Nach Todestag Oury Jallohs: Polizeiübergriff auf Gedenkdemo
Aktivisten fordern die Aufklärung des mysteriösen Todes Oury Jallohs in Polizeigewahrsam. Bei einer Gedenkdemo wurden zwei Teilnehmer von Polizisten verletzt.
BERLIN/BREMEN taz | Es ist nicht mehr nur die Geschichte des toten Oury Jalloh. Es ist längst auch die Geschichte des Guineers Mouctar Bah und seiner Freunde. Sie wollten am Samstag, dem Todestag Jallohs, in Dessau demonstrieren. Doch am Ende dieses Tages lag Mouctar Bah im Krankenhaus: niedergeschlagen von Dessauer Polizisten.
Seit Jahren fordert die von Bah gegründete "Initiative Oury Jalloh" die Aufklärung des mysteriösen Feuertods in einer Dessauer Polizeizelle. Am Samstag demonstrierten dafür rund 200 Menschen. "Oury Jalloh, das war Mord!" stand auf ihren Plakaten. Doch wie in der Vergangenheit versuchte die Polizei diesen Slogan zu verbieten.
Ein unguter Verdacht
Der Sierra Leoner Oury Jalloh verbrannte am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle, er war an Händen und Füßen gefesselt. Freunde und die Familie des Toten machen Polizisten für den Feuertod verantwortlich.
Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass der gefesselte Jalloh die Matratze selbst angezündet hat. Sie klagte zwei Polizisten wegen fahrlässiger Tötung an: Der eine habe bei Jallohs Durchsuchung ein Feuerzeug übersehen, der andere den Feueralarm ignoriert.
Die beiden Angeklagten wurden 2008 vom Landgericht Dessau freigesprochen. Der Bundesgerichtshof hob den Freispruch 2010 auf. Seitdem verhandelt das Landgericht Magdeburg erneut.
Als Bah und einige Begleiter am Ende der Demo erkennungsdienstlich behandelt werden sollten, seien sie von Polizisten brutal niedergeschlagen worden, berichtet die Initiative. Bis Montag lag Bah, der von der Internationalen Liga für Menschenrechte für sein Engagement mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille ausgezeichnet wurde, deswegen im Krankenhaus.
"Das nährt einen sehr unguten Verdacht", sagt Dirk Vogelskamp vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. Die drei von der Polizei Attackierten waren dunkelhäutig und gehören seit Jahren zu den tragenden Figuren der Initiative Oury Jalloh.
Am Montag erklärte Sachsen-Anhalts CDU-Innenminister Holger Stahlknecht, dass die Polizei keinen Strafantrag wegen des Slogans stellen werde, um "weitere Eskalationen" zu verhüten. Er verwahre sich aber "gegen die Aussage, dass unsere Polizisten Mörder sein sollen".
Neue Ungereimtheiten im Prozess
Der Verlauf des Revisionsprozesses, der am Montag in Magdeburg fortgesetzt wurde, hat die Initiative jedoch in ihrer Entschlossenheit bestärkt. Denn dort kamen immer neue Ungereimtheiten zutage.
Besonders schwerwiegend sind die Widersprüche zu einer Zellenkontrolle, eine halbe Stunde vor Jallohs Feuertod. Die Polizisten Hans-Ulrich M. und Udo S. sollen noch um 11.30 Uhr Jallohs Zelle durchsucht haben. "Das haben Polizeibeamte im Prozess ausgesagt", sagt der Anwalt der Familie Jalloh, Daniel Napp. M. und S. hatten Jalloh an jenem Morgen festgenommen. Die Kontrolle streiten sie jedoch ab; sie wollen zu der Zeit auf Streife gewesen sein. Im schriftlichen Dienstprotokoll ist die Kontrolle nicht dokumentiert.
Das elektronische Journal, das alle Vorgänge auf dem Polizeirevier erfasst, wurde gelöscht. Das Gericht konnte nicht klären, weshalb. Das Feuerzeug, mit dem Jalloh sich selbst angezündet haben soll, wurde nicht bei der ersten Durchsuchung der ausgebrannten Zelle entdeckt. Es ist erst nachträglich in die Asservatenliste eingetragen worden.
Das Videoband "ist weg"
Und das Videoband, auf dem die Durchsuchung der Zelle dokumentiert ist, hat Lücken. Zuerst hatten die filmenden Beamten behauptet, dass ein Stromausfall dafür verantwortlich sei. Dies hat sich während des Prozesses als nicht haltbar erwiesen. "Das Band ist weg", sagt Napp. In der nicht dokumentierten Zeit "wurde das Anheben des Leichnams möglicherweise gefilmt", sagt Napp.
Schließlich erklärte der Brandgutachter - in beiden Prozessen war es derselbe -, dass er von der Justiz nur den Auftrag bekommen habe, den Brandverlauf so zu rekonstruieren, als habe Jalloh sich selbst angezündet. "Der Zustand der Leiche ist so aber nicht zu erklären, das hat der Gutachter selbst eingeräumt", sagt Napp. Zehn neue Beweisanträge hat er am Montag gestellt.
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