Erfolg für US-Ureinwohner in Dakota: Pipeline-Bau vorerst gestoppt
Die Dakota-Access-Pipeline soll Fracking-Öl transportieren. Sie darf nicht ohne weitere Prüfungen durch das Standing-Rock-Reservat verlaufen.
Wenige Momente bevor die beiden Ministerien in Washington am Freitag ihre Entscheidung bekannt gaben, hatte Bundesrichter James Boasberg einen Baustopp per einstweiliger Verfügung abgelehnt. Das Standing Rock Reservat hatte eine Woche zuvor einen entsprechenden Eilantrag bei dem Gericht eingereicht. Denn die Pipeline-Route führt auch durch indianische Kult- und Grabstätten, die bei den Bauarbeiten zerstört würden.
Indianische Gruppen protestieren seit Monaten gegen die Pipeline, die Öl aus Tausenden von Fracking-Bohrstellen in North Dakota quer durch vier Bundesstaaten des Mittleren Westens nach Illinois und von dort aus weiter in die Raffinerien längs der Golf- und Ostküste bringen soll. Neben dem Schutz von Kultstätten ist die Wasserreinheit ihr Hauptargument.
Die Pipeline von North Dakota bis Illinois unterquert auf ihrer 1.700 Kilometer langen Route zahlreiche Wasserwege, darunter wenige hundert Meter nördlich des Standing-Rock-Reservats auch den Missouri, der an dieser Stelle zum Lake Oahe gestaut ist. Ein Leck in der Pipeline könnte die Trinkwasserversorgung des Reservates zerstören, die zu 100 Prozent aus dem Missouri kommt.
Landesweite Protestbewegung
Die Proteste gegen die Pipeline hatten längs der Route angefangen, sich jedoch im Laufe des Sommers unter dem Motto #RezpectOurWater quer durch die USA ausgedehnt. Den Anstoß für die nationale Ausweitung der Protestbewegung gab eine Gruppe von Teenagern aus dem Standing-Rock-Reservat, die im Juli die 3.200 Kilometer von North Dakota bis nach Washington, D.C., gerannt waren, um dort eine Petition abzugeben.
Seither waren beinahe täglich neue indianische Gruppen in das Protestlager am Cannonball River, direkt an der Pipeline-Route, gekommen. Dort sind die Proteste zu der stärksten indianischen Bewegung der letzten Jahrzehnte geworden. Mindestens 200 der mehr als 500 indianischen Stämme in den USA haben sich solidarisch mit den Pipeline-Gegnern erklärt.
Das texanische Unternehmen Energy Transfer Partners betonte hingegen, dass es sämtliche Genehmigungen für den Bau seiner Pipeline habe, die nach ihrer Fertigstellung eine Kapazität von bis zu 570.000 Barrel (mehr als 90 Millionen Liter) Öl pro Tag haben soll. Das Unternehmen setzte die Bauarbeiten auch noch fort, nachdem das Reservat seinen Eilantrag bei Gericht eingereicht hatte.
Wachhunde auf Demonstranten losgelassen
Am vergangenen Samstag kam es daraufhin zu blutigen Szenen an der Pipeline-Trasse nördlich des Reservats. Während Planierraupen Schneisen in den Acker rissen, ließen private Wachschützer ihre Hunde auf die Demonstranten los. Sechs Menschen erlitten Hundebisse, mindestens 30 wurden von den Wachschützern mit Pfefferspray traktiert.
Wie viele indianische Reservate ist auch Standing Rock ein Gebiet mit extremer Armut. Das durchschnittliche Jahreseinkommen auf dem Reservat liegt bei 4.421 Dollar. Zugleich sind hier die Erinnerungen an eine andere, ein halbes Jahrhundert zurückliegende Ungerechtigkeit noch frisch: Als 1958 der Oahe-Stausee angelegt wurde, vertrieb die Regierung zahlreiche Ureinwohner aus ihren Häusern und überschwemmte das Land.
Die Dakota-Access-Pipeline ist bereits zu mehr als der Hälfte fertig gestellt. Außerhalb der unmittelbaren Umgebung des Standing-Rock-Reservats darf sie auch nach dem Washingtoner Entscheid weiter gebaut werden. Nach der Planung des Betreibers, in dessen Vorstadt auch der verhinderte republikanische Präsidentschaftskandidat Rick Perry sitzt, soll die Pipeline bereits Anfang 2017 in Betrieb gehen.
Doch dieses Datum erscheint angesichts der neuen Entwicklungen illusorisch. Ein Abstimmungsprozess, wie ihn die Ministerien am Freitag vorgeschlagen haben, wird Jahre dauern. Und die Pipeline-GegnerInn am Cannonball River haben bereits angekündigt, dass sie sich nicht mit einem Aufschub zufrieden geben, sondern für ein definitives Ende der Pipeline sorgen wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative