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„Cop Map“ von „Peng!“ und „Polizeiklasse“Polizeigewalt wird sichtbar gemacht

Mit der „Cop Map“ lassen sich verschiedenste Aktivitäten der Polizei melden. Die Aktion soll auf die Ausweitung polizeilicher Befugnisse hinweisen.

Mit dem Smartphone kann man mit der „Cop-Map“ bequem Ort und Art polizeilicher Aktivität melden Foto: Lars Bönsch

Es ist eine sonnige Parkszene: Menschen sitzen auf Bänken, spielen auf einer Wiese Ball, schlendern über die Wege. Aber die paradiesische Idylle trügt, warnt eine Stimme aus dem Off: Überall drohe Gefahr, nirgendwo sei man sicher, selbst in den eigenen vier Wänden nicht. Von wem diese Gefahr ausgehe, erzählen eine Handvoll Menschen, die sie am eigenen Leib erfahren haben, in dem Video auf www.drohende-gefahr.de.

Ständig werde sie von „ihnen“ grundlos bedrängt, sagt eine Münchner Studentin of Color. Sobald „die“ dabei seien, werde er vorsichtig, sagt ein Fotojournalist. Ein in Berlin lebender südafrikanischer Filmemacher – auch er hat eine dunkle Hautfarbe – sagt, dass er sich unsicher fühle, wenn er „ihnen“ begegne, seit er grundlos von ihnen verprügelt worden sei.

Und ein Netzaktivist erzählt, wie „sie“ morgens um sechs Uhr in seine Wohnung stürmten, alles auf den Kopf stellten, Computerhardware und Elektronik mitnahmen. Schließlich wird die „drohende Gefahr“ benannt: Sie gehe von der Polizei aus.

Die Internetseite, die seit Sonntag online ist, ist die neue gemeinsame Aktion des Berliner Künstler- und Aktivistenkollektivs „Peng!“ und des Münchner Künstlerkollektivs „Polizeiklasse“. Sie haben eine „Cop-Map“ programmiert: Mit ein paar Klicks kann man vom Smartphone aus die Anwesenheit von Polizist*innen melden und dokumentieren – weltweit und anonym.

Berittene Polizei und Videokameras

Über ein Formular werden Ort und Art polizeilicher Aktivität abgefragt: Ob Personenkontrollen, Zivilpolizist*innen, berittene Polizei oder andere Streifen. Polizeidienststellen und Videokameras sind bereits dort eingetragen, wo sie sich auch wirklich befinden, übernommen wurden die Daten vom Projekt „Surveillance under Surveillance“.

Was gemeldet wird, erscheint als Symbol umgehend auf der Karte. Je nach Aktivität verschwindet es nach einer bestimmten Zeit wieder. Personenbezogene Daten wie die IP-Adresse, das versichern die Aktivist*innen, werden nicht gespeichert. Strafbar mache man sich nicht, weil man nur Informationen mitteile, die ohnehin öffentlich zugänglich seien.

Lokalrunde

Ein Interview mit zwei Peng-AktivistInnen und MacherInnen von "Cop-map - drohende Gefahr" gibt es in der aktuellen Folge des taz-Podcasts "Lokalrunde - das Stadtgespräch aus Hamburg und Berlin" zu hören. Dazu: Das Müllgate: Wie ein polizeikritischer Demo-Anmelder zahlen soll.

Mit der Aktion wollen die Aktivist*innen die aktuelle Ausweitung polizeilicher Befugnisse kritisieren, eine breite Diskussion darüber anregen – und den Spieß umdrehen. Ziel sei eine „diskursive Umkehrung“ des Begriffs der „drohenden Gefahr“.

Der Kern der Kritik: Das im neuen bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) eingeführte und auch in den Polizeigesetznovellen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen auftauchende Konzept der „drohenden Gefahr“ schaffe eine gefährlich schwammige Eingriffsschwelle für präventive polizeiliche Maßnahmen, die das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten weiter unterlaufe und Grundrechte massiv einschränke.

Potenzielle Gefahr genügt

Wo bislang eine Gefahr konkret gegeben sein musste, genügt nun eine potenzielle Gefahr, damit die Polizei einschreiten darf. Wann die gegeben ist, liegt allein im subjektiven Ermessen der Polizist*innen. Für die Abwehr zukünftiger Gefahr steht die gesamte Bandbreite an Überwachungsmaßnahmen bereit. Willkür werde so weiter Tür und Tor geöffnet, sagt Nina Los von „Peng!“. Polizeigewalt ließe sich mit Verweis auf die „drohende Gefahr“ noch leichter rechtfertigen.

Neu ist das Problem zwar keineswegs, stellen die Aktivist*innen klar: Für bestimmte soziale Gruppen habe sich die Polizei immer schon als willkürliche und gewalttätige Organisation dargestellt. People of Color, Obdachlose, Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus, Sexarbeiter*innen und andere „übliche Verdächtige“ würden regelmäßig aufgehalten, kontrolliert, schikaniert und seien auch physischer Gewalt durch Polizist*innen ausgesetzt.

Die Ausweitung der Befugnisse betreffe aber auch Menschen, die bislang von Polizeiübergriffen verschont geblieben sind, betont Nina Los: „Jetzt ist der Moment, wo man über eine Kritik am bayerischen Polizeiaufgabengesetz hinaus eine breitere Kritik an der Institution Polizei üben muss“, sagt sie.

Counter-Mapping

Das Tool solle die Problematik in zwei Richtungen sichtbar machen. Zum einen ermögliche die „Cop-Map“ jenen Gruppen, die immer schon von der Polizei im Alltag traktiert worden sind, ganz praktisch unangenehme Begegnungen mit Polizist*innen zu vermeiden – und allen anderen, ganz praktisch einzugreifen.

Andererseits gehe es darum, dem polizeilichen „Crime Mapping“ ein „Counter Mapping“ entgegenzusetzen, sagt Los. Mit den erhobenen Daten könne das enorme Ausmaß von Polizeipräsenz sichtbar gemacht und polizeilichen Taktiken im öffentlichen Raum aufgezeigt werden. So werde sie auch für jene anschaulich, für die die Bedrohung durch willkürliche Polizeigewalt bislang nur abstrakt ist.

„Letztlich“, sagt Los, „geht es um die Frage: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Wollen wir uns eine solche Institution wirklich leisten?“

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14 Kommentare

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  • Wenn ich also gewisse Personengruppen nicht in meiner Nähe haben will, muss ich also alle paar Minuten einen Streifenwagen an meinem Standort melden, ob er da ist oder nicht.



    Praktisch!

  • Ich verstehe nicht, wie Menschen, die viel Energie in die Bekämpfung von Racial Profiling investieren und einen Generalverdacht gegen Personen mit bestimmten Merkmalen völlig zu recht kritisieren anhand einer Uniform festmachen, ob der Mensch darin gut oder schlecht ist... das ist Social Profiling und meiner bescheidenen Meinung nach nicht besser als jeder Rassissmus.

    • @Max!xaM:

      Na weil das racial profiling ja auch erhöhte Präsenz bedeutet an bestimmten Orten.

      Es geht um Menschen die bereits unangenehme oder gar bedrohlich Begegnungen mit Polizeibeamten gemacht haben. Und nun eben mehr als nur ein mulmiges Gefühl bei deren Anblick.

      Leider weiß man als Betroffener dann auch nicht ob das ein guter Mensch ist in der Uniform wenn er wieder einen trifft.

      In der Aktion ging es doch auch darum diesen Menschen zu ermöglichen der Polizei aus dem Weg zu gehen.

  • Es kommt immer darauf an, ob man sich selbst für den Guten hält und das tun leider alle.

  • Soweit ich verstanden habe, macht die App keine Gewalt sichtbar, sondern meldet nur schnöde Sichtungen von Polizisten in jeglichem Aggregatzustand.

    Für die Politik hat das Melden natürlich einen Mehrwert. Je fleißiger und engmaschigeer gemeldet wrd, umso besser kann gezeigt werden, wie gut es doch um die Innere Sicherheit steht und das das rechtspopulistische Gedöns welches mit Unsicherheit arbeit, nur Schall und rauch ist, der sich in keiner Statistik niederschlägt.

    Also? Melden! Melden! Melden! :-)

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    So ganz habe ich das noch nicht verstanden. Wenn ich jetzt mehrere Streifenwagen meinetwegen in Richtung Görlitzer Park unterwegs sind, dann gebe ich das da ein.

    Ohne zu wissen, ob die auf Dealerhatz sind oder einen Vergewaltiger suchen?

  • Dann aber bitte inkl. "Rate-my-Cop"-Funktion, Upload von Fotos, Videos und Audios etc..

    Auch provokant wäre eine Software mit der man Linux-PC, Windows-PC, Raspberry etc. ausstatten kann, und die über Webcam und eine Objekterkennung Polizisten, Polizeiautos etc. erkennt, und automatisch in der Karte einträgt. Live.



    Das sollte heute eigentlich auf normalen Rechnern laufen, und für Programmierkundige auch etwas programmierbar sein.



    Polizeiautos, Uniformen etc. haben festes Design und Symbole.



    Und mehr als die Anwesenheit von Polizei wird nicht geloggt.



    Video wird nicht gespeichert.

    Was aber rechtlich zulässig ist, ist das filmen inkl. Audio und fotografieren von Polizisten im Dienst.



    Es ist auch zulässig es ohne deren Zustimmung unverfremdet zu veröffentlichen.

    "CopWatching" auch in Deutschland!

    Und was das Video angeht, es wäre gut eine Hochkontrast-Version mit Text statt Ton zu haben.



    Ich würde so etwas gerne auf Gebäude, z.B. den Kölner Dom projizieren.



    Das Zitat von Dr. Brosa ist zwar sicher dabei, aber etwas mehr Material wäre gut.

    Was auch "versumpft" ist, diese App "Sukey" oder so ähnlich.



    Wo ist die geblieben?



    Eine App in der Live angezeigt wird wo auf einer Demo sich Polizei befindet, oder diese gerade versucht einzukesseln. Daher auch der Name "Sukey", denn in dem englischen Kinderlied geht es um einen Kessel der auf den Herd gesetzt und wieder runter genommen wird.



    Es gab wohl eine Art "Zentrale" aus der die Daten in die App gesetzt wurden.



    Das Hotelzimmer wurde noch wärend der Demo gestürmt.



    Ohne rechtliche Basis, es war nicht illegal, keine Verurteilung.



    Scheinbar hatte die App wirklich Einfluss auf die Einkesselversuche, und sie verhindert.



    Klar dass da kriminellen Polizeiführern der Hass hochkam.



    die App konnte wohl inkl. Kompassnutzung genau anzeigen wo man noch raus kam.

  • Meldeportale sind gerade in Mode

    • @Struppi:

      Hallöchen. Das kann man wohl nicht vergleichen.



      Es kommt immer drauf an.

  • Top Aktion. So entfaltet Polizeipräsenz eine noch größere Wirkung, denn so bleiben «People of Color, Obdachlose, Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus, Sexarbeiter*innen und andere „übliche Verdächtige“» einem kontrolliertem Gebiet noch nachhaltiger fern.

    Da ich in der Nähe eiens Polizeipräsidiums wohne, erwarte ich, dass oben genannte Personen der Polizeipräsenz noch mehr Beachtung schenken und andere Stadtteile mit ihrer Präsenz bereichern.

  • Bleibt zu hoffen, dass zu wenig Leute mitmachen, um diese Plattform wirklich "nützlich" zu machen.

    Immer wieder erstaunlich, dass solche Kollektive überhaupt kein Problem damit haben, Kriminellen und Straftätern zu helfen, die am ehesten von solchen Aktionen profitieren.

    • @modulaire:

      Nein, genau darum geht es hier nämlich nicht!



      Es geht hier nämlich nicht um "Kriminelle" und "Straftäter", sondern um Menschen, die ohne hinreichenden Verdacht kriminalisiert werden, weil sie eine andere Hautfarbe haben, z.B.



      Es ist genau diese Denke, dass "schon etwas dran sein wird", wenn die Polizei tätig wird, die es ermöglicht solche Gesetze zu machen.



      Versuchen Sie sich einfach mal vorzustellen, es änderten sich die "Kriterien" für den Verdacht. Dann könnten Sie und ich ganz schnell auch mal dieser Willkür ausgesetzt werden.

      Soziale Kontrolle ist hier dringend notwendig, damit dieses schlechte Schauspiel entlarvt werden kann!

    • 9G
      91503 (Profil gelöscht)
      @modulaire:

      „Immer wieder erstaunlich, dass solche Kollektive überhaupt kein Problem damit haben, Kriminellen und Straftätern zu helfen, die am ehesten von solchen Aktionen profitieren.“

      Wieso am ehesten?

      Eher als all diejenigen, die unbegründeter Polizeiwillkür ausgesetzt sind?

      Bei allem Respekt, das ist Quatsch.



      Die Tendenz der Ordnungshüterei geht m.E. in die Richtung Schikaniererei der Wehrlosen.

  • Sehr ich ähnlich wie das Melden von Blitzern sehr kritisch. Allerdings ist es natürlich als jemand, der nicht direkt ins Raster der Polizei fällt, wesentlich einfacher für diese Partei zu ergreifen, als wenn man tatsächlich schon deren Willkür ausgesetzt war.

    Mein Hauptproblem an der Sache ist, dass man die eigentliche Arbeit der Polizei damit natürlich massiv erschwert und behindert und eben nicht nur diejenigen schützt, die zu Unrecht kontrolliert oder bedrängt werden, sondern natürlich auch allen Straftätern das Leben erleichtert.

    Andererseits ist mir natürlich klar, dass man im Bezug auf die Ausweitung der Befugnisse und vielleicht auch wachsende Willkür seitens der Polizei etwas unternehmen muss.



    Ob das jetzt das richtige Signal setzt bzw. überhaupt einen überwiegend positiven Einfluss hat, ist wohl abzuwarten.