Entwicklung deutscher Rüstungsexporte: Waffen für Krisengebiete
Der Anteil deutscher Lieferungen an Staaten, die aktuell Krieg führen oder schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, ist weiterhin hoch.
Auch 2018 gehörte Deutschland im zehnten Jahr in Folge zu den vier größten Rüstungsexporteuren der Welt – nach den USA, Russland sowie China, das die Bundesrepublik 2016 von Platz drei ablöste. Bis Mitte Dezember genehmigte die Bundesregierung zwar weniger neue Exporte als 2017. Doch der Anteil der Ausfuhren an Staaten, die – wie etwa Saudi-Arabien – mit den deutschen Waffen aktuell Krieg führen oder schwere Menschenrechtsverstöße begehen, ist unverändert hoch.
Bis zum 13. Dezember wurden laut einer am Freitag veröffentlichten Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI) auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour Ausfuhren von Waffen und Rüstungsgütern im Wert von 4,62 Milliarden Euro genehmigt. Im gesamten Vorjahr waren es noch 6,24 Milliarden. Bester Kunde war 2018 wie im Vorjahr Algerien mit Geschäften im Umfang von 802 Millionen Euro. Dahinter liegen die USA (506 Millionen), Australien (432 Millionen) und auf Platz vier Saudi-Arabien, für das trotz Beteiligung am Jemen-Krieg Exportgenehmigungen für 416 Millionen erteilt wurden.
Dabei hatte die Bundesregierung schon im März im Koalitionsvertrag beschlossen, keine Rüstungsgüter mehr an Länder zu liefern, die „unmittelbar“ am Jemen-Krieg beteiligt sind. Für schon erteilte Vorgenehmigungen setzte die SPD damals aber eine Ausnahme durch. Dies geschah auf Wunsch der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. Sie wollte für die Lürssen-Werft in Wolgast Bau und Lieferung von 20 für Saudi-Arabien bestimmten Patrouillenbooten sichern. Erst nach der Ermordung des saudischen Regimekritikers Jamal Kashoggi verhängte die Bundesregierung im November einen definitiven Exportstopp.
Die Grünen kritisieren, dass die Regierung 2018 weiter in großem Umfang Rüstungsexporte nicht nur an das kriegsführende Saudi-Arabien genehmigt hat, sondern auch an autoritäre Staaten und in Spannungsgebiete. „Trotz der Ankündigungen im Koalitionsvertrag ist die Bilanz der Exportgenehmigungen für dieses Jahr verheerend“, erklärte der Abgeordnete Nouripour. Neben Algerien und Saudi-Arabien sind unter den 20 wichtigsten Empfängerländern deutscher Rüstungslieferungen 9, die nicht zur EU oder Nato gehören, darunter Pakistan (152 Millionen Euro), Israel (101 Millionen) und Katar (96 Millionen).
Kritik von Kirche und Industrie
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm kritisierte in seiner am Freitag verbreiteten Botschaft zum Jahreswechsel die Rüstungsexporte der Bundesregierung. „Am Reden vom Frieden fehlt es nicht. Am Handeln manchmal schon“, erklärte er. Wo „Waffen nicht national oder international zur polizeilichen Sicherung des Rechts verwendet werden“, würden sie „vor allem Schrecken verbreiten“.
Die Rüstungsindustrie hingegen beklagt den relativen Rückgang der Neugenehmigungen für Exporte 2018. Die deutsche Exportpolitik sei „unvorhersehbar“ und für Kunden und Partnerländer „durch überraschende Wendungen oft nicht nachvollziehbar“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), Hans Christoph Atzpodien. Es seien „in diesem Zusammenhang auch Schadenersatzforderungen denkbar“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören