Verdacht gegen Silvio Berlusconi: Wenn der Mafiaboss plaudert
Die Staatsanwaltschaft ermittelt Medien zufolge erneut gegen den konservativen Ex-Regierungschef Italiens. Er soll Bombenanschläge veranlasst haben.
In jenem Jahr gingen in Rom nahe einer Kirche, in Mailand vor einem Museum und in Florenz nahe den Uffizien drei Sprengsätze hoch. In Mailand ebenso wie in Florenz waren je fünf Opfer zu beklagen. Diverse Mafiabosse wurden wegen der Planung und Ausführung der Attentate verurteilt. Doch schon früh kam der Verdacht auf, dass die Cosa Nostra nicht auf eigene Rechnung, sondern im Dienste externer Auftraggeber gehandelt hatte, auch aufgrund der Aussage von Kronzeugen aus den Reihen der Mafia.
Schon von 1996 an und bis 2011 ermittelten deshalb die Staatsanwaltschaften Caltanissetta und Florenz gegen Berlusconi und dessen engen Mitarbeiter Marcello Dell’Utri. Doch am Ende verliefen die Untersuchungen im Sand, weil sich keine handfesten Beweise finden ließen, dass Berlusconi auf diesem Wege Italiens weitere politische Entwicklung – im Jahr 1994 gewann er erstmals die Parlamentswahlen – beeinflussen wollte.
Doch nun hat die Staatsanwaltschaft in Florenz offenbar erneut Ermittlungen aufgenommen. Denn im Mai 2016 hatten die Fahnder ihre Richtmikrofone eingeschaltet, als der Cosa-Nostra-Boss Giuseppe Graviano im Gefängnis mit einem Kollegen von der Camorra parlierte. Graviano beschwerte sich bitter. „Berlusconi hat mich um einen Gefallen gebeten, deshalb war die Sache dringend“, sagte der seit 1994 einsitzende Mafioso. „Ich habe für deinen (Berlusconis, die Red.) Wohlstand gesorgt, dann widerfährt mir ein Unglück, und du stichst mir in den Rücken.“
Ein schlechter Zeitpunkt
Anschließend stößt Graviano Drohungen aus. „Ich lasse ihn üble Altersjahre verbringen, diesen Gehörnten, erzähl doch mal, wieso du es an die Regierung geschafft hast, erzähl, dass du schändliche Dinge getan hast. Seine Huren bezahlt er jeden Monat. Ich hab bis jetzt auf dich gewartet, und du lässt mich im Gefängnis verrecken.“
Das neue Verfahren der Staatsanwaltschaft Florenz trifft Berlusconi zu einem Zeitpunkt, in dem er wieder voll in der römischen Politik mitmischt. Im Jahr 2013 war er wegen Steuerbetrugs rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Zwar musste er keinen einzigen Tag absitzen, sondern nur ein paar Sozialstunden leisten, doch zugleich wurden ihm der Sitz im Senat und das passive Wahlrecht entzogen. Damals schien Berlusconi politisch erledigt.
Auch bei den nächsten Parlamentswahlen kann er nicht antreten, doch seine Forza Italia liegt in den Umfragen wieder bei 15 Prozent, der gesamte Rechtsblock hat mit 35 Prozent mittlerweile die Nase vorn sowohl vor dem Mitte-links-Lager als auch vor Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung. Ausgerechnet Berlusconi macht Propaganda für sich mit dem Argument, recht eigentlich sei er das Bollwerk gegen Grillos „Populisten“.
Angesichts der Tatsache, dass nach den im März oder April 2018 anstehenden Wahlen wohl kein politisches Lager die absolute Mehrheit haben wird, gilt in Rom das Szenario einer Koalition zwischen Matteo Renzis Partito Democratico (PD) und Forza Italia als durchaus plausibel. Berlusconi wäre damit wenigstens in die Rolle des Königsmachers zurückgekehrt.
Schaden können ihm jetzt nur noch die Staatsanwälte aus Florenz. Doch auch sie müssen beweisen, dass der Boss Graviano die Wahrheit gesagt hat. Schließlich ist auch eine andere Variante denkbar: dass der Mafioso Berlusconi anschuldigte, um ihm gezielt zu schaden – im besten Wissen, dass seine Knastgespräche abgehört werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies