuste hat Boxweltmeister Vitali Klitschko bei den Massenprotesten, die dieser Tage die Ukraine erschüttern, soweit bekannt noch nicht eingesetzt. Im Gegenteil: Am vergangenen Sonntag rief der Oppositionspolitiker in Kiew zur Ruhe auf, als es vor dem Präsidentenbüro zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten kam und die Situation kurzzeitig außer Kontrolle zu geraten drohte.
Die Massenproteste sind für Klitschko, der 1971 in Belowodskoje, im heutigen Kirgisien, geboren wurde und seit 1985 in der Ukraine lebt, ein Déjà-vu. Bereits 2004 engagierte sich der promovierte Sportwissenschaftler mit seinem Bruder Wladimir für die Demokratiebewegung (Orangene Revolution), die nach wochenlangen Protesten den damaligen (und heutigen) Präsidenten Wiktor Janukowitsch aus dem Amt fegte.
Zwei Jahre später kandidierte er für das Bürgermeisteramt in Kiew und landete mit 29 Prozent auf dem zweiten Platz. Auch ein zweiter Versuch, im März 2008 in das Rathaus der Hauptstadt einzuziehen, scheiterte. Im April 2010 wurde Klitschko zum Vorsitzenden der neu gegründeten Partei „Ukrainische demokratische Allianz für Reformen“ (Udar, Deutsch: „Schlag“) gewählt.
Udar wurde bei den Parlamentswahlen 2012 mit 13,9 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft und Klitschko ihr Fraktionschef im Parlament. Im gleichen Jahr stieg der verheiratete dreifache Familienvater zum bislang letzten Mal in den Ring und verteidigte gegen den Deutschen Manuel Charr seinen Weltmeistertitel im Schwergewicht. Wie üblich durch K.o. – nicht umsonst ist sein Kampfname „Dr. Eisenfaust“.
Der Zweimetermann, der mit seiner 2003 gegründeten Klitschko-Stiftung Hilfs- und Sportprojekte für sozial benachteiligte Kinder fördert, hat in der Politik noch einiges vor – und das, obwohl er alles andere als ein begnadeter Redner ist und sich noch immer mit seiner neuen Rolle schwertut. Im vergangenen August kündigte er an, 2015 bei den Präsidentenwahlen antreten zu wollen. Doch jetzt gilt sein Kampfgeist erst einmal der Protestbewegung. Diese werde so lange weitermachen, bis die Regierung zurücktrete, sagte Klitschko. Wer wollte an seinen Worten zweifeln. Denn Stehvermögen hat er ja.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher