Antrag an die Justizministerkonferenz: Polizei, dein Freund und Einbrecher
Bayern und Rheinland-Pfalz wollen der Polizei das heimliche Betreten von Wohnungen genehmigen, um PCs mit Spähsoftware zu manipulieren.
Erst seit letztem Sommer darf die Polizei zur Strafverfolgung Trojaner nutzen. Mit der Spähsoftware soll der Inhalt ganzer Computerfestplatten an die Polizei überspielt werden („Onlinedurchsuchung“).
Außerdem sollen das Abhören und Mitlesen verschlüsselter Kommunikation ermöglicht werden („Quellen-TKÜ“). Die Befugnisse gelten auch für Smartphones. Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren überraschend eine entsprechende Formulierungshilfe eingebracht. Nach kurzer Diskussion stimmte die Große Koalition im Bundestag zu.
Doch schon ein Jahr später soll die Strafprozessordnung nachgebessert werden. „Um die neuen Ermittlungsmaßnahmen effektiv und praxistauglich einsetzen zu können“, fordern Bayern und Rheinland-Pfalz „die Schaffung eines gesetzlichen Betretungsrechts zum Zwecke der Aufbringung der Software“. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) soll einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, so der Antrag.
Mit „Betretungsrecht“ ist der heimliche Einbruch in die Wohnung gemeint. Dabei sollen wohl Nachschlüssel und ähnliche spurenlose Methoden benutzt werden, denn der Wohnungseigentümer soll ja nicht merken, dass die Polizei seine Geräte manipuliert hat. Dass Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) einen derartigen Vorschlag macht, ist nicht überraschend. Erstaunlich ist dagegen sein Partner, der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin, ein FDP-Mann. Der Vorstoß ist zumindest im Kreis der Länder aussichtsreich. Bei einer Abstimmung im vorbereitenden Jumiko-Strafrechtsausschuss waren sieben Länder dafür, sechs dagegen und drei enthielten sich.
Vereinbarung mit dem Grundgesetz umstritten
Die Nutzung von Trojanern zur Strafverfolgung ist hoch umstritten. Datenschützer kritisieren, dass der Staat zur Installation der Spähsoftware gezielt Sicherheitslücken der Computer und Smartphones nutzen will. Statt die Hersteller über die Sicherheitslücken zu informieren, wollten die Behörden die Lücken selbst nutzen und nähmen so in Kauf, dass auch Kriminelle die fortbestehenden Schwachstellen nutzen können.
Wollen Bayern und Rheinland-Pfalz also künftig nicht mehr digitale Sicherheitslücken nutzen, sondern lieber physisch in die Wohnungen der Zielpersonen eindringen? Nein, sagt das bayerische Justizministerium auf Nachfrage. Andere Möglichkeiten würden durch das Betretungsrecht „selbstverständlich nicht tangiert“. Man will also sowohl Sicherheitslücken nutzen als auch einbrechen.
Im Grundgesetz heißt es: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ In Bayern hält man aber eine Grundgesetzänderung für unnötig. „Durchsuchungen“ auf gesetzlicher Grundlage seien schließlich erlaubt. Wenn in der fremden Wohnung nach einem Computer gesucht wird, stelle dies „in rechtlicher Hinsicht eine Durchsuchung dar“. Obwohl Wohnungsdurchsuchungen bisher stets offen (also in Gegenwart des Betroffenen oder von Zeugen) stattfinden, verbiete das Grundgesetz heimliche Durchsuchungen nicht, heißt es aus Bayern.
Bundesjustizministerin Barley hält wenig von der Initiative. Aus ihrer Sicht besteht derzeit „kein Änderungsbedarf im Hinblick auf die erst in der letzten Legislaturperiode neu geschaffenen Ermittlungsmaßnahmen der Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung“, hieß es auf Anfrage der taz. Auch im Koalitionsvertrag ist ein „Betretungsrecht“ nicht vorgesehen. In der Praxis spielen Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung noch keine Rolle, weil die Polizei kaum einsatzfähige Trojaner zur Verfügung hat.
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