piwik no script img

Kommentar Labour nach dem BrexitEin dämlicher Putsch-Versuch

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Die Parteirechte sucht schon lange einen Anlass, Jeremy Corbyn zu stürzen. Statt die Tories in die Enge zu treiben, zerstört sie die Partei.

Bei der Parteibasis beliebt: Jeremy Corbyn Foto: reuters

F ür drei Pfund kann jeder Brite umstandslos in die Labour-Partei eintreten und den Parteichef mitbestimmen. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum beide Flügel derzeit massiv um neue Mitglieder werben und damit auch Erfolg haben.

In dieser Woche sind 60.000 Menschen der Partei beigetreten und haben die Mitgliederzahl damit auf 450.000 erhöht. Diese Mobilisierung der Parteiflügel ist die Lehre aus dem vergangenen September, als Jeremy Corbyn für die Parteiführung überraschend zum neuen Chef gewählt wurde.

Corbyn wird derzeit zu Unrecht so massiv kritisiert. Er ist ein integrer Politiker, der sich auch als Parteichef um die Basis, um die Marginalisierten und die Politikverdrossenen gekümmert hat. Und er hat in seiner kurzen Amtszeit durchaus Erfolge vorzuweisen. Er hat beispielsweise abgewendet, dass bei Behinderten gekürzt wird.

Doch darum geht es seinen innerparteilichen Feinden nicht. Die Parteirechten, die ihn schlicht ideologisch ablehnen, haben schon lange auf eine Gelegenheit gewartet, Corbyn zu stürzen. Dass sie das Ergebnis des Brexit-Referendums als Argument anführen, ist dreist. Zwei Drittel der Labour-Wähler haben für den Verbleib in der EU gestimmt.

Keine alternative Ideen

Keiner der Corbyn-Herausforderer hat Format. Die dramatische Rücktrittswelle des Schattenkabinetts ist eine peinliche Inszenierung von Leuten, die niemand außerhalb der Westminster-Scheinwelt gekannt hat. Sie haben das Misstrauensvotum gegen Corbyn auf eine Art und Weise organisiert, die von keinem Hundezüchterverein akzeptiert worden wäre – am Montag angekündigt, am Dienstag geschwind durchgezogen, und zwar geheim, damit die Parteimitglieder zu Hause im Wahlkreis nicht mitbekommen, wie ihr Abgeordneter gestimmt hat.

Außerdem ist es der dämlichste Zeitpunkt für einen Coup. Die Tories sind tief gespalten, doch statt die Gelegenheit wahrzunehmen, sie weiter in die Enge zu treiben, konzentrieren sich die Labour-Abgeordneten darauf, ihre Partei zu zerstören.

Sie reden von Corbyns mangelnden Führungsqualitäten, bieten aber selbst keine alternativen Ideen an. Seit dem Brexit-Referendum haben sich rassistische Übergriffe in Großbritannien verfünffacht, nach dem Brexit drohen massive Angriffe auf Arbeitnehmerrechte und Umweltschutzbestimmungen, aber Labours rechter Flügel legt die Partei lahm.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Ein weiteres Problem ist sicher auch das:http://antisemitism-europe.blogspot.com/2016/07/uk-labour-activists-respond-to.html

  • Hola - Das mit der Leseabschrift an Jan Feddersen hat geklappt - Fein!

    Das muß hier nicht stehen - Nein!

    Wieder alle um die Wette

    Modderatistas anne Kette?!

    Jaja - Sägen mit Brägen

    Bringt - Sägen!

    Ebenso wie frühes Prägen!

    Tönts aus ein paar Blätter weiter!

    usw usw;!)

  • Bitte Leseabschrift an Jan Feddersen!

    Danke.

  • "Zwei Drittel der Labour-Wähler haben für den Verbleib in der EU gestimmt."

     

    Nein, es waren 60%, inkl. Schottland und Nordirland. Kein Ruhmesblatt für eine linke Partei gegen die xenophobe, rechtspopulistische Brexit-Bewegung, auch weil Corbyn sich bis zuletzt geweigert hat, für Remain zu werben.

     

    "aber Labours rechter Flügel legt die Partei lahm"

     

    Corbyn verweigert den Rücktritt, obwohl über 90% der Unterhaus-Parlamentarier ihm das Vertrauen entzogen hat. Das ist nicht nur ein "rechter Flügel". Der Zeitpunkt ist unpassend, aber wann wäre er passender? Zumal vermutlich bald Neuwahlen anstehen, und niemand außerhalb des ganz ganz linken Spektrums Corbyn-Labour wählen würde?

     

    "Keiner der Corbyn-Herausforderer hat Format"

     

    Vielleicht braucht es eben eine "formatlose" Frau aus der zweiten Reihe, um die Spaltung zwischen Blairies und Corbynistas zu überwinden. Corbyn hat nicht den Charakter, den es für Versöhnung bräuchte. Labour hätte den Brexit, die größte Krise Großbritanniens seit dem 2. WK, leicht verhindern können. Corbyn hat es als Oppositionsführer versemmelt und seinen Fehler noch nicht mal zugegeben. Er kann seine Partei nicht führen, er kann die Opposition nicht führen, er kann noch nicht mal ein neues Schattenkabinett aufstellen, weil ihm Leute fehlen. Wie soll er das Land führen?

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Dorian Müller:

      Völlig richtig. Antieuropäer sind von vorgestern, niemand braucht sie.

  • Ich glaube die New Labour ist einfach näher an den Tories, als an Corbyn. Deshalb ergibt es schon Sinn, gemeinsam mit den Tories auf Corbyn einzuschlagen, denn wenn Corbyn und sein Umfeld die Labour zu einer sozialdemokratischen Partei umbauen, dann wird es für die New Labour Neoliberalen keine Posten mehr geben. Um mit den Tories zu konkurrieren, müssen sie erstmal von der eigenen Partei aufgestellt werden - der Kampf gegen Corbyn ist für die rechten Labour-Abgeordneten also schon logisch.

    • @Touché:

      Nach dem Brexit drohen massive Angriffe auf Arbeitnehmerrechte und Umweltschutzbestimmungen, aber Corbyn hat nichts gegen den Brexit getan, weil ihm die EU auch nur ein neoliberales Handelsungetüm ist. Von daher ist unklar, wie er seine Politik umsetzen will, da innerhalb Labour ein Teil sozialdemokratisch ist.