An der griechisch-mazedonischen Grenze: Aufstand in Idomeni
Über 11.000 Flüchtlinge harren in dem Grenzort aus – Hunderte versuchen am Sonntagmittag, den Grenzzaun zu stürmen. Auslöser: ein Flugblatt.
Wer genau das Flugblatt verteilt hat, ist unklar – wieder werden linke AktivistInnen verdächtigt.
Gegen 10 Uhr Ortszeit versuchten am Sonntag etwa 500 Menschen von unterschiedlichen Standorten den Grenzzaun zwischen Griechenland und Mazedonien einzureißen. Die mazedonischen Sicherheitskräfte reagierten mit zahlreichen Tränengas- und Rauchbomben. Auch schossen sie mit harten Gummigeschossen auf die Menschen und setzten Schlagstöcke ein.
„Wir haben hier zahlreiche Verletzte – darunter auch viele Kinder“, berichtet Jonas Hagensen, der Sprecher der Organisation Ärzte ohne Grenzen in Idomeni. Die Organisation sei mit zwei ihrer Kliniken vor Ort im Lager. Man versorge hauptsächlich PatientInnen mit Atem- und Augenproblemen aufgrund des Tränengases. „Aber auch Menschen mit Schlagwunden durch Knüppel und Gummigeschosse am ganzen Körper kommen zu uns“, erläuterte Hagensen weiter. Immer wieder würden die aufgebrachten Flüchtlinge in Richtung Grenzzaun rennen.
Starker Wind treibt Tränengas ins Camp
Die mazedonischen Sicherheitskräfte setzen weiter Tränengasbomben ein. Das griechische Staatsfernsehen berichtet von starkem Wind, der das Tränengas weiter in das Camp treibt. So werden auch die zahlreichen Familien getroffen, die in ihren Zelten geblieben sind. Mehr als 11.000 Menschen harren schon seit Langem in Idomeni unter menschenunwürdigen Bedingungen aus. Die Grenzen nach Nordeuropa sind seit Wochen dicht. Die Wartenden klammern sich an jede Hoffnung.
Bereits Mitte März hatte ein Flugblatt Flüchtlinge und Migranten mobilisiert. Etwa 2.000 Menschen folgten damals der Aufforderung, einen reißenden Fluss zu überqueren, um nach Mazedonien zu gelangen. Wer es nach Mazedonien schaffte, wurden von Sicherheitskräften nach Idomeni zurückgebracht.
Giorgos Kyritsis, Sprecher der Koordinationszentrale für Einwanderungspolitik der griechischen Regierung, kritisierte den willkürlichen Beschuss der Flüchtlinge vonseiten der mazedonischen Sicherheitskräfte stark, wie die griechischen Nachrichtenagentur APE-MPE meldete. Ein solches Vorgehen gegen geschwächte Menschen sei bedauernswert“, sagte Kyritsis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen