Kommentar Massenproteste in Togo: Afrikas Jugend begehrt auf
Die Jugend demonstriert in der Hauptstadt Lome, sie will dort wie andernorts autokratischen Machthabern beim Ausbau ihrer Macht Schranken setzen.
T ogo gehört zu den kleinsten Ländern Afrikas, aber was dort passiert, ist oft ein besonders krasser Vorbote für größere panafrikanische Trends. 1963 war Togo der erste postkoloniale Staat des Kontinents, dessen Unabhängigkeitsführer von Soldaten getötet wurde. Einer der Beteiligten, Eyadema Gnassingbé, putschte sich vier Jahre später selbst an die Macht und führte fast vierzig Jahre eine der repressivsten afrikanischen Diktaturen.
Nach seinem Tod 2005 sicherte sich sein Sohn Faure Gnassingbé das oberste Staatsamt und regiert bis heute. Unter Eyadema erlebte Togo in den 1990er Jahren einige der hartnäckigsten Streikbewegungen Afrikas. Nach dem Aufstieg seines Sohnes ließen über 800 Menschen bei Protesten ihr Leben.
All dies hat Togo, die einstige deutsche Westafrika-Kolonie, zu einem geschundenen Land gemacht – und es erklärt, warum so viele Togolesen heute so furchtlos auf die Straße gehen, um endlich einen Regimewechsel herbeizuführen. Und wieder einmal scheint die demonstrierende Jugend in Lomé ein Zeichen der Zeit erkannt zu haben.
In immer mehr Ländern Afrikas werden autokratischen Machthabern beim Ausbau ihrer Macht Schranken gesetzt – vom erfolgreichen Volksaufstand gegen den Langzeitherrscher von Burkina Faso 2014 über die erfolgreiche Militärintervention gegen den Diktator von Gambia Anfang dieses Jahres bis zur erfolgreichen Annullierung der Wiederwahl des Präsidenten Kenias durch das Oberste Gericht vor zehn Tagen.
Gerade die überraschende Wahlannullierung in Kenia ist ein Ereignis mit noch unabsehbarer, aber spürbarer Signalwirkung in ganz Afrika, eine Ermutigung derjenigen, die einen Rechtsstaat wollen. So manche Langzeitherrscher, beispielsweise in Kamerun oder in Simbabwe, sehen sich bereits mit wachsendem Unmut konfrontiert. Von den Gerichten Nairobis bis zu den Straßen Lomés wird in diesem Herbst 2017 afrikanische Geschichte geschrieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen