piwik no script img

„Neuer Antisemitismus“ in Frankreich300 unterzeichnen Manifest

Vertreter der französischen Gesellschaft prangern einen „neuen Antisemitismus“ an. In einem Manifest kritisieren sie die „islamistische Radikalisierung“.

Kein Einzelfall: die 85-jährige Holocaust-Überlende Mireille Knoll wurde im März ermordet Foto: reuters

Paris afp | In einem gemeinsamen Manifest prangern 300 Vertreter der französischen Gesellschaft einen „neuen Antisemitismus“ in Frankreich an. In der am Sonntag in der Zeitung Le Parisien veröffentlichten Erklärung kritisieren sie eine „lautlose ethnische Säuberung“ in einigen Stadtvierteln, die auf eine „islamistische Radikalisierung“ zurückzuführen sei. Den Medien werfen sie vor, über die Entwicklung zu schweigen.

„Wir fordern, dass der Kampf gegen dieses Scheitern der Demokratie, den Antisemitismus, zur nationalen Angelegenheit erklärt wird, bevor es zu spät ist. Bevor Frankreich nicht mehr Frankreich ist“, heißt es in dem Manifest.

Zu den Unterzeichnern gehören Politiker aus dem rechten wie linken Lager wie Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und der ehemalige sozialistische Ministerpräsident Manuel Valls, außerdem Künstler wie der Sänger Charles Aznavour und der Schauspieler Gérard Depardieu, ferner Intellektuelle und Vertreter der jüdischen und muslimischen Gemeinden sowie der katholischen Kirche.

In der jüngeren französischen Geschichte seien elf Juden „von radikalen Islamisten getötet und zum Teil gefoltert“ worden, erklären die Unterzeichner. Sie verweisen unter anderem auf Ilan Halimi, der 2006 verschleppt und drei Wochen lang gefoltert wurde, die Erschießung von drei Schülern und einem Lehrer vor der jüdischen Schule in Toulouse 2012 und den Anschlag auf den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher in Paris 2015.

Für Entsetzen sorgte 2017 auch der Fall von Sarah Halimi, die von ihrem muslimischen Nachbarn aus dem Fenster gestoßen worden sein soll, und die Ermordung der 85-jährigen Holocaust-Überlebenden Mireille Knoll Ende März.

„Jüdische Franzosen sind 25 Mal mehr gefährdet, angegriffen zu werden, als ihre muslimischen Mitbürger“, heißt es in dem Manifest weiter. Rund 50.000 Juden seien zum Umzug gezwungen, weil sie in einigen Städten nicht mehr sicher seien und ihre Kinder nicht mehr zur Schule gehen könnten. Frankreich hat die größte jüdische Gemeinde Europas mit geschätzt rund einer halben Million Mitglieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Ausgerechnet Sarkozy und Valls hier als herausragendes Beispiel für die Einigkeit für links und rechts, was die Bekämpfung des Antisemitismus in Frankreich angeht, ist doch ein Witz. Beide sind poltisch tot und wollen sich jetzt auf Kosten der Opfer profilieren. Sarkozy steckt in mehreren Skandalen, zuletzt wurde eine offizielle Untersuchung gegen ihn eingeleitet wegen der Finanzierung seiner Wahlkampagne von Kadhafi. Valls macht durch Antimoslemhetze à la Front National auf sich aufmerksam, wurde unter zweifelhaften Umständen als Abgeordneter gewählt. Jetzt will er, da er in Frankreich keinen Fuss mehr auf den Boden bekommt, für das Bürgermeisteramt in Barcelona für die rechtsliberale Partei Ciudadanos gegen die fortschrittliche amtierende Bürgermeisterin Ada Colau ins Rennen gehen...toller Linker!

    Solche zwillichtigen Gestalten sind ein schlechtes, ja das schlechteste Aushängeschild für das Manifest.

  • In Deutschland ist es 5 vor 12. Die auch in Deutschland zunehmenden antisem. Gewalttaten zeigen, dass wir schon bald französische Verhältnisse haben werden, wenn es seitens der Politik, der Justiz und der Bevölkerung nichts gegen den Antisemitismus unternommen wird, der unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Israelkritik toleriert wird.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Nicky Arnstein:

      Mit Pauschalisierungen à la Bild-Zeitung kommen Sie auch nicht weiter.

      Weil Sie hier jene, die die israelische Regierung und ihre dubiosen Methoden kritisieren mit antisemitischen Israelkritikern gleichsetzen und das einfach nicht einsehen wollen.

      Dass in Frankreich das Problem akuter ist, weil es hier 500 000 Juden und über 6 Millionen Moslems bei 67 Millionen Einwohnern gibt und dass das Verhältnis zwischen norafrikanischen Juden und nordafrikanischen Moslems hisorisch belastet ist, habe ich schon mehr mals versucht Ihnen zu erklären. Trotzdem ist das Verhältnis nicht total gestört. Mein jüdischer Hausarzt arbeitet in einem von Salafisten kontrollierter Stadtteil in Toulouse und das seit über 20 Jahren. Er kennt alle Familien und hat deren Verttauen. Er hat mir gesagt, dass natürlich mal einer durchdrehen kann, dass einige jüngere Patienten wegbleiben. Aber er will seine Patienten nicht aufgeben. Und ich fahre quer durch Toulouse, weil er ein guter Arzt und ein guter Freund ist und man mit ihm unbefangen über alles reden kann. Ein bisschen das Gegenteil von Ihnen.

    • @Nicky Arnstein:

      Sind sie ein BOT von shin beit,

      sie sind meistens einer der ersten , die diese Art von Artikel nutzen, um Hetze zu betreiben.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @elmagico:

        Natürlich, die paar wenigen, die hier gegen Antisemitismus eintreten und für Israel, tun dies im Dienste eines Geheimdienstes.

         

        Das ist ja schon ein bisschen antisemitische Paranoia.

         

        Seien Sie doch zufrieden, lehnen sie sich zurück. Sie gehören doch zur Mehrheit.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          und noch ein märtyrer!

          • @christine rölke-sommer:

            wie wahr