Doku-Regisseurin über Künstler Nekes: „Einen unschuldigen Blick bewahrt“

Mit dem persönlichen Dokumentarfilm „Werner Nekes. Das Leben zwischen Bildern“ zeigt die Hamburgerin Ulrike Pfeiffer, was den Künstler antrieb.

Werner Nekes konnte nur die Rohfassung des Filmes sehen: Er verstarb im Januar 2017. Foto: imFilm

taz: Frau Pfeiffer, wie haben Sie Werner Nekes und seine Sammlung gefunden?

Ulrike Pfeiffer: Ich habe ihn erst 2005 kennengelernt. Ich habe im Altonaer Museum gearbeitet und dort gab es eine riesige Ausstellung über sechs Räume von der Sammlung von Nekes. So hatte ich die Gelegenheit, diese Ausstellung täglich zu sehen. Ich konnte sie richtig studieren. Und je länger ich sie mir anguckte, desto neugieriger wurde ich.

Was machte Sie so neugierig?

Nekes schöpfte seine Filmideen auch aus dem Potential seiner Sammlung und das fand ich spannend. Parallel lief eine Retrospektive seiner Filme im Metropolis Kino. So konnte man durch die Sammlung zurück in die Vorgeschichte des Kinos blicken und hatte zugleich den Blick nach vorne mit seiner avantgardistischen Filmarbeit.

Ulrike Pfeiffer, 66 Jahre, studierte künstlerische Fotografie an der Fachhochschule für Kunst und Design in Köln sowie Film an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Sie lebt seit 1984 in Hamburg.Seit 2009 ist sie im Vorstand des Hamburger Zentrums für Filmforschung, Cinegraph. Sie arbeitet als Kamerafrau, Fotografin und Produzentin.

Ist deswegen Ihr Film zugleich ein Künstlerporträt, ein Rundgang durch Nekes Sammlung und eine Kompilation seiner Experimentalfilme?

Werner Nekes war ja auch vieles gleichzeitig: Wissenschaftler, Künstler, Sammler und ich wollte mit meinem Film zeigen, wie das bei ihm zusammenkam.

Am bekanntesten ist Nekes wohl, weil er mit „Johnny Flash“ den ersten Film mit Helge Schneider gemacht hat.

Die waren in Mühlheim fast Nachbarn. Werner Nekes hat Helge Schneider als Musiker entdeckt. Sie hatten einen ähnlichen Humor und das merkt man auch am Film, wie sie sich darin die Bälle zuspielen.

Sie haben Nekes Gesprächspartner in für sie typischen Situationen gefilmt: Der Filmkritiker Daniel Kothenschulte stellt Fragen am Küchentisch, und der emeritierte Ästhetik-Professor Bazon Brock fragt ihn gar nichts, weil der ja eh schon alles weiß.

Bazon Brock und Werner haben viele Filme miteinander gemacht. Die waren sehr vertraut miteinander. Und Brock hat sich auch sehr darum bemüht, dass Werner ein Haus für die Sammlung findet. Im Film meinte er ja, das Vatikan Museum sollte das übernehmen. Es war schön, dass er so hoch gegriffen hat.

Was wird denn nun aus Nekes Sammlung?

Das ist noch nicht entschieden. Und ein wenig hat er daran auch selber schuld. Er hat selber von sich gesagt, er wäre ein „besessener Sammler“ und wenn man so wie er an seinen Objekten hing, dann gibt man nichts weg. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dass seine Sammlung jetzt nicht in Einzelteilen veräußert wird und einer sich zum Beispiel nur die Apparaturen nimmt und ein anderer die tollen Bücher. Das muss zusammenbleiben, denn gerade die Kombination der Objekte war ja das Spannende.

Warum ist die Sammlung von Werner Nekes so wichtig?

Viele kennen ja gar nicht die Ausmaße und die Bedeutung seiner Sammlung: 40000 Objekte aus sechs Jahrhunderten hat er zusammengetragen. Und ein Filmmuseum sollte nach meiner Meinung nicht nur die Schuhe von Klaus Kinski und den Morgenmantel von Marlene Dietrich ausstellen, sondern auch die Vorgeschichte des Kinos verdeutlichen.

Der schönste Moment in Ihrem Film ist der, wenn Werner Nekes einen seiner Freunde sehr überlegen ansieht und ihn fragt: „Was, du kennst „Grandville“ nicht?“ War Werner Nekes auch ein Besserwisser ?

Ja, diese Szene mit dem Musiker Anthony Moore ist für mich auch ganz wichtig, denn immer wenn Werner mir etwas Neues gezeigt hat und ich erst einmal nichts kapierte, dann kam diese Reaktion. Jeder, der Werner Nekes kennt, hat das erlebt. Da fühlte man sich dann nicht so wohl.

Sie selbst machen ja ganz andere Filme als Werner Nekes. Hat er sie trotzdem inspiriert?

Jetzt, wo man so vielen optischen Einflüssen ausgesetzt ist, finde ich es umso wichtiger zu zeigen, wo das alles herkommt. Dann kann man auch besser durchschauen, wo und wie manipuliert wird. Und wenn man dann jemanden hat, wie den Werner Nekes, der nicht nur Kulturhistoriker, sondern eben auch Künstler ist, der manchmal einen verspielten Blick auf die Dinge hat und sie unterhaltsam präsentieren kann, dann ist das für mich ein Vorbild.

Tatsächlich sind ja das Spielen und Kinder zwei wichtige Leitmotive Ihres Films. Sie zeigen, wie Kinder in der Ausstellung vor einem Zerrspiegel spielen. Ist ihr Film nicht auch das Porträt des Künstlers als Kindskopf?

So muss man ihn verstehen. Bei der Ausstellung haben Kinder die optischen Phänomen oft viel schneller verstanden als die Erwachsenen. Die hatten noch diesen unschuldigen, unmittelbaren Blick und den hat auch Werner Nekes sich bewahrt.

Werner Nekes ist im Januar gestorben. Hat er den Film noch gesehen ?

Da war er schon im Krankenhaus, aber keiner hatte damit gerechnet, dass er sterben würde. Wir haben ihm den Rohschnitt auf einem großen Monitor gezeigt. Er hat wegen der Krankheit wenig gesagt, aber er mochte ihn und meinte, es wäre ein „reicher Film“. Das fand ich schön zu hören.

Der Film läuft am 3.11. auf den Nordischen Filmtagen in Lübeck. Kinostart ist der 9.11.

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