Grüne und SPD einig bei Stuttgart 21: Die Volksabstimmung kommt
Damit ist der Weg für die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg frei: Beide Parteien wollen, dass die Bürger über den Tiefbahnhof entscheiden. Bis dahin gilt ein Bau- und Vergabestopp.
SUTTGART taz | Die künftige grün-rote Koalition in Baden-Württemberg hat am Mittwoch einen wichtigen Durchbruch erzielt: Nach drei Verhandlungsrunden konnten sie den Streit um den Umgang mit Stuttgart 21 beilegen. Im Oktober dieses Jahres soll es eine Volksabstimmung zu dem Bahnprojekt geben. „Die Bürgerinnen und Bürger sollen entscheiden“, sagte der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
Bei dieser Abstimmung wollen die Grünen auch das hohe Quorum akzeptieren. Dieses sieht vor, dass mindestens ein Drittel aller Wahlberechtigten gegen Stuttgart 21 stimmt, womit die Erfolgsaussichten der S21-Gegner minimal sind. Vor der Abstimmung aber wollen Grüne und SPD versuchen, ein Gesetz zur Absenkung des Quorums im Landtag durchzubringen. Dafür bräuchten sie eine Zweidrittel-Mehrheit.
Ein wichtiger Punkt für die Volksabstimmung ist aber, dass das Land nur über den Tiefbahnhof abstimmt, nicht über die mit ihm geplante Neubaustrecke nach Ulm. Die S21-Gegner hatten stets betont, dass die ICE-Trasse auch an einen sanierten Kopfbahnhof angeschlossen werden könnte. Die neue Landesergierung stehe zur Neubaustrecke, sagte SPD-Landeschef Nils Schmid.
Bis zur Volksabstimmung soll nach dem Willen der designierten Koalitionäre der Bau- und Vergabestopp verlängert werden. Diesen hatte die Deutsche Bahn bislang bis zur Wahl des Ministerpräsidenten am 12. Mai verhängt.
Außerdem folgt bis zur Volksabstimmung der Stresstest. Auf dessen Grundlage soll eine „aktualisierte Kostenrechnung von der Bahn eingeholt und von der Landesregierung geprüft werden“, sagte Kretschmann. Für den Stresstest will die Landesregierung eine größtmögliche Transparenz herstellen.
Weiterer wichtiger und bis dato umstrittener Punkt ist die Festlegung, dass sich das Land Baden-Württemberg nicht an Mehrkosten beteiligt, wenn die Gesamtkosten 4,5 Milliarden Euro übersteigen sollten. „Das war ganz entscheidend, diese Einigung mit den Sozialdemokraten zu erreichen“, so Kretschmann. Die 4,5 Milliarden waren von Seiten der Projektträger stets als Sollbruchstelle genannt.
Über Ostern verhandeln Grüne und Sozialdemokraten in der großen Verhandlungsgruppe weiter. Bis Dienstag wollen sie ihre Verhandlungen abschließen, um am Mittwoch der Öffentlichkeit den Koalitionsvertrag zu präsentieren.
Unterdessen haben Aktivisten der Parkschützer und von Robin Wood am frühen Mittwochmorgen mit einer Kletteraktion gegen Stuttgart 21 demonstriert. Am Neubau der Stadtbibliothek nahe des Hauptbahnhofs entrollten sie ein großes Banner mit der Aufschrift: „Augen auf, Herr Ramsauer: S21 ist eh schon tot!“ Mit dieser Aktion wollten sie den Bundesverkehrsminister von der CSU daran erinnern, dass Stuttgart 21 schon immer ein Immobilien-Projekt gewesen sei und kein verkehrspolitisch sinnvolles Bahnprojekt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt