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Medienfreiheit in RusslandDekodieren nicht mehr erwünscht

Russland stuft die deutschsprachige Medienplattform „dekoder“ als „unerwünschte Organisation“ ein. Die will weitermachen, aber es wird schwerer.

Der russische Präsident Putin im Kreml in Moskau Foto: Alexander Kazakov/Pool via reuters

Moskau taz | Sie hatten es erwartet, hatten Szenarien entwickelt, es immer wieder durchgesprochen, wenn es denn „so“ kommen könnte. Nun ist es „so“ gekommen: dekoder ist am vergangenen Freitag vom russischen Generalstaatsanwalt – wie bereits etliche deutsche Organisationen zuvor – zu einer „unerwünschten ausländischen Organisation“ erklärt worden.

Die deutsche Medien-Internetplattform, die Texte von russischen und belarussischen Jour­na­lis­t*in­nen ins Deutsche übersetzt, diese mit Beiträgen von russischen und auch europäischen Wis­sen­schaft­le­r*in­nen versieht und so für die Le­se­r*in­nen in Deutschland – vor allem für solche, die kein Russisch und Belarussisch können – die jeweiligen Länder entschlüsselt, dekodiert eben, gefährdet in den Augen des russischen Staates die politische Stabilität und Souveränität Russlands wie auch die öffentliche Ordnung, Gesundheit und die Moral der Russ*innen. So steht es im Gesetz, mit dem das Regime Putin seit 2015 gegen unliebsame Organisationen vorgeht.

Zunächst waren es zwölf ausländische Organisationen, vor allem aus den USA. Mittlerweile wird die Liste jede Woche länger. Mehr als 160 Namen stehen darauf, es sind US-amerikanische, britische, polnische, ukrainische, auch deutsche Organisationen wie die Heinrich-Böll-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS), das Zentrum Liberale Moderne (LibMod), das Lew Kopelew Forum.

Der Stempel des „Unerwünschten“ prangt zwar auf ausländischen Projekten, doch die Brandmarkung trifft vor allem russische Partnerorganisationen, sie trifft die russische Zivilgesellschaft als solches und kappt den Austausch zwischen den Ländern.

Die Vielfalt geht verloren

Wer als rus­si­sche*r Staats­bür­ge­r*in für eine als „unerwünscht“ geächtete Organisation arbeitet, macht sich strafbar. Ihr oder ihm drohen bis zu vier Jahre Haft. Da überlegt sich je­de*r mehrmals, ob er oder sie sich exponieren will und sei es nur mit einem Text über einen russischen Schriftsteller.

„Mein erster persönlicher Gedanke, nachdem die Nachricht in der Welt war: Schaden wir damit nun unserem privaten Umfeld in Russland?“, sagt Julian Hans, Redakteur bei dekoder. Für die Arbeit an sich werde sich wenig ändern, zumal viele Jour­na­lis­t*in­nen und Wissenschaftler*innen, mit denen dekoder zusammenarbeitet, mittlerweile selbst als „ausländische Agenten“ oder ebenfalls als „unerwünschte Organisation“ gelten und nicht mehr in Russland arbeiten.

Und doch gehe etwas verloren: die Vielfalt. dekoder verschickte sofort einen Brief an die Mit­ar­bei­ter*innen, Spen­der*innen, Un­ter­stüt­zer*in­nen. „Die Sicherheit eines jeden hat für uns Priorität. Wir werden nun auf einige Texte verzichten müssen, das ist natürlich schade, aber gefährden wollen wir niemanden“, sagt Hans.

Manche Wis­sen­schaft­le­r*in­nen haben dekoder bereits gebeten, ihre veröffentlichten Texte von der Seite zu nehmen oder diese zu anonymisieren. Oft sind es keine politischen Texte, das Instrument der Angst greift dennoch. Niemand weiß, wie das Gesetz ausgelegt wird.

„Mit der Einstufung als ‚unerwünschte ausländische Organisation‘ haben die russischen Behörden ein weiteres Mal gezeigt, dass sie keine Informationen dulden, die von der staatlich vorgegebenen Linie abweichen“, heißt es in einer Mitteilung von dekoder.

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