Vorwürfe gegen AfD-Politiker Kalbitz: Ein Rechter schaut nach den Rechten
Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz war nicht nur zu Besuch im Neonazi-Zeltlager, sondern mutmaßlich auch mit Holocaustleugnern in einem Verein.
Ein Video von dem HDJ-Pfingstlager 2007, das der taz vorliegt und über das zuerst die ARD berichtete, dokumentiert, wie Kalbitz mal zwei zünftig gekleidete Kameraden, mal eine junge Frau im langen Rock begrüßt. Wie er so vorbei an der provisorischen Feldküche und Feldtoilette durch das extra aufgebaute Holztor mit der Botschaft „Der Heimat und dem Volke treu“ schlendert, wirkt er wenig wie ein kritischer Besucher. Von einer „Stippvisite“ spricht er aber heute, er wollte sich die Jugendarbeit nur mal anschauen.
2007 stand die HDJ bereits unter Beobachtung des brandenburgischen Verfassungsschutzes. Damals begann ein Umdenken in den Sicherheitsbehörden, nachdem freie Journalisten mit heimlich gedrehtem Filmmaterial aufzeigten, wie Kinder und Jugendliche ideologisch geschult und körperlich gedrillt wurden.
„Ziel war es, dass wir später Führungspositionen in der Bewegung einnehmen“ betont Heidi Benneckenstein, die in eine rechtsextreme Familie hineingeboren und jahrelang zur HDJ geschickt wurde. „In der Regel hielt sich die HDJ bedeckt, um keinen Ärger mit der Polizei zu bekommen. Unsere Lager waren meist abgeschieden von Städten, wir gaben uns als Pfadfinder aus oder als Katholische Deutsche Jugend“, sagt Benneckenstein, die es mit 19 schaffte, die Szene zu verlassen.
Kalbitz erinnert sich nicht genau
Wie AfD-Politiker Kalbitz damals zu dieser selbsternannten völkischen Elite stieß und eine Einladung zum Lager erhielt, daran kann er sich heute nicht mehr erinnern, wie er schreibt. In Eschede waren an jenem Pfingstwochenende Wachen aufgestellt worden. Journalisten konnten nur unter Polizeischutz filmen. Kalbitz, weiß nach elf Jahren aber noch, dass er das Pfingstreffen uninteressant fand und bei der HDJ nicht mitmachen wollte. Ihm sei auch nicht klar gewesen, dass der Verein vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft war.
Zwei Jahre nach dem Lager in Eschede, 2009, verbot das Bundesinnenministerium die 1990 gegründete HDJ aufgrund ihrer NS-Wesensverwandtschaft und einer „aktiv-kämpferischen, aggressiven Grundhaltung“. Jugendliche würden dort zu „fanatischen nationalistischen Freiheitskämpfern“ erzogen, wie es in der Verbotsverfügung hieß.
Im Schatten des Bundesvorsitzenden Alexander Gauland machte Kalbitz bisher Parteikarriere. In Rückkopplung mit Gauland trieb er mit Björn Höcke das weit rechten Netzwerk „Der Flügel“ voran. Bei einem Treffen des „Flügels“ am Kyffhäuser-Denkmal in Thüringen wurde Kalbitz einschlägig pathetisch: „Draußen brennt das Land (…) und hinterlässt Leere, gefüllt nur noch mit heißer Luft, leidlich verstopft mit Materialismus, Konsum, der Zerstörung unserer ethischen und moralischen Lebensgrundlagen, der selbstzerstörerischen Heuchelei des Gutmenschentums voller Phrasen und ohne Antworten“.
Verbindung zu Holocaust-Leugnern
Nicht erst der HDJ-Besuch wirft Fragen zu Kalbitz Vergangenheit auf. 2015 zog er schon einmal die Notbremse: Nachdem bekannt geworden war, dass er Vorsitzender des rechtsextremen Vereins „Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit“ war, legte er das Amt nieder.
Auf einer Mitgliederliste der „Aktionsgemeinschaft der Deutschland Liebenden“ (ADL) aus dem Jahr 2002, die erst jetzt in einem Archiv gefunden wurde, taucht der Name Andreas Kalbitz mit Wohnsitz in München auf. Neben seinem Namen stehen die bekannter Rechtsextremisten und Holocaust-Leugner wie Ursula Haverbeck auf der Liste. Zur seiner mutmaßlichen ADL-Mitgliedschaft möchte Kalbitz heute nichts sagen.
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