Creative Commons auf der Re:publica: Nicht-kommerziell ist auch keine Lösung
Nutzer von Creative-Commons-Lizenzen erlauben häufig nur eine nichtkommerzielle Nutzung. Die Einschränkung hat häufig unbeabsichtigte Folgen.
BERLIN taz | Creative Commons ist mehr als nur eine Lizenz, es ist eine Bewegung. Das Symbol mit den zwei C steht gegen die Auswüchse des Kommerziellen. Gegen Abmahnungen, gegen Geldmacherei ohne Eigenleistung, gegen Kopierverbote.
Kein Wunder, dass die meisten Autoren, Fotografen und Musiker zu den NC-Varianten greifen – „NC“ steht kurz für „nicht-kommerziell“. Doch kaum jemand weiß, dass diese Lizenzen auch sehr erwünschte Nachnutzer ausschließen, warnt unter anderem Wikimedia Deutschland.
Denn meist wollen die Kreativen, dass sich ihr Werk möglichst weit verbreitet und das präventive Verbot des Kommerziellen erweist sich dabei oft als Stolperstein: Radios dürfend die Musik nicht spielen, Zeitungen Fotos nicht abdrucken und auch Wikipedia kann die Arbeiten nicht verwerten. Die Online-Enzyklopädie nimmt nur Werke auf, bei denen die kommerzielle Nutzung ausdrücklich erlaubt ist. Das ermöglicht Wikimedia die Zusammenarbeit mit Verlagen, die das Material von Wikipedia weiter verbreiten wollen.
„Man will sich nicht gemeinmachen mit bestimmten Geschäftspraktiken“, erläutert Paul Kimpel von Irights.info das Problem auf der Re:publica in Berlin. Er hat in Zusammenarbeit mit Creative Commons Deutschland und Wikimedia Deutschland eine Broschüre verfasst, die Nutzer über die Folgen der Lizenzwahl aufklären soll. „Das ist eine intuitive Wahl, bei der die Nutzer oft die Folgen nicht berücksichtigten“, ergänzt Kimpel.
Streit über NC-Klauseln
In der Creative-Commons-Szene sorgen die NC-Klauseln immer wieder für Streitigkeiten. Für viele zählt eine nicht-kommerzielle Variante nicht mehr zu den „freien Lizenzen“. So lassen sich zum Beispiel viele Blogger davon abschrecken, da sie nicht genau wissen, ob zum Beispiel durch einige Werbebanner auf der Webseite das Angebot als „kommerziell“ einzustufen ist. Umfragen haben ergeben, dass die Kreativen, die ihre Arbeiten unter Creative Commons stellen, das weniger eng sehen als die Nachnutzer. Folge: Arbeiten, die eigentlich weiterverbreitet werden sollen, bleiben ungenutzt.
Jan Engelmann von Wikimedia Deutschland bezeichnet Creative Commons als „Jedermann-Lizenzen“. Sie sind standardisiert, für Urheber und Nachnutzer einfach verständlich und sollen unnötige Nachfragen vermeiden. „Solche Nachfragen stellen nämlich einen riesigen Aufwand da, der viele Vorteile der einfachen Informationsverbreitung zunichte macht“.
Doch natürlich gibt es andere Überlegungen. „Wenn ich meine Bilder ganz freigebe, werden Firmen die Bilder nicht mehr kaufen“, sagt Valentin Bachem auf der Re:publica. Für viele ambitionierte Hobbyfotografen ist der Verkauf von Bildern ein willkommener Zusatzerwerb. Doch auch hier ist die NC-Lizenz nach Ansicht von Kimpel nicht immer sinnvoll. „Allein die Nutzung einer NC-Lizenz bedeutet nicht automatisch, dass sich jeder daran hält", erklärt Kimpel. „Wenn man nicht bereit ist, gegen nicht-lizenzkonforme Nutzungen vorzugehen, schreckt NC nur die rechtskonformen Nutzer ab.“
Andere Möglichkeiten Geld zu verdienen
Besser geeignet ist nach Ansicht die „Sharealike-Option“ – sie schreibt den Nachnutzern vor, ihr Werk unter der gleichen freien Lizenz zur Verfügung zu stellen wie das Originalwerk. Firmen und Werbeagenturen wollen dies oft nicht machen und zahlen lieber den Urheber für eine separate Lizenz. Zudem ergeben sich oft auch andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen.
So hatte das Bundesarchiv in Koblenz Wikipedia über 80.000 digitalisierte Bilder zur Verfügung gestellt – und laut Engelmann dabei befürchtet, dass die eigenen Einnahmen dadurch sinken werden. Das Gegenteil war jedoch der Fall: Dadurch, dass viele Nutzer über die Wikipedia erst von der Existenz der Bilder erfuhren, stieg die Nachfrage nach hochqualitativen Abzügen enorm.
Auch Hobbyfotograf Bachem hat sich von den Argumenten überzeugen lassen: Er will in Zukunft auf die „NC"-Option verzichten. „Man sollte sich auch Mal überlegen: Wie oft haben mich in den vergangenen fünf Jahren Firmen angesprochen, die tatsächlich Geld für ein Bild bezahlen wollten?“, sagt Bachem. Bei ihm war es nur einmal der Fall: Eine Brauerei verwendete eine Panorama-Aufnahme von ihm in einem Werbemotiv. Auch wenn er kommerzielle Nutzung n Zukunft nicht mehr ausschließt, kann ihm das mit Glück wieder passieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Humanitäre Lage im Gazastreifen
Neue Straßen für Gaza – aber kaum humanitäre Güter