Die Linke zur Eurokrise: Währungsunion währt nicht ewig
Eine neue Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung klärt über die Gründe für die Eurokrise auf. Die Linke fügt Strategien zur Lösung hinzu.
BERLIN taz | Alle starren wie gebannt auf die Mattscheiben. Europa-Spiel. Während Deutschland im blinden Alleingang Eigentore schießt, drohen die Defizit-Spieler einfach den Platz zu verlassen. Wenn doch nur mal jemand die linke Abwehr einwechseln würde.
So wie jetzt geht es nicht weiter. Das wusste die Linke schon in den 90er Jahren. Nun bestätigten es auch nochmal Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas in einer Studie zu den wahren Gründen der Eurokrise und effektiven Lösungsstrategien, welche die der Linkspartei nahestende Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegebenen hat.
„Die Europäische Währung ist existenziell bedroht. In der aktuellen Situation gibt es in den meisten Ländern der Währungsunion keine positiven Impulse, die eine Wirtschaft wiederbeleben könnten.“, so Flassbeck. Es müsse damit gerechnet werden, dass in Schuldner- wie auch in Gläubigerländern bei ergebnisloser Bekämpfung der Krise seitens der Regierungen solche Parteien Zulauf bekämen, die das Währungssystem infrage stellen und einen nationalen Ausstieg erwägen. In Deutschland gründete sich aus dieser Motivation heraus gerade die Alternative für Deutschland (AfD).
Kapitalverkehrskontrollen unumgänglich
„Deutschland würde in einem Ausstiegsszenario wirtschaftlich hart getroffen“, warnt Flassbeck. Nicht zu sprechen von den möglicherweise austretenden Ländern, die ohne richtige europäische Optionen gar in Bürgerkriege geraten könnten.
Strikte Kapitalverkehrskontrollen seien unumgänglich, die Wiederbelebung des Europäischen Währungssystems (EWS), das vor der Euro-Einführung vor allem die Wechselkurse der verschiedenen europäischen Währungen ausbalanzierte, solle übermäßigen Abwertungen vorbeugen und Ländern, die in der Europäischen Union bleiben wollen, den Übergang möglichst schmerzfrei gestalten.
Auch die Linke kann sich ein Szenario des chaotischen Ausstiegs vorstellen. Wünschen tut sie es nicht. „Wir fordern nicht den Austritt aus dem Euro. Wir fordern eine andere Politk“, positioniert sich der Bundesvorsitzende Bernd Riexinger. „Zumal es keine Entscheidung ist, die wir in Deutschland zu treffen haben,“ ergänzt ihn Genossin Sahra Wagenknecht.
Noch nicht zu spät
Nichtsdestotrotz sei es noch nicht zu spät für eine Umkehr. Noch könne Deutschland seine Position radikal verändern und einen sanfteren Weg aus der Krise finden. Einen zehnjährigen Plan dazu hat die Linke. „Die Löhne in Deutschland müssen steigen, der Binnenmarkt dauerhaft gestärkt werden“, so Riexinger. Dasselbe steht auch in Flassbecks Studie.
Es müsse Schluss gemacht werden mit der deutschen Sparpolitik, Investitionen sollten in den Ausbau der Infrastruktur, der Daseinsvorsorge und in den sozialökologischen Umabu fließen. Es bräuchte eine Regulierung der Finanzmärkte, eine Abgabe aller europäischen Millionäre und Milliardäre.
Was es vor allen Dingen brauche, sei eine Besinnung auf das Wesentliche. „Die Frage lautet nicht: Euro, ja oder nein?. Sie lautet: In was für einem Europa wollen wir eigentlich leben“, erinnert Wagenknecht. Neben dem wirtschaftlichen gäbe es auch noch ein politisches Europa, das gerade schwere Einschränkungen seiner Demokratie erlebe. Dass die Linke einmal für Basiselemente der Demokratie eintreten muss, hätte sie selbst nicht gedacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland