Parlamentswahl in Spanien: Kein echter Sieger
Die Sozialisten von Ministerpräsident Sánchez holen zwar die meisten Stimmen, aber keine absolute Mehrheit. Die Rechtspopulisten ziehen ins Parlament ein.
Sánchez stehen nun äußerst schwierige und vermutlich langwierige Koalitionsgespräche mit linken und regionalen Parteien bevor. Es droht eine komplizierte politische Patt-Situation wie bereits 2016, als die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone nach zwei Wahlgängen binnen sechs Monaten ein Jahr lang ohne reguläre Regierung blieb.
Sánchez feierte den Sieg seiner Partei unter dem tosenden Beifall Hunderter Anhänger vor der Parteizentrale in Madrid. „Die Zukunft hat gewonnen, die Vergangenheit hat verloren“, rief der 47-Jährige ihnen von der Bühne zu. Die Spanier hätten Europa und der Welt die „klare Botschaft gegeben, dass man die Reaktionären, den Autoritarismus und den Rückschritt bezwingen kann“, sagte er mit Blick auf die Parteien des rechten Spektrums, auf die letztlich weniger Stimmen entfielen als erwartet.
Der Ministerpräsident ist seit Juni 2018 im Amt. Damals stürzte er seinen konservativen Vorgänger Mariano Rajoy per Misstrauensvotum. Die Neuwahl rief er im Februar aus, da die katalanischen Separatisten seiner Minderheitsregierung bei der Abstimmung über den Etatentwurf die Unterstützung entzogen hatten. Bei der vorigen Wahl hatte die PSOE unter Sánchez 22,6 Prozent der Stimmen geholt.
Rechtspopulisten erzielen 10,3 Prozent
Die konservative Volkspartei PP landete bei der Neuwahl hinter den Sozialisten auf Platz zwei mit 16,7 Prozent – allerdings halbiert sie damit ihr Ergebnis von 2016 und muss überraschend das schlechteste Resultat ihrer Geschichte einstecken. Inwieweit sich das direkt auf den Triumph der Rechtspopulisten zurückführen lässt, war zunächst unklar. Die Zukunft des jungen Parteichefs Pablo Casado (38) ist ungewiss.
Die liberale Partei Ciudadanos erzielte 15,8 Prozent, das Linksbündnis Unidas Podemos 14,3 Prozent und die Partei Vox 10,3 Prozent. Damit zieht die Bewegung, die von spanischen Medien teilweise als rechtsextrem eingestuft wird, mit einer starken Fraktion ins Nationalparlament in Madrid ein. Noch 2016 hatte Vox lediglich 0,2 Prozent der Stimmen bekommen.
„Wir sind hier, um zu bleiben. Das ist erst der Anfang!“, rief Vox-Chef Santigo Abascal am späten Abend einer jubelnden Menschenmenge in der Hauptstadt zu. Die mit Parolen wie „Spanien den Spaniern!“ angetretene Partei steht für politischen Autoritarismus, hat viele Anhänger des früheren Diktators Franco in ihren Reihen und nimmt sich die Regierungen in Ungarn und Italien zum Vorbild.
Vox-Politiker kündigten im Wahlkampf an, man wolle kritische TV-Sender schließen und Regeln zum Frauen- und Umweltschutz lockern. Das meiste Kapital schlug die Partei aber aus dem aufkeimenden Nationalismus infolge des Katalonien-Konflikts und aus der Zunahme illegaler Einwanderung, der sie einen Riegel vorschieben will.
Linkem Lager fehlt absolute Mehrheit
Für die Regierungsbildung sind nun mehrere Szenarien denkbar. Die möglichen Koalitionspartner PSOE und Podemos kommen zusammen auf 165 Abgeordnete. Damit fehlen dem linken Lager zur absoluten Mehrheit elf Sitze. Um Ministerpräsident zu bleiben, müsste sich Sánchez folglich wohl nicht nur mit Unidas Podemos einig werden, sondern auch mit kleineren Regionalparteien in schwierige Gespräche treten.
„Wir werden daran arbeiten, die Bildung einer linken Regierungskoalition zu erreichen, aber davor müssen wir über vieles reden, über sehr vieles“, sagte Unidas-Podemos-Chef Pablo Iglesias. Den Parteien des rechten Spektrums (PP, Ciudadanos und Vox) fehlen zusammen sogar 29 Sitze zur Regierungsmehrheit.
Die Wahlbeteiligung am Sonntag erreichte mit rund 75 Prozent einen der höchsten Werte in der Geschichte der spanischen Demokratie. Bei der Abstimmung im Juni 2016 waren es neun Prozentpunkte weniger gewesen.
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