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Kommentar Massenproteste in TogoAfrikas Jugend begehrt auf

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Jugend demonstriert in der Hauptstadt Lome, sie will dort wie andernorts autokratischen Machthabern beim Ausbau ihrer Macht Schranken setzen.

Proteste gegen die Regierung in der Hauptstadt Lome am Donnerstag vergangener Woche Foto: reuters

T ogo gehört zu den kleinsten Ländern Afrikas, aber was dort passiert, ist oft ein besonders krasser Vorbote für größere panafrikanische Trends. 1963 war Togo der erste postkoloniale Staat des Kontinents, dessen Unabhängigkeitsführer von Soldaten getötet wurde. Einer der Beteiligten, Eyadema Gnassingbé, putschte sich vier Jahre später selbst an die Macht und führte fast vierzig Jahre eine der repressivsten afrikanischen Diktaturen.

Nach seinem Tod 2005 sicherte sich sein Sohn Faure Gnassingbé das oberste Staatsamt und regiert bis heute. Unter Eyadema erlebte Togo in den 1990er Jahren einige der hartnäckigsten Streikbewegungen Afrikas. Nach dem Aufstieg seines Sohnes ließen über 800 Menschen bei Protesten ihr Leben.

All dies hat Togo, die einstige deutsche Westafrika-Kolonie, zu einem geschundenen Land gemacht – und es erklärt, warum so viele Togolesen heute so furchtlos auf die Straße gehen, um endlich einen Regimewechsel herbeizuführen. Und wieder einmal scheint die demonstrierende Jugend in Lomé ein Zeichen der Zeit erkannt zu haben.

In immer mehr Ländern Afrikas werden autokratischen Machthabern beim Ausbau ihrer Macht Schranken gesetzt – vom erfolgreichen Volksaufstand gegen den Langzeitherrscher von Burkina Faso 2014 über die erfolgreiche Militärintervention gegen den Diktator von Gambia Anfang dieses Jahres bis zur erfolgreichen Annullierung der Wiederwahl des Präsidenten Kenias durch das Oberste Gericht vor zehn Tagen.

Gerade die überraschende Wahlannullierung in Kenia ist ein Ereignis mit noch unabsehbarer, aber spürbarer Signalwirkung in ganz Afrika, eine Ermutigung derjenigen, die einen Rechtsstaat wollen. So manche Langzeitherrscher, beispielsweise in Kamerun oder in Simbabwe, sehen sich bereits mit wachsendem Unmut konfrontiert. Von den Gerichten Nairobis bis zu den Straßen Lomés wird in diesem Herbst 2017 afrikanische Geschichte geschrieben.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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1 Kommentar

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  • Es ist erfreulich, dass hier über diese Ereignisse berichtet wird, denn man wartet in diesen Tagen vergeblich auf eine Berichterstattung in den öffentlichen Medien, wie Fernsehen oder Radio. Die Wahrnehmung im Ausland ist aber die wirklich einzige Chance, dass dieses Regime sich nicht weiterhin in Sicherheit wiegen kann.

    Man sollte auch unbedingt heraus stellen, in welchem katastrophalen Zustand sich das Land befindet. Der Aufstand der Bevölkerung ist nicht in erster Linie politisch motiviert, es geht im Wesentlichen um die fehlende Perspektive, bedingt durch bittere Armut, fehlende Grundstrukturen wie medizinische Versorgung und die Machtsicherung des Regierungsclans durch Korruption, Unterdrückung, Willkür und Gewalt. Dass dieses Regime über Jahrzehnte nach außen demokratisch wahrgenommen wurde, und bis zuletzt auch von Deutschland finanziell Unterstützung fand, ist für die Bevölkerung ein weiterer Schlag ins Gesicht.