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Kolumbianischer General über Frieden„Wir haben in Havanna gewonnen“

Javier Flórez hat für die kolumbianische Regierung das Abkommen mit der Farc mitverhandelt. Der General über die Herausforderungen des Friedensprozesses.

General Javier Flórez Foto: Sebastian Erb
Sebastian Erb
Interview von Sebastian Erb

taz: Herr General Flórez, Sie haben die Farc mehr als ihr halbes Leben militärisch bekämpft. Wann haben Sie zum ersten Mal daran gedacht, dass die Lösung des Konflikts durch Verhandlungen erzielt werden könnte?

Javier Flórez: Als Chef des Vereinigten Generalstabes wurde ich zusammen mit den anderen Kommandeuren der Armee in den Präsidentenpalast gerufen, das war im August 2014. Präsident Santos fragte mich: „General Flórez, hat man Sie schon informiert, was Ihre neue Aufgabe ist?“ Ab morgen, sagte er, solle ich bei den Verhandlungen in Havanna die Unterkommission zum Konfliktende leiten. Ich bin erstmal raus, habe geraucht und ein paar Kaffee getrunken. Ich hatte viele widersprüchliche Gedanken in meinem Kopf. Aber am Ende würde es den Streitkräften und der kolumbianischen Gesellschaft zu Gute kommen, wenn ein finales Abkommen erreicht werden würde. Also habe ich die Herausforderung angenommen. Manche in der Armee haben mich einen Verräter genannt.

Sie saßen dann also Männern, mit denen sie sich jahrzehntelang bekriegt haben, am Verhandlungstisch gegenüber. Wie war das?

Der Gedanke daran war nicht leicht. Ich habe die Farc fast 40 Jahre bekämpft und jetzt soll ich mich hinsetzen, ihnen in die Augen schauen und die Hand schütteln? Glücklicherweise haben am Vortag die beiden Exgeneräle, die schon länger mitverhandelten, mir von ihren Erfahrungen erzählt. Als ich dann durch die Tür in den Sitzungssaal ging, habe ich mir ein Herz gefasst und sie als Ehrenmann begrüßt. In diesem Moment war das Eis gebrochen. Ich habe sie mit Respekt behandelt und Respekt von Ihnen erwartet – und so war es dann auch. Wir haben auf dem Schlachtfeld gewonnen und wir haben auch in Havanna gewonnen, weil wir ein großartiges Abkommen erreicht haben mit einem endgültigen Waffenstillstand und der Entwaffnung der Farc, die innerhalb von sechs Monate ihre Waffen abgeben muss und dann als politische Partei ihre Ideen frei verbreiten kann.

Die Verhandlungen zum Waffenstillstand und zur Entwaffnung dauerten fast zwei Jahre. Was war das Schwierigste daran?

Eine Herausforderung war ohne Zweifel, dass zur selben Zeit die Armee in Kolumbien gegen die Farc kämpfe und in Havanna mit ihnen über den Frieden sprach. Im vergangenen Jahr gab es einen einseitigen Waffenstillstand der Farc, und wir konnten beobachten, dass der Konflikt eine andere Dynamik bekam, weil es keine Kämpfe mehr gab und nur noch wenige Zwischenfälle. Ich war sehr überrascht, als wir zum ersten Mal in die geplanten Entwaffnungszonen gereist sind. Ich sah dort Soldaten in Uniform und Guerilleros in Zivil, die sich einander mit Respekt begegneten. Da wusste ich, dass es funktionieren wird.

Warum hat es nicht früher geklappt? Drei Verhandlungen mit der Farc sind in den vergangenen Jahrzehnten gescheitert.

Die Verhandlungen sind gescheitert, weil das mit dem Waffenstillstand und Entwaffnung unmöglich war. Die Farc hatte eine völlig unterschiedliche Vorstellung: Sie wollten die Waffen erst abgeben, wenn der Vertrag vollständig implementiert ist, also zehn Jahre später. Als die Farc sich dieses Mal an den Verhandlungstisch setzten, waren sie militärisch ziemlich reduziert. Mit der Strategie der „Demokratischen Sicherheit“ haben wir diesen Friedensprozess überhaupt erst erreicht. Von 26.000 Kämpfern sind nur noch knapp 6.000 unter Waffen. Die Farc stand nicht nur einer sehr professionellen Armee gegenüber, sie hatte auch interne Probleme. Ihr war einfach klar, dass sie nicht noch weitere 50 oder 100 Jahre kämpfen könne, um an die Macht zu kommen.

Im Interview: 

ist General der kolumbianischen Armee. Der 59-Jährige war als Leiter einer Eliteeinheit unter anderem an der Tötung des Farc-Anführers "Mono Jojoy“ beteiligt. Im August 2014 ernannte ihn Präsident Santos zum Chef des „Strategischen Übergangskommandos“. Flórez war bei den Friedensverhandlungen auf Kuba für die Punkte Waffenstillstand und Demobilisierung der Farc-Guerilla zuständig.

In der Zeit der harten Hand gegen die Rebellen wurden auch mindestens 3000 unschuldige Männer als sogenannte „Falsos positivos“ von Soldaten getötet. Jetzt soll eine Wahrheitskommission herausfinden, was im Konflikt alles passiert ist. Haben Sie Sorgen, dass da neue Details oder weitere Schreckenstaten der Armee ans Licht kommen?

Wir führen unsere Militäroperationen immer nach der Maßgabe des Oberkommandierenden aus und das ist der Präsident. Es gibt keine Politik, nach der Menschenrechte verletzt werden sollen. In einem Konflikt von 52 Jahren kann es natürlich einige Personen innerhalb der Armee gegeben haben, die Fehler begingen. Das haben wir nie vertuscht. Die Fehler, die sie begangen haben, werden untersucht und die Schuldigen bestraft. (Laut Menschenrechtsorganisationen waren auch hohe Offiziere in die Tötungen verwickelt, die meisten Fälle blieben straffrei, d. Red.) Es gibt keine Falsos Positivos an sich und es gibt keine Politik der Streitkräfte in dieser Hinsicht. Wenn es Exzesse eines Mitgliedes der Streitkräfte innerhalb des Konfliktes gab, werden sich unsere Männer gleichermaßen vor der Übergangsjustiz, die in Havanna beschlossen wurde, verantworten müssen.

Von manchen wird kritisiert, dass die Übergangsjustiz im Prinzip für Straffreiheit sorgt.

Ich war bei den Verhandlungen nicht für diesen Bereich zuständig. Für uns war wichtig, dass unsere Männer gleichbehandelt werden. Es kann ja nicht sein, dass ein Guerillero im Kongress sitzt oder Bürgermeister wird, und dass ein General, ein Oberst, ein Offizier oder ein Unteroffizier ins Gefängnis muss. Das wäre ungerecht.

In mehr als einem halben Jahrhundert Bürgerkrieg wurde die Armee zu einem wichtigen Akteur in Kolumbien. Verliert sie nun ihre Daseinsberechtigung?

Es ist ja nur ein Kriminalitätsphänomen beendet worden: Eine Guerilla-Organisation, die viel Schaden im Land angerichtet hat, kämpft nicht mehr. Aber uns bleibt das ELN, uns bleiben die Bacrim (als „kriminelle Banden“ bezeichnete Exparamilitärs, d. Red.), uns bleibt die organisierte Kriminalität, der Drogenhandel und die Verteidigung der Souveränität unseres Landes. Wir können die Vereinten Nationen und die Organisation Amerikanischer Staaten in anderen Friedensprozessen begleiten. Aber auch in Kolumbien gibt es noch viel für uns zu tun. Die Minenräumung wird lange dauern, bestimmt 30 Jahre. Wir haben spezielle Brigaden zur Zerstörung von Koka-Feldern. Und nicht zuletzt können wir auch mit unseren Ingenieuren die Entwicklung des Landes mitgestalten.

Und was passiert, wenn die Kolumbianer am Sonntag das Friedensabkommen ablehnen?

Dann ziehen wir wieder in den Krieg. Ich bin vorbereitet, hier habe ich die Granaten und die Gewehre. (Er macht Schießgeräusche und lacht)

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2 Kommentare

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  • ... und wieder ein Beispiel, dass sich (Diplomatie-)Politik nicht mit Volksabstimmungen verträgt ...

  • Ich warte auf die Überschrift: Syrischer General über Frieden: Wir haben in Oslo (als Beispiel) gewonnen. Da ist wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens bzw. Traums. Trauriger Zahlenvergleich: Kolumbien: 57 Jahre Bürgerkrieg mit 220000 Toten, Syrien 5 Jahre Bürgerkrieg mit über 250000 Toten. Damit hört die Vergleichbarkeit schon auf ...