Deutsch-türkische Beziehungen: Cavusoglu grüßt vom Balkon
Sigmar Gabriel will beim Treffen mit dem türkischen Außenminister die Wogen im Streit mit der Türkei glätten. Dieser hatte zuvor in Hamburg gesprochen.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat im Streit um verhinderte Wahlkampfauftritte Deutschland ein systematisches Vorgehen vorgeworfen. Zugleich betonte er am Dienstag in Hamburg vor dem am Mittwoch geplanten Treffen mit Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), dass Ankara gute Beziehungen zu Deutschland sehr wichtig seien.
Zuvor hatte Cavusoglu die Bundesrepublik mit Nazi-Deutschland verglichen und damit die Gräben vertieft. „Das ist ein total repressives System“, sagte er der Zeitung Hürriyet (Online). „Alle Praktiken ähneln denen der Nazi-Zeit.“
Am Dienstagabend trat Cavusoglu auf dem Balkon der Residenz des Generalkonsuls in Hamburg auf, nachdem mehrere Auftritte türkischer Minister mit Hinweis auf Sicherheitsgründe behördlich gestoppt worden waren. „Der Druck, der gegen die türkische Bevölkerung in Deutschland gemacht wird, ist nicht akzeptabel. Das tut man einem Freund nicht an“, sagte Cavusoglu in Hamburg. Er warf Deutschland „systematische Propaganda gegen unsere Veranstaltungen“ vor. Cavusoglu sagte: „Bitte versucht uns nicht in Sachen Menschenrechte und Demokratie eine Lehre zu erteilen.“
Gegendemonstranten und Sympathisanten
Schon bevor der Politiker am Dienstagabend um 19.05 Uhr seine Rede im Stadtteil Uhlenhorst begann, hatten sich dort nach Polizeiangaben 250 Gegendemonstranten, 350 Sympathisanten der türkischen Regierungspartei AKP und 850 Einsätzkräfte der Polizei versammelt. Ein ursprünglich in einem Veranstaltungssaal in Hamburg geplanter Wahlkampfauftritt Cavusoglus war von den kommunalen Behörden wegen mangelhaften Brandschutzes abgesagt worden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel rief angesichts des Streits zu Souveränität im Umgang mit der Türkei auf. Deutschland müsse den Konflikt mit Ankara um Wahlkampf-Auftritte türkischer Minister im Land aushalten, sagte die Kanzlerin am Dienstag in einer Unionsfraktionssitzung in Berlin nach Teilnehmerangaben. Es sei nicht klug, wenn Deutschland der Türkei die Einschränkung der Meinungsfreiheit vorwerfe und dann mit Einschränkung der Meinungsfreiheit antworte.
Die umstrittenen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland haben das Referendum am 16. April zum Thema, bei dem auch die rund 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei abstimmen dürfen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte in der Sitzung der Unionsfraktion den Angaben zufolge, dass Erdogan bewusst Provokationen anfache, um die Wahlbeteiligung der in Deutschland lebenden Türken zu erhöhen. Das Präsidialsystem würde die Macht des türkischen Parlaments deutlich schwächen.
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