„Bild“ empört sich über Sexismus: Wer im Glashaus sitzt

Ausgerechnet die „Bild“ macht sich Sorgen: Diesmal ist es das Frauenbild von Flüchtlingen, das schnellstens auf den Prüfstand gestellt werden sollte.

Ein Screenshot von Bild.de zeigt die Überschrift "Ist das Frauenbild der Flüchtlinge ein Problem?"

Wie steht es um das Flüchtlingsbild der „Bild“-Zeitung? Screenshot: bild.de

BERLIN taz | „Ist das Frauenbild der Flüchtlinge ein Problem?“ – Dieser Frage ging die Bild-Zeitung am Mittwochmorgen nach. Seit dem Mord an einer Studentin in Freiburg und den Vergewaltigungen an zwei chinesischen Studentinnen in Bochum wird die Debatte um eine potenzielle Gewalt, die von (männlichen) Flüchtlingen ausgehe, wieder hitzig geführt.

Die mutmaßlichen Täter stammen aus Afghanistan und dem Irak. Vor allem diese Tatsache sorgt in der Bild-Zeitung für Aufregung – stammen die Flüchtlinge doch aus muslimischen Herkunftsländern. Das alleine reicht wohl schon für die These des gemeinsamen „Kulturkreises“ der Täter. Ein Kulturkreis also, in dem ein bestimmtes Frauenbild die Gefahr von sexuellen Gewaltdelikten begünstigt?

Auf die Frage der Bild, ob es hier einen Zusammenhang gäbe, kommt dann auch ein Experte schnell zum Schluss, dass Flüchtlinge ein Frauenbild haben müssen, das es „hier nicht gibt“. Auch der von der Bild konsultierte Islamforscher vermutet, dass das „freizügige“ Verhalten von Frauen in Deutschland gar zu einem „Kulturschock“ bei muslimischen Männer führe. Der nämlich wäre dann verantwortlich dafür, dass Flüchtlinge Frauen als „Freiwild“ ansehen, als Sexobjekt.

Solche Fragen kann man sich natürlich stellen. Das traditionelle Frauenbild, das im Koran vermittelt wird, widerspricht der Vorstellung einer aufgeklärten, modernen Frau signifikant. Die enge Auslegung von Gesetzen, die sich oft sehr nah am Wortlaut des Korans orientieren, führt in einigen muslimischen Ländern zu patriarchalischen Gesellschaftsformen, in der Frauen zu Gehorsam und Demut gezwungen werden.

Doch ist jetzt neuerdings die Bild-Zeitung die Verteidigerin der emanzipierten, gleichberechtigten Frau? Wohl kaum, fällt sie doch eher durch ihre oft sexistische und voyeuristische Berichterstattung auf.

Frauen als Sexobjekt – damit kennt sich die Bild gut aus

Nacktheit, Freizügigkeit, Sexualität und Schutzbedürftigkeit sind Themen, die die Bild-Zeitung in ihrer Berichterstattung über Frauen in den Fokus stelllt. Zu Sexismus-Debatten äußert sie sich gespielt empört – um dann den Artikel mit Nacktfotos von Geschädigten zu ergänzen. So forciert sie bewusst die klassischen Rollenbilder – die „Bild-Girls“ lassen grüßen.

Und das ist durchaus ein Problem, auch abseits von moralischen oder ethischen Fragen: So haben Forscher herausgefunden, dass die Bereitschaft zur Gewalt bei Männern steigt, die Frauen als Lustobjekt sehen – ein Stereotyp, der von der Bild regelmäßig bedient wird. Die Bereitschaft zur Gewalt gegen Frauen hat also auch mit dem Verhältnis von Macht und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu tun.

Ebenso wie die jüngst veröffentlichte BKA-Studie zu Partnerschaftsgewalt zeigt, dass Gewalt gegen Frauen überall präsent ist: 2015 wurden in Deutschland 127.500 Gewaltdelikte verübt. In 82 Prozent der Fälle waren die Opfer Frauen. In den insgesamt 331 Fällen des versuchten Mords und Totschlags starben 131 Frauen, 200 überlebten. In 72 Prozent der Fälle sind die Tatverdächtigen Deutsche.

Die Debatte, die die Bild-Zeitung führt, ist eine Scheindebatte. Auf dem Onlineauftritt der Bild-Zeitung gehört der Artikel zu den am meisten geklickten Artikeln des Tages. Grund zur Freude für die Redaktion – ihre Rechnung geht wieder einmal auf.

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