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WM-Aus für RusslandDer beste aller Verlierer

Russland ist bei der WM ausgeschieden. Doch die gute Stimmung bleibt. „Wir haben das Land auf den Kopf gestellt“, sagt Trainer Tschertschessow.

„Wir fühlen uns ein bisschen wie Wehrpflichtige, die früh abgezogen wurden“, sagt der russische Trainer Stanislaw Tschertschessow Foto: dpa

Sotschi taz | Er war noch nicht ganz wach geworden. Den Traum vom Halbfinale schien Stanislaw Tschertschessow noch nicht ganz zu Ende geträumt zu haben. Die erste Frage auf der Pressekonferenz erreichte ihn einfach nicht. Mit Applaus hatten ihn die einheimischen Reporter empfangen, ehe er auf dem Podium Platz nahm. War das wirklich nur der Abschiedsapplaus gewesen? War jetzt wirklich alles zu Ende? Der russische Trainer entschuldigte sich: „Ich bin etwas gedankenverloren. Können Sie bitte die Frage noch einmal wiederholen?“

Natürlich tat man ihm den Gefallen. Und jede weitere Frage nach diesem tragisch knappen Ausscheiden gegen Kroatien im Elfmeterschießen, nach der Rolle Russlands in diesem Turnier und im Weltfußball überhaupt verhalf ihm wieder Stück für Stück, in der Realität anzukommen. Eine, die nicht so rosig aussah wie der Traum vom Halbfinale, aber immer noch rosiger, als man sich das vor ein paar Wochen nicht hätte erträumen können.

Schon die Zuschauer im Olympiastadion von Sotschi hatten trotz aller Enttäuschung ihr Team mit großem Beifall und Sprechchören verabschiedet. Wieder einmal hatte dieses Team, dem keiner etwas zutrauen wollte, das Märchen vom Hasen und dem Igel nachgespielt. Wo immer die Kroaten auch hinrannten, die Russen waren schon da. Ob da jetzt List oder gar Tücke im Spiel war, das war den entrückten Fans dieser Mannschaft reichlich egal.

Zu schön war dieses Märchen in den letzten Wochen anzuschauen. „Wir haben das Land auf den Kopf gestellt, das freut uns natürlich wahnsinnig“, so zog Tschertschessow seine erste Turnierbilanz. Aber Vergleiche aus der Tier- und Märchenwelt sind seine Sache nicht. Lieber erklärt der erste Mann des russischen Fußball die Sachlage in der Sprache der Militärs: „Wir fühlen uns ein bisschen wie Wehrpflichtige, die früh abgezogen wurden.“

Geführt und ausgekontert

Acht Kilometer war seine Truppe im Teamvergleich wieder einmal mehr gerannt, dieses Mal aber mit einer teilweise veränderten Richtungsvorgabe. Es ging vor allem in der ersten Hälfte auch nach vorne. Erstmals hatten die Russen bei dieser WM ein wenig Mut gezeigt. Und die mit dem Führungstreffer von Denis Scheryschew dann aufkommende Euphorie mussten sie gleich bitter bezahlen. Denn erstmals in diesem Turnier wurden sie beim Ausgleichstreffer von Andrej Kramaric ausgekontert. Das hätte mittlerweile auch kaum noch jemand für möglich gehalten.

Selbst als dann diese fantastische Geschichte mit dem kroatischen Treffer in der Verlängerung ein vorzeitiges böses Ende zu nehmen schien und Tschertschessow bereits resignierend die zuvor so erregten Arme fallen ließ, kam seine Elf noch einmal zurück.

Russland ist der beste Verlierer unter den letzten acht Fußballteams dieser Welt gewesen. So knapp ist kein Team im Viertelfinale gescheitert. Darüber wird man in Russland noch in vielen Jahren sprechen.

Feiern bis in die tiefe Nacht

Schön haben sie wahrlich nicht gespielt. Das Spiel der Russen war bei dieser WM darauf angelegt, mit ihrer Allgegenwärtigkeit auf dem Feld Schönheit zu unterbinden. Wille und Kraft waren mehr gefragt als Talent. Symbolisch dafür war die Abschlussszene von Sotschi. Als alle den Rasen verlassen hatten, saß nur noch Fedor Smolow, einer der Begabtesten im russischen Team, enttäuscht im Mittelfeldkreis am Boden. Zur Überraschung aller musste der Stürmer sich im Turnier mit der Rolle des Einwechselspielers begnügen. Und dann hatte er auch noch beim Elfmeterschießen mit dem ersten Fehlschuss das WM-Aus eingeleitet.

Irgendwann spät wurde er noch von einem Betreuer abgeholt und in die Katakomben begleitet. Und vielleicht hat er Smolow noch davon überzeugen können, dass selbst er zu den Gewinnern zählt. Sein Name wird mit der Mannschaft in Verbindung bleiben, die in Russland für so viele Freunde gesorgt hat.

In diesem Land wird keiner auf die Idee kommen, aus Enttäuschung über das verpasste Halbfinale von einem Hochhaus zu springen wie das bis in der jüngsten Vergangenheit in Südamerika der Fall war. An der Strandpromenade von Sotschi, direkt neben dem Olympiastadion, drehten die Bars weit nach Mitternacht die Musik voll auf. Und viele russischen Fans tanzten wieder völlig entrückt mit der Nationalfahne um die Schultern dazu. Andere indes kauften sich noch einen WM-Pokal, der von den Händlern nun vermutlich etwas günstiger angeboten wurde, und gingen damit letztlich doch glücklich nach Hause.

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1 Kommentar

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  • 8 km mehr gerannt als die Kroaten, keine Wadenkrämpfe etc bei den Russen, das nennt man wohl gut vorbereitet. Und während die Russen dafür Bejubelt werden, wirft Putin pausenlos Bomben auf Syrer.