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Gastkommentar zum MietenwahnsinnGemeinsam gegen Spekulation

Kommentar von Cansel Kiziltepe

Gegen steigende Mieten brauchen wir ein Streikrecht für MieterInnen und effiziente Vereine, die wie Gewerkschaften funktionieren.

Zentrale Wohnlage in der Hauptstadt: ein Mieteralptraum Foto: dpa

V iele Mietende fühlen sich machtlos und ausgeliefert, wenn ihr Vermieter mal wieder die Miete erhöht oder überteuerte Modernisierungen ankündigt. Das Mietrecht soll sie schützen, aber im aktuellen Immobilienrausch der deutschen Großstädte scheint dies kein Gefühl von Sicherheit mehr bieten zu können.

Anders – jedoch nicht weniger problematisch – ist die Lage in weniger boomenden Regionen: Hier werden die Mieter in den verfallenden Wohnsiedlungen vergessen. Die Hausverwaltung ist nur noch über ein Callcenter zu erreichen und der Fahrstuhl seit Monaten nicht mehr im Betrieb.

Das Problem ist ein zunehmendes Ungleichgewicht zwischen den großen kommerziellen Verwertern von Wohnraum und ihren Bewohnern. Immer öfter gehören Wohnungen anonymen Aktiengesellschaften. Gruppenklagemöglichkeiten gibt es nicht.

Abhilfe kann ein Streikrecht für Mieter schaffen! Denn wenn kein Geld mehr fließt, sind Vermieter schnell bereit, sich auf Augenhöhe mit den Mietenden an einen Tisch zu setzen. Die Mietzahlungen könnten während des Streiks auf ein Konto einer Mietergewerkschaft gezahlt werden. Ausgezahlt würden sie erst, wenn es zu einer Einigung zwischen dem Vermieter und den Mietenden kommt.

Cansel Kiziltepe

Cansel Kiziltepe ist Bundestagsabgeordnete der SPD und stammt aus Berlin. Sie ist Mitglied im Finanzausschuss des Bundestags und stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses.

Die Mietergewerkschaften könnten in diesen Fällen auch die Verhandlungen führen. Damit würde sichergestellt, dass die Mieter über das notwendige finanzielle und rechtliche Knowhow verfügen, um nicht über den Tisch gezogen zu werden.

Wenn kein Geld mehr fließt, sind Vermieter schnell bereit, sich mit den Mietenden an einen Tisch zu setzen

Dass Mietstreiks funktionieren, hat das frühe 20. Jahrhundert gezeigt – sowohl in London als in Berlin. Doch sie sind praktisch meist schwierig umzusetzen. Aktuell fehlt der rechtliche Rahmen, der Mieter im Falle eines Streiks vor Kündigungen schützt. Darüber hinaus braucht es Mieterinitiativen und -vereine, die mehr wie Gewerkschaften funktionieren. Nur so können sie wie Arbeitnehmende in großen Konzernen ihre Interessen erfolgreich verteidigen.

Auch dafür lohnt es sich, auf die Straße zu gehen, etwa bei der Mietenwahnsinn-Demo am 14. April in Berlin.

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14 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    "Viele Mietende fühlen sich machtlos und ausgeliefert, wenn ihr Vermieter mal wieder die Miete erhöht oder überteuerte Modernisierungen ankündigt."

    Müsste es nicht "Vermietende" heißen, oder "VermieterIn". Oder ist das Maskulinum einfach treffender für das Böse?

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Zumal Frau Kiziltepe ja die "anonymen Aktiengesellschaften" als die Bösen ausgemacht haben möchte. Die weiteren wesentlichen Player auf dem Mietmarkt sind übrige Kapitalgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften. Damit wäre dann wohl eher "ihre Vermieterin" die richtige Wortwahl.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Streiks machen Bauen nicht billiger. Streiks erzeugen nicht mehr Wohnraum. Man kann nur so und soviel neue Wohnungen bauen und die Leute möchten nicht riesige Wohnblöcke haben ohne Parks und Grünflächen drum herum. Will man das Wohnproblem lösen muss man mehr Anreize schaffen, dass weniger Leute in die Städte ziehen wollen/müssen.

    Zum einen könnte man die Verwaltung aus den großen Städten verlegen. Warum müssen alle Ministerien in der Haupt und Landeshauptstadt sitzen? Verteilt man die Ministerien auf kleine und mittelgroße Städte verteilen nimmt das Druck aus dem Kessel, da zehntausende Beamte dann wegziehen.

    Gegen Investoren die Objekte leerstehen lassen muss man vorgehen, genauso gegen AirBnB etc. die Wohnraum missbrauchen, aber es gibt hier zwangsläufige Limits die heute schon weit unterhalb des Bedarfs liegen. Es gibt nicht genügend gewollten Wohnraum für den Bedarf.

    Will man Ursachen bekämpfen wäre es auch eine Idee die Zunahme an Single-Haushalten zu bekämpfen. Mehr verheiratete Paare, Mehrgenerationenhäuser und WG's können helfen.

     

    Das Ganze hier klingt nach SPD Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die Mieter-Gewerkschaften werden nichts erreichen aber nette Funktionärs -posten schaffen für Langzeit Philosophie und Germanistik Studenten bevor selbige ihre Chance bekommen in den Bundestag einzuziehen.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Das hat übrigens Südkorea so gemacht: die Ministerien sind auf dem Lande, nicht in Seoul. Das heißt zwar auch, dass man oft nicht die besten Leute kriegt. Aber wenn braucht die schon im öffentlichen Dienst.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @Sven :

        Wenn die "Besten" Leute nur bereit sind für den Staat zu arbeiten wenn der Job in der überteuerten Großstadt liegt dann sind das nicht die "besten".

  • Die Vermieter sind schon heute de facto entrechtet. Jetzt noch eine Vermietergewerkschaft? Keinesfalls. Ueberlasst die Mieten dem Markt. Nicht jeder muss in Berlin wohnen.

  • Puh. Wo soll man da anfangen?

     

    1. Wenn und soweit Mängel an einer Wohnung vorliegen kann bereits jetzt die Miete gemindert werden. Dafür braucht es kein Streikrecht.

     

    2. Wenn und soweit eine Mieterhöhung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt kann der Mieter dagegen klagen. Da hilft eine Rechtschutzversicherung. Dafür braucht es kein Streikrecht.

     

    3. Wenn und soweit sich "Mietergewerkschaften" gegründet haben, können diese ja gerne die Rechte der Mieter prüfen (siehe 1 und 2, das machen ja heute bereits die Mietervereine) mehr jedoch auch nicht und auch insoweit ist kein Raum für irgendwelche Streiks.

     

    Ergo handelt es sich um ein Hirngespinst einer Politikerin, die ihren Namen in der Zeitung lesen möchte. In diesen Sinne, was für ein dummer Vorschlag, Frau Kiziltepe.

     

    Ach Frau Kiziltepe, falls sie es noch nicht gemerkt haben sollten, die Arbeitnehmergewerkschaften gehen derzeit nach und nach ein. Verdi befindet sich mit dem Kampf gegen Amazon bereits im Abstiegskampf. Möglicherweise nicht das beste Beispiel.

  • Ist ja alles schön und gut, aber in erster Linie muß der Staat Wohungen bauen. Und zwar schnell. Zackzack. Wenn für Flüchtlinge MUFELS Schnellbauten (oder wie die heißen) überall hingesetzt werden können, dann ist es nicht einzusehen, daß das für die autochthone Bevölkerung nicht genauso funktionieren kann. Und zwar nicht nur ein paar, sondern tausende, überall im Land. Die ärmeren Schichten der Bevölkerung sind für die üblichen Wohnbaukapitalisten keine Zielgruppe. Deshalb muß hier der Staat einspringen. Aber da kann ich sagen, was ich will. Wahrscheinlich wird erst wieder gefühlte tausend Jahre rumpalavert.

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel:

      Die Eignung des Staates zum Bauherren kann man am BER bewundern. Um mal ein Beispiel zu nennen.

    • @Thomas Schöffel:

      Der Staat sollte gar keine Wohnungen bauen, sondern die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Vermieter Wohnraum bauen und bestehenden leerstehenden Wohnraum vermieten.

      Ich hatte in einer deutschen Metropole eine 100qm Wohnung drei Jahre leer stehen lassen, da man einen Mieter ja nie wieder rauskriegt. In vielen anderen Ländern sind Mietvertraege grundsätzlich Zeitmietvertrag, so dass sich das Problem nicht ergibt. 5-7% der deutschen Wohnungen stehen leer.

      • @Sven :

        Ich bin in der Immobilienbranche, mein Freund. Im Gegensatz zu Ihnen, vermiete ich meine Wohnungen und lasse sie nicht leerstehen. 2. Wenn ich das schon höre: "Rahmenbedingungen". Ahnen Sie, wie lange man da rüber palavern, diskutieren und sich streiten kann ? Bei den jetzt nach Deutschland Zureisenden hat man auch nicht über "Rahmenbedingungen" geredet, sondern man hat, zackzack, Turnhallen, Container, alte Supermärkte und was weiß ich noch alles genutzt und überall im Lande entstehen diese MUFL-Schnellwohnungen. Erzählen Sie das mal einer Familie mit drei Kindern, die seit ewig und drei Tagen eine Wohnung sucht. Vieleicht nehmen wir ja mal am besten eine von Ihnen. Wo die doch leerstehn.

  • Die sehr hohen Mieten liegen begründet in den in den vergangenen Jahren ständig gestiegenen Grundstücks- und Baukosten. Diese wiederum ergeben sich aus den gesetzlich erheblich verschärften Anforderungen an Energetik, Brand-, Schall- und Naturschutz. Der Gesetzgeber ist somit der Preistreiber Nummer eins in diesem Bereich, die zunehmende Verknappung an verfügbaren Wohnbauflächen in den Ballungsräumen tut ihr Übriges. Es kommt hinzu, dass sich der Staat seit mehr als zehn Jahren weitgehend aus der Wohnraumförderung zurück gezogen hat. Hunderttausende von Wohnungen sind aus der Sozialbindung gefallen. Zu wenig neue kamen hinzu.

     

    Die Renditen, die Kapitalgeber in der Wohnungswirtschaft im langjährigen Mittel erzielen, sind dabei im Vergleich zu anderen Branchen relativ bescheiden.

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      Treffend beschrieben, auch wenn es nicht ins schöne Bild vom bösen Vermieter passt.

    • @Nikolai Nikitin:

      In Deutschland sind die Kosten fuers Wohnen in der Tat ausgesprochen niedrig. Was wir gegenwaertig erleben, ist keine Blase, sondern im Wesentlichen eine Normalisierung. Kein Grund fuer politische Interventionen.