Uni-Kurs über Rapper: Neue Wege
Professor Dyson hat ein Seminar mit dem Titel "Soziologie des Hip Hop: Jay-Z" an der jesuitischen Georgetown-Uni in Washington angeboten. Kritik daran gibt es zu genüge.
WASHINGTON dapd | Michael Eric Dyson analysiert die Rap-Lyrics von Jay-Z, als ob es sich um anspruchsvolle Literatur handle. Wenn der Rapper über Luxusautos und maßgeschneiderte Kleidung singt und mit seinen Erfolgen prahlt, dann mag das für griffige Reime taugen, Dyson sieht darin aber auch prägnante soziale Kommentare. Dyson ist ein Professor, Schriftsteller sowie Radio- und Fernsehmoderator, der an der Washingtoner Georgetown-Universität gerade ein sehr beliebtes Seminar über Jay-Z und dessen Karriere angeboten hat.
Der Kurs "Soziologie des Hip Hop: Jay-Z" ist vielleicht ungewöhnlich an einer jesuitischen Hochschule, die vor allem von Weißen besucht wird und zu deren Absolventen der frühere US-Präsident Bill Clinton zählt.
Doch laut Dyson geht es in seinem Seminar um Themen, die in jedem Soziologie-Kurs präsent sind: Rassen- und Geschlechterfragen, Sexualität, Kapitalismus und wirtschaftliche Ungleichheit. Das Seminar "hat mit Jay-Z einfach zufällig ein interessantes Beschäftigungsthema", sagt Dyson.
Kurse über Superstars der Popkultur wie Bruce Springsteen gab es in letzter Zeit viele an US-Universitäten. Dyson selbst hat in der Vergangenheit an der Universität von Pennsylvania Seminare über den Rapper Tupac Shakur und den R&B-Sänger Marvin Gaye angeboten.
Jay-Z lohne sich als Studienobjekt wegen seiner zahlreichen Geschäftsinteressen: Er ist im Modegeschäft aktiv, außerdem gehört ihm die Basketballmannschaft der New Jersey Nets. Er sei schichtübergreifend beliebt und sehr geschickt darin, schwarze Gegenwartskultur und seine eigene Position darin auszudrücken. "Ich finde, er ist eine Ikone amerikanischer Exzellenz", sagt Dyson.
Zwar geht es in dem Seminar nicht so strikt zu wie etwa in organischer Chemie, doch auch dort gibt es Klausuren und vorgeschriebene Lektüre, darunter Jay-Zs Buch "Decoded". Die Stunden befassen sich mehr mit afro-amerikanischer Kultur und Geschäften als mit Einzelheiten der Biografie des Rappers, der Millionen Platten verkauft hat, mit Grammys ausgezeichnet wurde, mit der Sängerin Beyoncé verheiratet ist, demnächst Vater wird und mit hochkarätigen Kollegen wie Kanye West und Eminem auf Tour ging.
Angeber oder kritischer Mahner?
In einer Stunde geht es darum, wie populäre schwarze Künstler ihre Kultur der Öffentlichkeit präsentieren. Ist die Beschreibung eines extravaganten Lebensstils, wie sie sich häufig in Jay-Zs Texten findet, Prahlerei gegenüber seinen Zuhörern, denen es wirtschaftlich um Klassen schlechter geht?
Ein Student sagt, auf ihn wirke der Rapper wie ein Angeber. Dyson hält dagegen, dass der Musiker, der in einer Sozialsiedlung in Brooklyn aufwuchs, nie die Fähigkeit verloren habe, die Alltagsprobleme "normaler" Menschen zu verstehen und ihren Sorgen eine Stimme zu geben.
So singe er nicht nur von Saint-Tropez und teuren Zigarren, sondern auch von seiner Jugend in Brooklyn. Und im Song "99 Problems" beispielsweise kritisiere er Polizisten, die Verkehrskontrollen anhand von Verdachtsprofilen nach ethnischen Merkmalen vornehmen: "Son, do you know why I'm stopping you for?" fragt der Polizist. Jay-Z antwortet: "Cause I'm young and I'm black and my hat's real low."
Der Leiter der soziologischen Fakultät der Georgetown-Universität, Timothy Wickham-Crowley, findet das Kursthema nach eigenen Angaben gut. Das Seminar versuche zu zeigen, wie Jay-Zs Musik in die US-Gesellschaft passe. Steve Stoute, ein Autor und Marketing-Manager, der mit Jay-Z geschäftlich zu tun hatte und im Seminar einen Vortrag hielt, sagt, der Kurs habe praktischen Wert für Studenten, die ein Interesse an Betriebswirtschaft haben.
Kritikerin vermisst Beschäftigung mit Jay-Zs Frauenbild
Andere sind anderer Ansicht. Kevin Powell, der zum Thema HipHop schreibt und in Brooklyn vergeblich für einen Sitz im Kongress kandidierte, sagt, jegliche Beschäftigung mit Jay-Z müsse dessen herabwürdigende Texte über Frauen und seinen krassen Materialismus thematisieren.
Kris Marsh, Soziologiedozentin an der Universität von Maryland, deren Spezialgebiet die schwarze Mittelklasse ist, übt ebenfalls Kritik. Zwar erkenne sie Jay-Zs kulturelle Bedeutung an, sie finde es aber nicht glücklich, einen ganzen Kurs allein ihm zu widmen und nur seine Texte zu nutzen, um das schwarze Amerika wiederzugeben. Manchmal nähmen sich HipHop-Künstler die künstlerische Freiheit, Fakten und Fiktion zu vermischen. Ein weißes Publikum ziehe daraus möglicherweise falsche Schlüsse.
In einem Kommentar in der Studentenzeitung "The Hoya" bezeichnet der Student Stephen Wu Dysons Meinung, dass Jay-Z mit Homer und Shakespeare verglichen werden könne, als Blödsinn. Es spreche Bände, dass Jay-Zs "Pseudomusik" analysiert werde, während sich kaum ernsthafte akademische Angebote zu Beethoven und Liszt fänden. "Wir sezieren die Lyrics von 'Big Pimpin', aber wir lesen (den britischen Dichter Edmund) Spenser und (den griechischen Dramatiker) Sophokles nicht genau", schreibt Wu.
Die BWL-Studentin Danielle Bailey, die das Seminar belegt hat, sagt, sie sei schon vorher ein Fan von Jay-Z gewesen, wisse jetzt aber seine wirtschaftlichen Fähigkeiten besser zu schätzen. "Der Sinn einer Hochschule ist, außerhalb von Kästchen zu denken. Ich habe selten Kurse, die es mir erlauben, Dinge von anderer Warte zu sehen", sagt Bailey. "Es geht nicht immer nur um Mozart und Homer."
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