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Kolumne HabibitusAntifa, aber mit mehr Fashion

Wir werden AfD-Anhänger_innen die Hölle heiß machen. Mit diesen Nägeln werde ich sie zerstören. Es gibt viel zu tun.

Achtung Kartoffeln: Nazaar is watching you! Foto: Hengameh Yaghoobifarah

E s ist Sonntag, früher Abend. Als der blaue Balken in der Infografik am dritthöchsten ragt, frage ich mich, warum er nicht braun ist. Warum er so hoch geht, frage ich mich nicht. Das wussten meine Freund_innen und ich schon lange.

Ich denke auch: Hätte es ihn schon vor Jahren gegeben, wäre er vermutlich nichts Neues gewesen. Im Bundestag hat es schon seit 1949 Nazis gegeben. Und andere Rassist_innen, die keine Nazis sind. Jetzt gibt es eben eine faschistische Partei, die mit Steuergeldern ihre menschenfeindliche Ideologie umsetzen kann.

„Und?“, fragt eine Freundin, als ich auf mein Smartphone starre. „13“, murmele ich. „Denkt ihr, ich werde auf der Demo als Klassenfeind_in betrachtet, wenn ich meine Fake-Gucci-Cap trage?“, frage ich nur semi-ernst gemeint und entscheide mich am Ende doch für eine andere Mütze.

Mit bereits angezogener Bomberjacke trage ich mir noch meinen Rihanna-Glitzerlipgloss auf, dann steht das Demo-Outfit: Antifa, aber mit mehr Fashion.

On edge

Wir fahren mit der U-Bahn Richtung Alexanderplatz. Was mich nicht loslässt: das Abrissbedürfnis. Während wir gestresst rauchen, denken wir uns Parolen wie „Rauchen gegen Deutschland“ aus. Wie in der Schulzeit, damals aber ohne Kippen. Dass ein von AfD-Leuten gebuchtes Taxi ohne Licht in die demonstrierende Menge fährt und mehrere Personen verletzt – eine davon schwer –, erfahre ich erst später. In einer Randnotiz.

Am nächsten Morgen starre ich mit leerem Blick in den Spiegel. Eigentlich wie jeden Montag. Aber es ist dieses Mal anders, schwerer. Ich suche auf YouTube nach „Cat People“ von David Bowie, ein Lied aus dem Soundtrack des Tarantino-Films „Inglorious Basterds“, und höre es in Dauerschleife. Beim Schminken und auf dem Weg ins Büro.

Permanent fühle ich mich on edge – wissend, dass jede dritte Person, die mir begegnet, rassistisch sein könnte. Meine Fäuste sind geballt. Gut, dass ich mit 14 den gelben Gurt in Taekwondo gemacht habe. „Punch a nazi“ ist kein Meme, sondern ein Lifestyle.

Über den Tag erhalte ich mehrere Nachrichten zur Organisierung von politischen Aktionsgruppen, Austauschtreffen und mehr. Bei einer dieser Zusammenschlüsse lande ich am Abend. Wir haben viele Ideen und setzen ein paar Strategien auf. In der Luft liegt viel Motivation.

Nazaar auf dem Mittelfinger

Drei Stunden verbringe ich am Dienstag in einem Nagelsalon und steige mit spitzen, holografischen Krallen aus Gel im Nail-Game auf. Acht davon glänzen regenbogenfarben. Meinen rechten Mittelfinger ziert ein Nazaar, damit Kartoffeln im Allgemeinen und Nazis im Speziellen kein Auge machen.

Auf dem zehnten Finger brennt eine Flamme als Reminder für AfD-Anhänger_innen, dass wir ihnen die nächsten Jahre die Hölle heiß machen werden. Mit diesen Nägeln werde ich sie zerstören: körperlich, diss_kursiv und emotional. Antifa ist Handarbeit.

Mittwochnachmittag schrei­be ich diesen Text und weiß: Wenn es in vier Jahren kein Deutschland mehr gibt, kann die AfD auch nicht wieder gewählt werden. Es gibt viel zu tun.

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Hengameh Yaghoobifarah
Mitarbeiter_in
Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.
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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ja, die Gewalt der Antifa ist wirklich schlimm. Da machen sich alle, die ganz friedvoll die Gewalt des Kapitalismus verteidigen, in einem dreihundertfünfundsechzigstel des Jahres in ihre rosa fairtrade-Schlüpfer aus Bio-Baumwolle, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, irgendwas von H&M und Bayer zu konsumieren, während an der Bushaltestelle die Hakenkreuze sprießen.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Da versucht man(n) als Queer-Feminist der Gewalt zu begegnen, indem man sie in ihren patriarchalen Bezügen darstellt und dann gibt es linke Frauen, die finden Gewalt genauso geil.

    Was ist eine Kartoffel, wenn damit kein Nazi gemeint ist? Damit ist ja auch nichts zu essen gemeint. So was soll dann antirassisch sein? Klingt für mich eher anti-rassitisch, wenn der Unterschied rüberkommt.

    Nicht-PoC können keinen Nazaar tragen das wäre laut Verfasserin ja eine koloniealistische kulturelle Aneignung. Was empfiehlt sie der Kartoffel-Frau von Welt stattdessen? Eine Bomberjacke aus kultureller Eigenproduktion?

  • Ein Hasskommentar par excellence!

    Schlimm, dass die Taz solchen Leuten eine Plattform bietet!!

  • Scheint viel Hass und Freizeit zu haben, die Autorin. Da wünscht man einer Gruppe alles schlechte, träumt von gelebter Militanz und wähnt sich auf einer Mission der guten edlen Ritter*innen die nun halt die anderen (also die Bösen) in jeder Richtung mit allen Mitteln fertigmachen.

     

    Ist eigentlich ein großes Virtue-Signaling Event, man signalisiert dass der Film Inglorious Basterds jeden Tag vor dem Schlafengehen angeschaut wird, man sich einen afrikanischen? Namen gibt (läuft dies eigentlich schon unter "cultural appropriation"?) alle Fanartikel der Linken mehrfach gekauft wurden, die Autorin eine brave Antifa*in ist, man Deutschland den Tod oder schlimmeres wünscht und man im generellen radikaler ist als andere. Ob die Sache nun einen Sinn hat oder nicht ist eigentlich wie bei allen Wahnideologien egal, Hauptsache man hat seine Mission, kann sich als derdiedas Radikalste von allen darstellen und betrachtet den restlichen Pflichtteil des Lebens (Erwachsenenreife, ordentlichen Miet/Kaufvertrag, Gelassenheit, Steuern etc.) als biederen Anachronismus dem eigentlich nur die Looser anhängen.

     

    Aber egal, so ist es mit den Deutschen:

    Entweder hat man sie zu den Füßen oder an der Gurgel: Die können nur extrem.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Wenn das ernst gemeint ist, und die Nägel wirklich existieren, in dieser Form und diesem Aussehen dann kann ich nur sagen:

    Es gibt keine Vorurteile, es gibt nur Bestätigungen!

     

    Frau, schalte mal das Denken ein!

  • Soll das irgendwie witzige Selbstverar***e sein? Liebe taz, bitte verschont uns doch mit diesem Schülerzeitungsniveau.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "It's been so long

    And I've been putting out fire with gasoline

    Putting out a fire with gasoline"

  • Irrtum, werte Hengameh Yaghoobifarah: „Punch a nazi“ ist nicht nur „kein Meme“, es ist auch kein „Lifestyle“. Es ist eine Diagnose. Und zwar eine, die Sie verdammt ernst nehmen sollten, wenn ihnen nicht nur ihre Freunde etwas wert sind, sondern auch Sie sich selber.

     

    Dass ihre teuer gestylten Nägel bis auf's Nagelbett abbrechen, wird nämlich nur das Erste sein was passiert, wenn Sie den Nazis damit „in Handarbeit“ (sprich: in deren eigener Manier) „die Hölle heiß machen“. Als nächstes werden Leute leiden müssen, die zufällig zwischen die Fronten geraten. Und schließlich werden ziemlich viele von denen Schaden nehmen, die Sie dringend brächten, wenn Sie Ihr „Wissen“ in die Praxis transferieren wollen.

     

    Mag sein, dass es „in vier Jahren kein Deutschland mehr gibt“, wenn alle so denken wie Sie. Mag sogar sein, dass dann „die AfD auch nicht wieder gewählt werden [kann]“. Nur: Sind Sie ganz sicher, dass Sie wirklich glücklicher sein werden, wenn es so weit ist? Haben Sie denn gar nichts gelernt aus dem Ukrainischen Euromaidan, dem Arabischen Frühling und all den anderen Frust-Revolten?

     

    Wenn ja – wieso, um alle in der Welt, müssen Sie dann unbedingt die Fehler fremder Leute wiederholen? Und wenn nein – warum, zu Henker, gehen Sie dann noch ins Nagelstudio und nicht in eine Bibliothek? Haben Sie etwa Angst davor, blöd dazustehen, wenn ihre vermeintlichen Freunde herausfinden, dass Sie eine Gesprächstherapie mitmachen?