Bremer Haschisch-Politik: Lieber nur als Medizin
Bei einer Expertenanhörung zum Umgang mit Cannabis überwiegen zunächst im Haus der Bügerschaft die kritischen Stimmen.
Hintergrund der Debatte ist der Plan von Rot-Grün, in Bremen einen Modellversuch zur kontrollierten Abgabe und medizinischen Nutzung von Cannabis zu starten. Dass das so im Regierungsprogramm steht, war einer der grünen Erfolge in den Verhandlungen mit der SPD. Nur: In Berlin scheiterte ein ähnliches Projekt im vergangenen Jahr. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte lehnte es ab.
Ganz aufgeben wollen SPD und Grüne die Idee aber nicht, demnächst wollen sie dazu einen Antrag in die Bürgerschaft einbringen. Für den Fall, dass aus dem Modellversuch nichts wird, könnte es zumindest eine Bremer Bundesratsinitiative geben. Und ein Konzept, dass Rot-Grün aus der Schublade ziehen kann, sollte der Bund seine Drogenpolitik liberalisieren. Außerdem setzen SPD und Grüne sich dafür ein, dass der bloße Besitz von Cannabis zum Eigengebrauch nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird.
Der gesellschaftliche Umgang mit Cannabis solle dem mit Alkohol „angenähert“ werden, forderte Henning Schmidt-Semisch vom Institut für Public Health der Uni Bremen, denn auch die Risiken der beiden Drogen seien vergleichbar. Die repressive Drogenpolitik solle „konsequent zurückgefahren“ werden, so Schmidt-Semisch.
Die anderen ExpertInnen waren da weniger eindeutig. Der medizinische Nutzen von Cannabis stehe „außer Frage“, sagte etwa Rainer Matthias Holm-Hadulla, Professor für psychotherapeutische Medizin in Heidelberg. Er wirbt dafür, Cannabis überhaupt wie ein Medikament zu behandeln – die Kommerzialisierung dieser „Apathiedroge“ sei „so problematisch“, so Holm-Hadulla, der auch die „verharmlosende öffentliche Debatte“ kritisiert. „Substanzielle Schäden“ durch regelmäßigen Konsum seien „eindeutig nachgewiesen“, sagt er, zudem Cannabis bei der Mehrheit aller behandlungsbedürftigen PatientInnen die „Einstiegsdroge“.
„Das ist keine Droge light“, sagt auch Eva Carneiro-Alves, die Leiterin der Bremer Drogenberatungsstellen. Dort werden etwa 1.500 Menschen im Jahr beraten, jeder fünfte von ihnen konsumiere vor allem Cannabis. Dessen Wirkstoffgehalt – da waren sich die ExpertInnen einig – sei heute wesentlich höher als noch in den 1970ern. Das Einstiegsalter der Kiffer in Bremen habe im vergangenen Jahr bei 15 gelegen, so Carneiro-Alves, jene, die sich in Behandlung begeben, seien dann aber schon 28. Dass eine Legalisierung den Schwarzmarkt für Haschisch und Marihuana eliminiert, glaubt sie übrigens nicht.
Auch der Leiter des Rehabilitationszentrums Alt-Osterholz, der Psychiater Thomas Hempel, mochte sich nur für eine „sehr begrenzte und „genau definierte“ Legalisierung von Cannabis aussprechen. Früher Konsum wirke sich negativ auf die Hirnentwicklung aus, so Hempel, der zudem vor „schwerwiegenden“ – vor allem seelischen – Abhängigkeiten und einem erhöhten Schizophrenie-Risiko warnt. „Große Sorgen“ machten ihm vor allem Hunderte von legalen und „sehr wirksamen“ synthetischen Cannabinoiden, die es im Netz zu kaufen gebe.
In der Medizin seien cannabisbasierte Medikamente zwar seit „Hunderten von Jahren“ bekannt, sagt Kirsten Müller-Vahl, Oberärztin an der Medizinischen Hochschule Hannover – hier zugelassen sind sie aber nur für Spastiker mit Multipler Sklerose. Und selbst dort, wo Cannabis zu Therapiezwecken erlaubt sei, scheitere eine Behandlung oft an den hohen Kosten – die die Krankenkassen oft nicht übernehmen. Insgesamt sei der medizinische Nutzen von Cannabis aber noch „unbefriedigend“ erforscht.
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