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Soziale Ausgrenzung durch „Othering“Weg mit dem Müll

Eine offene Gesellschaft braucht die ehrliche und kritische Auseinandersetzung mit Stereotypen. Allerdings auch mit den eigenen.

Müllentsorgung im großen Stil Foto: photocase/prill

Es ist ein hoffnungsvolles Zeichen, dass so viele Frauen in den USA gegen Trumps Politik des Hasses und der Ausgrenzung auf die Straße gegangen sind. Und doch möchte ich diesen Text mit meinen Nachbarn beginnen. Im scheinbar Alltäglichen also, auch wenn um uns herum weitreichende Dinge geschehen. Ich glaube, daran etwas Bedeutendes zeigen zu können, für etwas, das mir am Herzen liegt: die offene Gesellschaft.

Meine Nachbarn – nennen wir sie Yılmaz – sind nach mir eingezogen. Und seit es sie gibt, wird die Wohnung gegenüber renoviert. Da stapeln sich zerlegte Schrankwände, Kartons, Verpackungen und volle ­Müll­säcke im Treppenhaus. Bis all das in der Tonne landet, vergehen oft Tage. Bisweilen kommt der Hausmüll hinzu. Der riecht.

Interessant ist an dieser Geschichte nicht der Müll im Hausflur. Interessant ist der Müll in meinem Kopf. Ich begann nämlich ziemlich bald, mich über die Nachbarn zu ärgern. Das ist spießig genug. Das Schlimmste aber war: Ich dachte etwas, das ich nicht denken will.

Und ich fragte mich, wie solche Gedanken in meinen Kopf kommen. Ich tippe auf Gewöhnung. Was man oft genug wiederholt bekommt, setzt sich unweigerlich fest. Wie ein hirnverbrannter Schlager, den man grauenvoll findet, aber trotzdem auswendig kann.

Was ich dachte, war: Typisch. Typisch, weil die Familie nebenan Yılmaz und nicht Müller heißt. Als gäbe es da einen Zusammenhang.

Gespräch

Objektiv weiß ich, dass nichts dafür spricht, dass insbesondere türkische Familien sich nicht für Müllentsorgung interessieren. Tatsächlich habe ich nie auch nur ansatzweise eine Erfahrung gemacht, die diesen Gedanken rechtfertigt. Trotzdem war er da, ploppte in meinem Gehirn auf, wie eine Luftblase, die sich im Schlick meines Unterbewusstsein gebildet hatte und nun an die Oberfläche stieg, mit einem fetten, schmatzenden Blub.

Um das hier vorwegzunehmen – auch weil ich fürchte, Sie könnten diesen Text nicht bis Ende lesen und ein Bild von mir behalten, das mir nicht gefällt: Gerade weil ich den Gedanken unerträglich fand, bin ich hinübergegangen und habe höflich gefragt, was mit dem Müll sei. Es war ein nettes Gespräch und Frau Yılmaz erklärte mir, dass die Familie den Schlüssel für den Hinterhof verloren habe, in dem die Mülltonnen stehen. Seither nutzen wir den Schlüssel gemeinsam.

taz.meinland

Was ist taz.meinland? Bis zur Bundestagswahl im September reist die taz durch meinland, deinland, unserland. An gut 50 Stationen machen wir Halt, um ins Gespräch zu kommen und für die offene Gesellschaft zu streiten.

Worum es aber geht, ist meine fast schon automatische Annahme, dass der Müll etwas mit der Ethnizität oder dem kulturellen Hintergrund meiner Nachbarn zu tun haben könnte. Ein Gedanke, den es in einer offenen Gesellschaft, in der alle als Gleiche unter Gleichen leben, nicht geben sollte.

Manche mögen diese Episode für banal oder nebensächlich halten. Ich erzähle sie trotzdem. Zum einen, weil ich vermute, dass ich mit solchen Gedanken nicht allein, sondern eher in der Mehrheit bin. Zum anderen, weil ich sicher bin, dass nicht alle Menschen klingeln gehen. Und schließlich, weil jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem wir etwas Wichtiges verstehen müssen:

Ganz egal, wo im politischen Spektrum wir stehen, ob links oder rechts, egal, wie gebildet oder ungebildet, privilegiert oder benachteiligt wir sein mögen, egal, wie aktiv wir uns um die offene Gesellschaft bemühen, niemand ist vor stereotypen Vorstellungen gefeit. Wir bekommen sie nämlich ständig ungefragt gesagt.

Vorurteilsgeladener Diskurs

Vom Opa in der Bahn, der über „die Ausländer“ schimpft, von der Nachbarin, die sagt „Ich bin so froh, dass Sie hier wohnen. Es ziehen ja kaum noch Deutsche ein.“ Von der Kollegin, die sich über „Roma-Familien“ echauffiert. Von der eigenen Familie, die ohne Sinn hetzerische Parolen gegen Geflüchtete nachplappert.

Das alles sind keine singulären Entgleisungen. Im Gegenteil: Sie sind der monoton brummende Bass, in einem nicht enden wollenden Track, den wir nur deshalb bisweilen überhören, weil uns die hetzerischen Parolen der Rechtskonservativen aus übersteuerten Boxen in den Ohren gellen.

Man muss diffamierenden Aussagen nicht im Geringsten zustimmen. Selbst wenn man jedes Mal zur mutigen Gegenrede ansetzt: Sie finden trotzdem ihren Weg in die Synapsen

Stereotype und rassistische Klischees bilden ein Grundrauschen in unserer Gesellschaft. Und machen wir uns nichts vor: Auch wenn politische Kräfte, wie die AfD oder der soeben vereidigte Präsident der Vereinigten Staaten alles daransetzen, das zu Recht Verpönte wieder salonfähig zu machen. Das Grundrauschen war immer da. Also fangen wir jetzt an, vor der eigenen Haustüre zu kehren, statt – so wie die US-Amerikaner – erst dann auf die Straße zu gehen, wenn es zu spät ist.

Das Fiese ist ja: Man muss diffamierenden Aussagen nicht im Geringsten zustimmen. Selbst wenn man jedes Mal zur mutigen Gegenrede ansetzt: Sie finden trotzdem ihren Weg in die Synapsen. Ein vorurteilsgeladener Diskurs setzt sich sogar in den Köpfen derer fest, die von den Vorurteilen betroffen sind.

So berichten in Deutschland lebende Muslime immer wieder davon, dass sie sich nach islamistisch motivierten Anschlägen irgendwo auf der Welt plötzlich in der Bahn vor muslimisch aussehenden Menschen fürchten. Absurd? Nein, das ist es, was rassistische Stereotype so toxisch macht. Sie bleiben hängen – ob wir wollen oder nicht.

Was also tun?

„Eigentlich muss man der AfD dankbar sein“, hat eine kluge Kollegin kürzlich zu mir gesagt. „Seit es die AfD gibt, wird Rassismus wenigstens thematisiert.“ Sie hat recht.

Blinde Flecken

Begreifen wir die gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Tage als Chance zu einem ehrlichen Umgang mit den verkorksten und hinderlichen Denkmustern, in denen wir uns seit Jahrzehnten bewegen. Als Chance, sich mit den blinden Flecken, die wir alle haben, zu beschäftigen. Klar ist auch: Es ist menschlich, die Welt in Vorurteilen zu begreifen. Es kommt darauf an, wie wir damit umgehen.

So bitter das ist: Andere Menschen von ihren festgefahrenen Ansichten abzubringen, ist fast unmöglich. Es werden also immer nur die Klischees und Stereotype in unseren eigenen Köpfen sein, die wir hinter uns lassen können. Aber wenn wir das hinkriegen, ist eine ganze Menge erreicht.

Die größte Hürde, die es auf diesem Weg zu nehmen gilt, hat mit dem englischen Begriff des „Othering“ zu tun. „Wenn eine Mehrheit eine Minderheit mit bestimmten Attributen belegt, sprechen postkoloniale AnthropologInnen von Andersmachung oder Othering“, schreibt der Zeit-Magazin-Journalist Mohamed Amjahid in seinem Buch „Unter Weißen“, das im Februar erscheint.

Und auch wenn hier eigentlich das Andersmachen von Migranten gemeint ist, so wenden wir diesen Mechanismus auch auf andere Gruppierungen an, mit denen wir nichts gemein haben wollen. Wir „othern“ auch „Rassisten“.

Welche Funktion diese Distinktion innerhalb der Gesellschaft erfüllt, zeigt die Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal an einem ganz anderen Beispiel. In ihrem Buch „Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens“ analysiert sie unter anderem die Kölner Silvesternacht 2015/16. Die Nacht also, in der es auf der Domplatte und im Hauptbahnhof zu zahlreichen sexuellen Übergriffen kam.

Racial Profiling

Begangen wurden diese Übergriffe „nicht von irgendjemandem“, wie Sanyal schreibt, sondern „von jemand ‚Anderem‘, genauer (aber nicht viel genauer) von arabisch und nordafrikanisch aussehenden Männern™ – wie die Bloggerin Nadia Shehadeh diese (neu) konstruierte Identität taufte“. Was sich sofort festsetzte, war „die Überzeugung, arabisch und afrikanisch aussehende Menschen™ seien sexistischer als ‚wir‘ “ – weshalb sie die Polizei, um „unseren“ Schutz bemüht, ein Jahr später in einem Anfall von Racial Profiling zu Hunderten vom Feiern abhielt.

Eine Form der Distanzierung, die äußerst praktisch ist, wenn man sich nicht mit dem gesamten sexistischen Potenzial unserer Gesellschaft befassen will, das fraglos weit über diese eine Nacht hinausreicht. Das „Böse“ wird dämonisiert und externalisiert. Was bleibt, ist die Überlegenheit, „besser“ und „nicht betroffen“ zu sein. Die Annahme, „wir“ hätten kein Problem.

Diesen Mechanismus wenden wir auch auf Rassismus an. „Die anderen“ sind in diesem Fall Menschen, die eine andere Gesinnung haben. Das „Pack“: Nazis und Glatzen, Rechtsradikale, Rechtspopulisten und „Islamkritiker“, kurzum all jene, die wir Linken als „das andere Lager“ verstehen.

Wir externalisieren etwas, das uns alle betrifft, statt zuzuhören, wenn uns von Ausgrenzung und Diskriminierung Betroffene darauf hinweisen, was ihnen widerfährt. Wir werfen ihnen vor, mit „Identitätspolitik“ den Rechten in die Hände zu spielen, statt zu begreifen, dass wir es sind, die mit unserer Angewohnheit, alles Böse weit von uns zu weisen und uns nicht zuständig zu fühlen, den Populisten den Weg bereiten.

Ausgrenzende Strukturen

Das alles macht es unglaublich schwer, wirklich gegen Rassismus vorzugehen. Wer gesteht sich und anderen schon gern ein, ausgrenzende, pauschalisierende und somit völlig ungerechtfertigte Gedanken zu haben, wenn dieses Label anschließend für immer an einem klebt?

Gerade wir Linken dürfen uns nicht, mit dem Finger auf andere zeigend, satt und zufrieden zurücklehnen und Rassismus nur „othern“. Wir müssen anfangen, den Müll vor unserer Haustüre in die Tonne zu werfen – indem wir die ausgrenzenden Strukturen, in denen wir alle leben und von denen die meisten von uns auf die eine oder andere Weise stillschweigend profitieren, thematisieren. Beginnen wir also heute noch mit einem ehrlichen, selbstkritischen Dialog.

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30 Kommentare

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  • Der Kommentar ist nett gesschrieben, geht aber im Kern am eigentlichen Dilemma vorbei. Es gibt Statistiken, die bestimmte negative Eigenschaften ungleich verteilen. Christen begehen statistisch weniger islamistische Anschläge als Muslime. Wer diese Statistiken verleugnet oder bereits diese als Vorurteil ablehnt, ist einfach nur dumm.

    Rassistisch werden wir nicht mit der einen oder anderen unangenehmen Statitik. Rassistisch werden wir, wenn wir eine statistische Häufung auf einzelne Menschen beziehen. Die Zugehörigkeit zu einer wie auch immer definierten Gruppe (Frauen, Männer, Muslime, Christen, Ausländer, Flüchtlinge etc.) darf nicht zu einem Vorurteil über eine Person führen.

    Es geht also nicht darum, negative Stereotype durch positive Klischeebilder zu ersetzen - nicht die "kriminellen Flüchtlinge" der AfD durch die "edlen Flüchtlinge" und auch nicht die "dumme Blondine" durch das "kluge Mädchen vs die dummen Jungs". Damit vertauschen wir nur die Gruppen im Diskriminierungskarusell. Es geht darum, die Einzelpersonen zu sehen.

    Genau da ist dann das Vorgehen der Autorin richtig: Nachfragen anstatt Vorurteilen zu folgen - ganz egal, ob diese Vorurteile eine statische Wahrheit haben oder nicht.

  • " Man selber geht deshalb nicht gleich hin und sagt was , weil man nicht kleinlich sein will, man versucht estmal andere "Sitten" zu tolerieren, bis es wie hier riecht..."

     

    Und das ist, so wie ich es beobachtet habe, ein Fehler bei den Autochthonen in Deutschland. Sie sind nicht in der Lage, klar zu benennen, was sie stört. Sie denken, irgendeine Obrigkeit wird da zuständig sein anstatt wie die Autorin selber tätig zu werden. Ich würde bei dem Gespräch auch noch klar sagen, dass sie sich dann vorher melden soll, wenn so etwas passiert. Aber die meisten Deutschen sind zu doof dafür.

    Hoffentlich nehmen die Allochthonen diese deutsche Eigenschaft nie an.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      ...denn bereits 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung (und wohl auch schon viel früher) lebten z.B. Menschen aus der heutigen Schweiz im heutigen England.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      "Autochthone"... die gibt's vielleicht beim Wein, aber bestimmt nicht bei Menschen.

    • @Age Krüger:

      Wieso ist es auf linker seite eigentlich völlig legitim alle deutschen über einen kamm zu scheren wenn man auf anderer seite so hoch sensibel ist?

      sind die ein mensch der andere menschengruppen eben nicht in ihrer gesamtheit verurteilt oder sind sie ein mensch der andere je nach herkunft über einen kamm schert ( oder eben nicht ) ?

      was unterscheidet sie persönlich von einem menschen der agt "alles moslems sind .." "alle schwulen sind ..." "alle XY sind bla blub"

      ??

      • @Fin Ekksen:

        Nur die Kleinigkeit, dass Deutsche in Deutschland im Gegensatz zu Moslems, Schwulen und Ihre XYs keine Minderheit sind, sondern eine fette Mehrheit.

        Und evtl. noch, dass ich doch tatsächlich schrieb, "die meisten Deutschen". Und nach über 55 Jahren Lebenserfahrung in Deutschland kann man schon mal so eine Aussage treffen imo.

         

        Ob Heinrich Mann z.B. ein Rassist war, als er "Der Untertan" schrieb, will ich nicht beurteilen. Aber noch was: Ebenso wie die Autorin des Artikels habe ich selbstverständlich rassistische Punkte in meinen Denkstrukturen. Die hat jeder. Die meisten haben aber auch noch ein Großhirn, das ihnen erlaubt, sich darüber Gedanken zu machen, ob das Denken in den Kategorien der Sippe immer noch zeitgemäß ist.

         

        Ich widerspreche btw der Autorin auch deutlich, dass ich nicht diese Gedanken haben dürfe. Die Gedanken sind frei. Zu fordern ist einfach eine Form der Selbstreflexion und im HANDELN nicht rassistisch zu sein.

  • "Manche mögen diese Episode für banal oder nebensächlich halten."

     

    Richtig! Banal, nebensächlich und möglicherweise auch schlecht erfunden: Regelmäßig stinkt Hausmüll tagelang im Treppenhaus, weil jemand den Schlüssel zum Hinterhof, wo der Mülleimer steht, verloren hat? Und das Problem wird nicht etwa durch Neuanfertigung eines Schlüssels gelöst, sondern indem man einen vorhandenen Schlüssel gemeinsam benutzt? Kommt mir vor wie ein "modernes Gleichnis" aus der Predigtdatenbank für Pfarrer.

     

    Wenn ich nicht aufpasse, werde ich noch zum "Otherer" gegenüber sämtlichen Schlüsselbenutzern in dieser Story und hoffe händereibend, dass der vorhandene Schlüssel endlich auch verschlampt wird. Was dann? Ach natürlich, kein Problem für die gebeutelte Hausgemeinschaft; irgendwann, nachdem es wieder schön müffelt im Treppenhaus, wird ein freundlicher dritter Nachbar seinen Schlüssel zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stellen.

     

    Ich freue mich schon auf die Fortsetzung!

  • Die Anderen. Nur jeder der es akzeptiert dass auch nur er selbst sich seiner einzig und allein gleich ist, akzeptiert das es Andere gibt und diese Anders sind. Ein "auch" brauch ich nicht als solches hinzuzufügen.

     

    Hat man diese Erkentniss nicht, so hat man ein Problem mit sich selbst.

    Dieses Problem im Kollektiv kann, wie auch die Geschichte uns bezeugt, zu verheerenden Schäden führen und vieles zerstören.

     

    Also, du anders, ich auch. Rede mit mir darüber, dann klappt's auch. Nicht nur mit dem Nachbarn.

  • Ich habe Türken erlebt, die ihre Kinder nicht auf Schulen schicken wollen, in denen viele Türken sind. Welches "Othering" ist das denn?

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Jürgen Matoni:

      Wahrscheinlich ökonomisch bedingtes Othering.

  • Es gibt ganze Stadtviertel in Deutschland, in denen sehr viele Einwohner anscheinend den Schlüssel zum Hinterhof verloren haben.

  • Es ist tragikomisch zu sehen wie sich Menschen gegen allzu Menschliches wehren. Wir bilden Gruppen und damit schließen wir naturgemäß andere aus. Das wollen sie den Menschen austreiben. Das ist ungefähr der Versuch Zahnpasta in eine Tube zurückzudrücken, nur nicht ganz so erfolgreich.

     

    Wir können uns nur so annehmen wie wir sind: Als gruppenbildende, soziale Wesen, die im besten Falle mit anderen Gruppen gut auskommt und für Konflikte einen sportlichen, menschlich greifbaren Rahmen schafft. Wenn Sie hier wieder nur Krieg sehen, dann müssen Sie ihr Köpfchen anfangen stärker auszulasten. Schon alleine für unser aller Überleben. Ansonsten viel Spaß beim Othering (geiles Wort!).

  • Interessant! Gedankenpolizei bei sich selber spielen. Klingt bisschen shizo. Bei uns wird auch im Treppenhaus alles geklaut was nicht bei 3 auf dem Baum ist. Mir schon 3 Fahrräder und alles von der Migrantenfamilie die auch ihren Müll von ihrem Gemüseladen im Innenhof verklappt sodass man kaum mehr laufen kann und die Ratten bis in den fünften Stock hochkrabbeln. Und darüber darf man sich also nicht mehr aufregen?

    • @Jenny Berend:

      Selbstverständlich dürfen Sie sich aufregen, werte JENNY BEREND. Worüber immer Sie wollen. Dies ist schließlich ein freies Land.

       

      Im Interesse Ihrer Gesundheit und meiner Lebensqualität empfehle ich Ihnen allerdings, es nur dann zu tun, wenn Sie vorhaben, den so erzeugten Schwung anschließend kreativ zu nutzen, um das erkannte Problem einer nachhaltigen Lösung zuzuführen – und zwar vorzugsweise einer friedlichen, mit der alle Parteien einverstanden sein können.

       

      Alles andere ist nicht so zu empfehlen. Angestaute Wut kann nämlich zum Herzinfarkt und anderen schlimmen Krankheiten führen – oder zur irrtümlichen Stimmabgabe an eine rechtsextreme Partei, die öffentlich behauptet, jedes Problem ließe sich mit Baseballschlägern oder Atombomben lösen. Das könnte nämlich früher oder später wieder in Bilder münden, wie wir sie schon aus Dresden oder Hamburg 1945 kennen und eigentlich nicht lieben sollten.

      • @mowgli:

        Müssen Sie - auf Teufgel komm raus - die Nazi-Keule schwingen?

        • 2G
          2730 (Profil gelöscht)
          @Jürgen Matoni:

          ...die kann nicht anders...

  • Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung ...

  • Ich bin für Hinweise aus der Selbsterkenntnis wie diese besonders dankbar. Wer so etwas selbst erlebt, ist für mich glaubwürdiger in seinem Urteil als all die elaborierten empörten und oft verbitterten Inhaber des Urteils, welches nur an anderen gebildet und formuliert wurde - und solange die Anderen Fehler machen, brauche ich keine Reflexion über meine Denkmuster?.

  • Links und Selbstkritisch , jetzt bin ich wirklich erschüttert. Wenn ich dann einen ganz , ganz üblen Moment habe....Denk ich, Der AFD sei Dank.

    • @Voilodion:

      "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." Friedrich Hölderlin, Patmos :-)

       

      Der Mensch ist - wie alle Lebewesen, die die Evolution hervorgebracht hat - eine Problembewältigungsmaschine. So lange er nicht vollständig versagt dabei, bleibt seine Art am Leben.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Stereotype und rassistische Klischees bilden ein Grundrauschen in unserer Gesellschaft."

     

    Ich habe paar sehr liberale Bekannte in den USA, die unter ihren 300+ Facebook-Freunden keinen einzigen Afro-Amerikaner haben. Jemand hat richtigerweise gesagt, die Tatsache, dass man mit seiner mexikanischen Putzfrau Juanita morgens ein kurzes Pläuschen hält, bedeutet noch lange nicht, dass man dieses "Othering" abgelegt hatte. Spätestens, wenn eigene Kinder eingeschult werden sollten, sucht man doch getrennte Welten. Ist hierzulande nicht viel anders. Unabhängig von hochtrabenden Sprüchen oder politischer Orientierung.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Ist so, ja, muss aber nicht so bleiben. Was ist schon ewig in unserer Welt?

       

      Die Selbsterkenntnis scheint mir im Übrigen tatsächlich der kürzeste Weg ans Ziel zu sein. Kürzer jedenfalls, als der, der über die lediglich gut gemeinten (und womöglich gar mit irgendwelcher Gewalt gekoppelten) Lektionen fehlerfreier Besserwisser führt.

  • Wieso ,frage ich mich, können Leute, Nachbarn, vielleicht hier sogar Eigentümer , die fähig sind, umzubauen, sich nicht um eine Schlüsselkopie kümmern oder den Nachbarn (vorausschauend) sagen, dass sie den schlüssel nicht mehr haben? Manchmal "provozieren " die anderen auch eine Reflexreaktion, wenn sie nicht merken, nicht spüren, dass sie zumindest mal was sagen sollten ("es gibt ein Problem" oder was auch immer) Man könnte das Bringschuld nennen. Zuviel verlangt? Man selber geht deshalb nicht gleich hin und sagt was , weil man nicht kleinlich sein will, man versucht estmal andere "Sitten" zu tolerieren, bis es wie hier riecht und wenn man dann noch nichts sagt, ist die sogenannte Othering-Reaktion (Türken sind ...) das naheliegende.

    • @Wolfgang Hanspach:

      Hätten sie sich ernsthaft und nicht nur rhetorisch gefragt, wieso Leute, die umbauen können, nicht auch eine Schlüsselkopie machen lassen können, wären Sie vielleicht selbst drauf gekommen:

       

      Weil sie entweder a) kein Geld übrig oder b) keine Zeit haben, zum Schlüsseldienst zu gehen.

       

      Weil ich selbst schon mehrfach renoviert habe, weiß ich, dass mitunter sehr seltsame Prioritäten setzt, wer sich selbst überfordert. Setze ich mir Ziele, die zwei Nummern zu groß sind für mich, komme mitunter auch ich nicht mehr gut klar mit meinem Alltag. Blöd ist das ganz besonders dann, wenn ich mir von der Erreichung meiner Super-Ziele genau das verspreche, was ich mir ruiniere mit meinem Aktionismus: die Akzeptanz meiner Mitmenschen.

       

      Ja, das mit der "Bringschuld", die andere Leute angeblich haben (man selber aber lieber nicht), ist tatsächlich "zu viel verlangt". Und zwar schon deswegen, weil die meisten Leute (Sie vermutlich eingeschlossen) um alles, was nach Schuld klingt, einen riesigen Bogen machen. Das haben sie nun einmal so gelernt im Rahmen ihrer autoritären Erziehung. Schuld ist gleich aua - und also zu meiden.

      • @mowgli:

        Was bitte genau, wollten Sie mit dem länglichen Zusatzreferat zum Ausdruck bringen? Schuld ist der Überbringer der Nachricht?

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    „Ein Gedanke, den es in einer offenen Gesellschaft, in der alle als Gleiche unter Gleichen leben, nicht geben sollte.“

     

    Sehen Sie den gigantischen Widerspruch in diesem Satz nicht? Eine offene Gesellschaft ist eine die Unterschiede aushält. „Gleiche unter Gleichen“ sind wir vor dem Gesetz aber doch nicht im direkten Kontakt.

    Ihr Anspruch ist unmöglich zu erfüllen, wie z.B. auch das neunte oder zehnte Gebot „Du sollst nicht begehren deines Nächsten,… Weib, Haus, Knecht,…“. Man kann von jemandem nicht ernsthaft erwarten etwas nicht zu denken oder zu wollen, das höchste was überhaupt erreicht werden kann ist das man aus diesem Begehren keine unmoralische Handlung entstehen lässt.

     

    Die Angst vor dem Fremde, vor dem der anders Aussieht und sich anders gibt als man selber ist eine sehr alte Angst. Die sitzt tief und man muss nicht darauf hingewiesen werden um sie zu haben. Das was einst ein sinnvoller Schutzmechanismus war hindert uns nun aber wenn überhaupt wird sich das nur über einen sehr langen Zeitraum auflösen. Und sehr lang meine ich hier im Evolutionären sinne.

     

    Eine offene Gesellschaft kann es nur dann geben wenn man die Menschen unterschiedlich sein lässt und das heißt auch das man am Ende unterschiedliche Ergebnisse zulassen muss. Das ist nun wirklich keine Stärke der Linken. Deshalb bin ich immer eher skeptisch wenn hier von einer offenen Gesellschaft gesprochen wird. Am Ende des Tages ist für viele hier Gleichheit doch viel wichtiger als die individuelle Freiheit, welche eine offene Gesellschaft erst möglich macht.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Ich schätze, JANUS, Sie haben eine andere Vorstellung als Marlene Halser davon, was es bedeutet, "Gleiche[r] unter Gleichen zu sein".

       

      Gerade "im direkten Kontakt" ist Gleichheit wichtig. Und zwar in exakt dem Sinn, in dem es sie auch vor Gericht gibt: Wer nicht schuldig wird, der darf auch nicht bestraft werden. Was nicht verboten ist (oder verboten sein müsste, weil es ein Menschenrecht gefährdet), das muss erlaubt bleiben. Jeder aber, dem etwas vorzuwerfen ist, muss eine Chance kriegen, sich dazu zu erklären.

       

      Dass dieser "Anspruch [...] unmöglich zu erfüllen [ist]", glaube ich nicht. Sie sagen selbst: Was einer denkt, ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass er sich mit seinem Begehren (selbst-)kritisch auseinandersetzt und sich im Zweifel entscheiden kann, ihm nicht (gleich) nachzugeben. Dass die aktuellen Moral-Kanons irgend einer gerade herrschenden Autorität Richtmaß und Kompass sein können, glaube ich aber nicht. Mir schwebt eher die Charta der Vereinten Nationen vor.

       

      Würde (fast) niemand mehr aus einem eventuellen Begehren eine „unmoralische Handlung entstehen" lassen, bräuchten wir übrigens keine Staatsmacht mehr. Dann wäre der Nationalismus tot und die Gesellschaften könnten sich tatsächlich öffnen. Jeder könnte in all seiner Individualität Gleicher unter Gleichen sein. Niemand müsste mehr mit dem Sonderrecht ausgestattet werden, andere gewaltsam zu unterdrücken. Die Frage ist nur, wie wir da hin kommen.

       

      Ich gebe zu: Das alles klingt nach Utopie. Aber jede Utopie basiert auf Realitäten. Momentan glauben die meisten Menschen noch, sie würden unweigerlich zu kurz kommen, wenn sie sich nicht in den Vordergrund drängeln. Solche Ängste aber kann die Menschheit überwinden. Die (materiellen) Voraussetzungen dafür sind längst gegeben. Nur die organisatorischen nicht. Das müssen wir aufzeigen. Dann braucht die Gleichheit uns auch keine Angst mehr machen. Dann können wir sie endlich richtig wollen.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        Gleichheit halte ich in diesem Kontext für das gänzlich falsch Wort. Gleiche Rechte oder Ansprüche hat man vor dem Gesetz. Untereinander hängt das was man anderen Menschen zugesteht und zugestanden bekommt sehr von Faktoren ab die extrem subjektiv sind. Daran kann man nicht ernsthaft etwas ändern wollen. Das wäre unmenschlich.

         

        Der Anspruch den Frau Halser da formuliert halte ich deshalb für unmöglich zu erfüllen, weil sie ihn auf das Begehren, bzw. den Gedanken bezieht und nicht auf das daraus resultierende Handeln. Und klar das Handeln ist es das den Unterschied macht.

        Jemand der Gedanken wie Frau Halser hat ist kein Rassist. Jemand der sich gänzlich von diesen Gedanken leiten lässt und sie zum Zentrum seiner Weltanschauung macht ist ein Rassist.

         

        "Würde (fast) niemand mehr aus einem eventuellen Begehren eine „unmoralische Handlung entstehen" lassen, bräuchten wir übrigens keine Staatsmacht mehr."

         

        Ja das ist wohl richtig aber so ist der Mensch nicht. Der Mensch ist nicht von Natur aus gut oder böse, er ist beides gleichzeitig. Er ist das einzige Tier das in der Lage ist Gutes oder Böses zu tun.

        Ein Hai der jemanden langsam bei lebendigem Leibe verspeist ist nicht böse, er tut das nicht damit der Mensch leidet, sondern weil er ein Hai ist und Nahrung braucht.

        Menschen haben das am weitesten entwickelte Selbstbewusstsein von allen Tieren. Wenn ich weiß was mir weh tut dann weiß ich auch was dir weh tut (generell gesagt) und wenn ich dieses Wissen nutze um dir Leid zuzufügen, um des Leides willen dann bin ich böse.

        Weil Menschen dieses Wissen haben und es instrumentalisieren können halte ich es für ausgeschlossen das wir jemals in einer Gesellschaft leben werden die ohne Staatsmacht auskommt.

         

        "Dann braucht die Gleichheit uns auch keine Angst mehr machen. "

         

        So lange der evolutionäre Prozess funktioniert wird es immer Ungleichheit geben.

  • "Worum es aber geht, ist meine fast schon automatische Annahme, dass der Müll etwas mit der Ethnizität oder dem kulturellen Hintergrund meiner Nachbarn zu tun haben könnte."

     

    Der Müll ist ein problematiches Beispiel. Aber alle Verhaltensweisen, Einstellungen, Werte, Normen werden selbstverständlich sehr stark - auch - vom kulturellen Hintergrund geprägt. Das ist Fakt. Wenn jemand die Geographie ändert, heißt das wiederum nicht, dass er seinen Prägungen deshalb verliert.

     

    Das haben doch auch Studien längst herausgefunden. Ich erinnere an die gewaltorientierten Männlichkeitsnormen bei türkischen Einwanderern, Quelle Kriminalforschungsinstitut Hannover, Prof. Pfeiffer.

     

    Die gleichen Studien haben später auch herausgefunden, dass solche Normen und Einstellungen in Bewegung sind und zwar durchaus auch ins Positive.

     

    Fazit: Gleiche unter Gleichen gilt nur für den Rechststaat. Ansonsten gibt es natürlich auch kulturell verursachtes Verhalten.

    • @Kapiert:

      Sie irren sich, werteR KAPIERT: Der Müll ist kein "problematisches Beispie"“ sondern ein ganz wunderbares.

       

      Müll ist das, was uns nicht nur an an den anderen stinkt, sondern auch an uns selbst. Das, was niemand völlig vermeiden kann, was aber – wie wir mühsam genug haben lernen müssen – korrekt entsorgt werden sollte, damit es nicht zur Katastrophe kommt.

       

      Überall ist Müll. In den Wohnungen, in den Köpfen, in den Organisationen – Müll entsteht überall da, wo Energie umgewandelt wird. Das Perpetuum mobile ist bisher leider nicht erfunden worden. Wo immer Leben stattfindet, gibt es also auch Abfallprodukte, die dem Produzenten nicht mehr direkt nützen können.

       

      Was als Müll angesehen wird, ist leider – autoritätsbedingt – sehr unterschiedlich. Das macht ja das Zusammenleben der einzelnen Kulturen so vergleichsweise kompliziert. Die einen sagen so, die anderen sagen so. Aber alle begründen ihre eigene Aussage mit einer schlimmen Gefahr, die droht, wenn man ihnen nicht sofort glaubt. Normen sind also häufig sehr stark angstbesetzt.

       

      In vielen Zusammenhängen hat der Mensch trotzdem schon gelernt, seinen Abfall sinnvoll zu verwerten. Er steigert beispielsweise die Fruchtbarkeit seiner Äcker damit, er macht Strom daraus oder eine Patchwork-Decke. Nur an den Müll in den Köpfen ist er bisher nicht so richtig ran gegangen. Der Kopf scheint irgendwie tabu zu sein. Warum, sollte man bei Gelegenheit vielleicht mal diskutieren.