„Sechs nächtliche Anschläge“

PODIUMSDISKUSSION Faruk Arslan, Überlebender aus Mölln, berichtet von seinen Erfahrungen

■ Automechaniker und Pädagogik-Student, ist in der Anfang des Jahres in Bremen gegründeten antirassistischen Gruppe Ara aktiv.

taz: Nils, was haben die Möllner Molotow-Cocktails mit Bremen zu tun?

Nils: Namen wie Mölln oder Rostock-Lichtenhagen stehen für besonders schlimme Anschläge. Doch dabei fällt leicht hinten runter, wie viel Rassismus es auch sonst überall gab und gibt. 1992, als in Mölln drei Menschen verbrannten, gab es in der BRD 540 rassistische Brandanschläge, dazu wurden acht Sprengsätze gezündet. Das ist die andere, oft ausgeblendete Seite des Mauerfalls – die sicher auch ein Grund dafür ist, dass in den neuen Bundesländern heute weniger als zwei Prozent Menschen mit Migrationshintergrund leben, während es in den alten Bundesländern rund 20 Prozent sind.

Wie machte sich diese Seite des Mauerfalls in Bremen bemerkbar?

Hier gab es 1992 mindestens sechs nächtliche Brandanschläge, also Mordversuche. Schon vor Mölln wurde zum Beispiel in einer Schwachhauser Flüchtlingsunterkunft Feuer gelegt, was die Verhaftung von Hannes Ostendorf zur Folge hatte, dem Sänger der Nazi-Hool-Band „Kategorie C“, der immer noch im Umfeld der Bremer Nazi-Hooligan-Truppe „Standarte“ aktiv ist.

Zu Eurer Veranstaltung heute im Lagerhaus kommt auch Faruk Arslan, der in Mölln vor 20 Jahren seine Mutter, seine Tochter und eine Nichte verlor. Welche Bedeutung hat das öffentliche Gedenken für ihn?

Die Stimmen der Überlebenden wurden lange nicht gehört, der Erinnerungsdiskurs wurde von Politikern bestimmt. Faruk Arslan hat dazu sicher einiges zu sagen, auch zum Umgang mit den Angehörigen der Anschlagsopfer.  INTERVIEW: HB

Podiumsdiskussion: Heute um 20 Uhr im Lagerhaus Schildstraße. Am 11. November zeigt das Paradox eine Filmdokumentation über die Familie Arslan, am 17. 11. um 8.15 Uhr geht‘s ab Hauptbahnhof zur Gedenkveranstaltung in Mölln