Alternative Internet-Provider in Leipzig: Online über das ReudNetz

Ein lokaler Internet-Provider kämpft gegen große Internetkonzerne. Ein Plus: Unabhängigkeit und mehr Kontrolle über die eigenen Daten.

Ein gelbes Lan-Kabel ist an einer Box angeschlossen

Aus Reudnitz kommt nicht nur Bier, sondern jetzt auch das Internet: Blick in die Reudnitzer Brauerei Foto: dpa

Zielstrebig steigt Yannik Völker durch eine kleine Luke auf das Dach eines Altbauhauses im Leipziger Osten. Mithilfe der Dachtritte des Schornsteinfegers gelangt er zum Giebel – von Höhenangst keine Spur. Um den Schornstein herum hängen, nach verschiedenen Richtungen ausgerichtet, kleine weiße Geräte und blinken. Es sind die Richtfunkantennen des Do-it-yourself-Internetproviders ReudNetz.

Auch auf den Dächern der Kunden sind die kleinen Kästen montiert. So kann bei jedem Wetter über mehrere Kilometer hinweg eine Verbindung hergestellt werden, erläutert Völker geduldig die technische Seite des Projekts.

Der junge Mann mit den schwarzen Locken hat zusammen mit drei anderen ReudNetz ins Leben gerufen. Er spricht viel von seinem Projekt: Mit 20 anderen jungen Menschen lebt er in einer großen Wohngemeinschaft in jenem Haus mit dem blinkenden Schornstein, um unabhängig vom Immobilienmarkt zu sein. Und auch ReudNetz hat viel mit diesem Wunsch nach Unabhängigkeit und Privatsphäre zu tun.

Einerseits ist ReudNetz ein Internetprovider wie die Telekom oder Kabel Deutschland. Die Kunden bezahlen für den Zugang zum Internet. Aber statt eines großen Konzerns, der deutschlandweit Menschen mit schnellem Internet versorgt, handelt es sich bei dem Projekt im Leipziger Osten um einen lokalen Anbieter, betrieben von den Bewohnern des Viertels. Es ist das zweite Projekt dieser Art in Leipzig. Erreicht der Trend zum Regionalen nun also auch die technische Infrastruktur? Und was bringt das?

Das Internet dezentralisieren

„Große Konzerne wie die Telekom kontrollieren faktisch den gesamten Internetverkehr“, kritisiert Christian Pietsch vom Verein Digitalcourage. Welche Gefahren das birgt, zeige das Beispiel USA: Im vergangenen Dezember stimmte die US-Medienbehörde Federal Communications Commission (FCC) für die Aufweichung der Netzneutralität. Der Begriff bezeichnet die Gleichbehandlung von Daten im Internet.

US-amerikanische Internetprovider dürfen nun Inhalte mit unterschiedlicher Priorität weiterleiten und so den großen Konzernen aus dem Silicon Valley eine Art digitale Überholspur zur Verfügung stellen. Um solch einer Diskriminierung von Inhalten etwas entgegenzusetzen, ist „ein dezentrales Internet mit vielen Akteuren wichtig“, sagt Pietsch.

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Gemeinschaftlich organisierte Internetprovider wie ReudNetz ermöglichen die Kontrolle über die eigenen Daten und die Privatsphäre. Die Leipziger Netzmacher und alle interessierten Kunden verstehen die Infrastruktur, die sie täglich nutzen. Rund 200 Menschen versorgt der Provider im Leipziger Osten mittlerweile. Wer mag, kann sich jederzeit selbst vergewissern, dass seine Verbindungsdaten nicht gespeichert werden. Für den notorisch auf Privatheit bedachten Völker ist das ein zentrales Anliegen.

Dass ein kleiner Verein wie ReudNetz, in dem sich alle Beteiligten ehrenamtlich engagieren, der Macht der großen Anbieter wirklich etwas entgegensetzten kann, scheint dennoch abwegig. Um wirklich unabhängig zu sein, müssten die Netze mehrerer Do-it-yourself-Internetprovider nicht nur virtuell, sondern mit Kabeln verbunden werden. Ein Fernziel, wie Pietsch vom Verein Digitalcourage einräumt.

Zwei Bierkästen und etwas Goldfolie

Momentan gilt: Um Teil des weltumspannenden digitalen Netzes zu sein, sind kleine und mittelgroße Internetprovider auf die sogenannten Backbones, die die Verbindungen zwischen ganzen Regionen und Kontinenten herstellen, angewiesen. Für die Dienste der Backbones müssen die Provider eine Gebühr zahlen.

Um ReudNetz mit der Außenwelt zu verbinden, hat ein kommerzieller Anbieter mehrere Kilometer Kabel bis in das Wohnprojekt in der Wurzner Straße verlegt. Zwar wirkt der Anschluss im Keller des Mehrfamilienhauses noch recht provisorisch – die Router stehen in einem mit Goldfolie ausgekleideten Raum auf zwei übereinandergestapelten Sternburg-Bierkästen – doch unerwartete Ausfälle gab es bisher keine.

Völker ist froh, dass der größte Aufwand hinter ihm liegt, seit im April des vergangenen Jahres die Internetverbindung steht. Wenn es nach ihm ginge, könnte alles genau so bleiben, wie es jetzt ist. ReudNetz solle keinesfalls wie einer dieser großen anonymen Anbieter werden: „Wir bieten günstiges Internet, ohne komplizierte Verträge. Bei Fragen bleibt man nicht in der Warteschleife einer Telefonhotline hängen, sondern wendet sich an Leute, die man kennt.“

Dem jungen Mann ist vor allem der persönliche Kontakt zu den Nutzern wichtig. Um mögliche Erweiterungen oder gar direkte Verbindungen zu anderen Do-it-yourself-Internetprovidern macht er sich derzeit keine Gedanken. Stattdessen wünscht er sich, dass sich andere Menschen engagieren und ähnliche Projekte ins Leben rufen – es sei ja schließlich gar nicht so schwer.

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