Proteste vor Finanz-Treffen in Argentinien: IWF wird zum Reizwort

IWF-Chefin Christine Lagarde erwarten am Wochenende beim G20-Gipfel heftige Proteste. Das Land ist tief in einer wirtschaftlichen Krise.

Ein Demonstrant mit einer Maske von Christine Lagarde

Schon bei Protesten Anfang Juli in Argentinien gab es Proteste gegen Christine Lagarde Foto: reuters

BUENOS AIRES taz | Für die IWF-Chefin Christine Lagarde wird es ein großer Auftritt. Wenn sich am Wochenende die Finanzminister und Notenbankchefs der Mitgliedstaaten der G20 in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires treffen, wird die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet sein. „Die Spannungen in der Handels­politik haben bereits ihre Spuren hinterlassen, das Ausmaß der Schäden aber hängt davon ab, was die Politik als Nächstes tut“, schrieb die Direktorin des Internationalen Währungsfonds am Mittwoch im IWF-Blog.

Sollten die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Sonderzölle tatsächlich in Kraft treten und die chinesische Führung mit Gegenmaßnahmen reagieren, werde die Weltwirtschaft in zwei Jahren rund 430 Milliarden Dollar weniger erwirtschaften, so Lagarde. Dabei wäre die US-Wirtschaft besonders verwundbar. „Und die Verluste beim US-Bruttosozial­produkt sind nicht die einzigen Kosten“, warnte sie.

Ob es der IWF-Chefin mit ihren Äußerungen gelungen ist, die US-Delegation zu beeindrucken, ist jedoch mehr als fraglich. Schon beim vorangegangenen Treffen im März wurde vor dem drohenden Handelskrieg gewarnt. Trump hatte gerade Importzölle auf Stahl und Aluminium verhängt und die Europäische Union drohte mit Gegenmaßnahmen. Doch statt einzulenken, hatten die USA die Lage noch weiter verschärft.

Dazu gehörten für den IWF auch die steigenden US-Zinsen, die besonders den Schwellenländern zu schaffen machen. „Insgesamt haben Investoren in den Monaten Mai und Juni über 14 Milliarden Dollar aus den Schwellenländern angezogen“, so Lagarde. Davon kann Argentiniens Präsident und Gastgeber Mauricio Macri ein Lied singen. Seit die US-Notenbank Fed den Leitzins erhöht hat und die Spekulanten ihre in Argentinien geparkten Dollars abziehen, verliert der Peso gegenüber dem Dollar dramatisch an Wert.

Am Samstag werden Zehntausende protestierend zum Tagungsort der G20-Finanzminister und Notenbankchefs ziehen. Das Motto: „Nie wieder IWF – Nein zum G20“

Extrem negatives Image

Kostete ein Dollar im April noch gut 20 Peso, so müssen jetzt über 28 Peso dafür gezahlt werden. Die Lage drohte derart zu eskalieren, dass Macri den IWF um Hilfe bat. Im Juni wurde ein Stand-by-Kredit über 50 Milliarden Dollar mit dem Fonds vereinbart. Im Gegenzug versprach der Präsident eine Senkung des Haushaltsdefizits und der Inflationsrate.

Doch Lagarde wird bei ihrem Besuch in Buenos Aires erfahren, dass die Zusagen auf der Kippe stehen. Ausgerechnet im Juni stieg die Inflationsrate im Jahresvergleich um 3,7 Prozent, so hoch wie in den letzten 25 Monaten nicht. Für 2018 wird eine Inflationsrate von über 30 Prozent prognostiziert; sie läge damit deutlich über der vom IWF zugesicherten Rate. Und dies wiederum verpflichtet den IWF dazu, Macris Wirtschafts- und Finanzpolitik neu zu beurteilen.

Hätte der Besuch der IWF-Chefin nicht diese Dimension, das Treffen am Wochenende hätte in Argentinien nur wenig Aufmerksamkeit erregt. Für viele ArgentinierInnen sind die G20 noch immer eine unbekannte Größe. Dagegen ist der IWF bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund – mit einem extrem negativen Image. Dass der Fonds über Jahrzehnte die Wirtschaft- und Finanzpolitik des Landes bestimmte und seine Rezepte wesentlich zur Krise um die Jahrtausendwende beitrugen, ist nach dem jüngsten Stand-by-Kredit präsenter denn je.

Das Reizwort IWF hat der sich formierenden Protestbewegung gegen das G20-Treffen im November in Buenos Aires einen enormen Mobilisierungsschub verliehen. Am Samstag werden Zehntausende protestierend zum Tagungsort der G20-Finanzminister und Notenbankchefs ziehen. Das Motto: „Nie wieder IWF – Nein zum G20“.

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