piwik no script img

Rüstungsbilanz der RegierungGabriels härteste Waffen

Der Wirtschaftsminister gibt Auskunft zum Thema Rüstungsexporte. Und verkündet einen fragwürdigen Rekord.

Der Wirtschaftsminister geht in die Offensive, verkündet die Zahl zuerst der Presse und liefert seine eigene Interpretation mit. Foto: dpa

Berlin taz | Rüstungsexporte sind für Wirtschaftsminister ein besonderes hässliches Thema und für Oppositionspolitiker ein besonders schönes. Zahlen über Rüstungsexporte sind für Wirtschaftsminister also besonders heikel und für Oppositionspolitiker besonders delikat. Die Bekanntgabe von Zahlen über Rüstungsexporte ist also für Wirtschaftsminister wie Oppositionspolitiker: besonders besonders. Den Beweis dafür haben Exemplare beider Seiten am Freitag in Berlin dargelegt.

Zunächst die Fakten: Die Regierung hat 2015 Einzelausfuhrgenehmigungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro erteilt. Das sind 3,5 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr und so viel wie noch nie seit dem Jahr 1999, als die Regierung erstmals einen Rüstungsexportbericht vorlegte. Die Zahl gestand Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Mittag im Saal der Bundespressekonferenz ein.

Dem SPD-Chef kommt der Rekord nicht gelegen. Immerhin hatte er im Wahlkampf 2013 noch angekündigt, die Rüstungsexporte zu reduzieren. Geheim halten konnte er die unangenehme Neuigkeit aber auch nicht länger. Der Linken-Abgeordnete Jan van Aken hatte die Zahl nämlich schon Anfang Februar über eine Bundestagsanfrage angefordert. Die Frist für die Beantwortung lief am Freitag ab.

Gabriel hatte nun zwei Möglichkeiten. Entweder liefert der Wirtschaftsminister die Zahl zuerst dem Linken-Politiker, der sie erfahrungsgemäß an die Presse weitergibt und den Journalisten sein eigenes Statement mitliefert: Die SPD schafft es einfach nicht.

„Sonnen-“ und „Schattenseiten“ der Bilanz

Oder der Wirtschaftsminister geht höchstpersönlich in die Offensive, verkündet die Zahl zuerst der Presse und liefert seine eigene Interpretation mit, die den Genehmigungsrekord weniger dramatisch erscheinen lässt.

In der Praxis sieht das so aus: Gabriel kündigt an, zunächst über die „Sonnenseiten“ seiner Bilanz reden zu wollen. So sank die Zahl der Ausfuhrgenehmigungen für Kleinwaffen seit seinem Amtsantritt deutlich.

Dann erst kommt er zu den „Schattenseiten“ und lässt in einem Nebensatz eine erste Gesamtsumme fallen: „Wenn Sie sich das Gesamtvolumen von 5,9 Milliarden Euro ansehen, sind darunter 1,5 Milliarden für zwei sehr große Projekte.“ Mit den beiden Projekten meint er teure Tankflugzeuge für Großbritannien und ähnlich teure Raketen für Südkorea.

Erst später stellt Gabriel klar, dass auf diese 5,9 Milliarden eigentlich noch mal 1,6 Milliarden draufkommen. Diese entfallen auf eine Panzerlieferung nach Katar.

Keine Verantwortung übernehmen

Warum der Vizekanzler sie nicht dazu zählt? Eine erste Genehmigung erteilte schon 2013 die schwarz-gelbe Regierung. Jetzt stand eine zweite, endgültige Genehmigung an. Um diese zu verweigern, hätte Gabriel nach eigenen Angaben die Zustimmung des restlichen Kabinetts benötigt. „Einige Ministerien“ hätten da aber nicht mitgemacht. Deshalb will der SPD-Chef jetzt nicht die Verantwortung für die umstrittene Panzerlieferung übernehmen.

Der Linken-Abgeordnete van Aken lässt den Wirtschaftsminister so einfach aber nicht davonkommen. Weil er die Zahlen nicht vor der Presse bekommen hatte, wartete er während der Pressekonferenz einfach vor dem Saal. Hinterher stellt er sich selbst vor die Kameras und sagt: „Zur Panzerlieferung nach Katar hätte Sigmar Gabriel Nein sagen können. Wenn er sich da nicht durchsetzt, hat er seinen Job eben verfehlt.“

Stunden später, kurz vor Feierabend, bekommt van Aken dann noch eine E-Mail aus dem Wirtschaftsministerium: die offizielle Antwort auf seine Anfrage. Darin stehen neben den Einzelausfuhrgenehmigungen auch die sogenannten Sammelausfuhrgenehmigungen. Sie sind eine Art Blankoscheck für „besonders zuverlässige“ Rüstungsunternehmen.

Welchen Umfang sie im vergangenen Jahr erreichten, konnte Gabriel auf der Pressekonferenz nicht sagen. Für ihn war es besser so: Die Sammelgenehmigungen hatten einen Wert von knapp 5 Milliarden Euro. Alles in allem genehmigte die Regierung 2015 also Rüstungsgeschäfte in Höhe von 12,5 Milliarden Euro. Auch das ist ein neuer Rekord.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Deutschlan lieferte Waffen an die schlimmsten Regime und wird es weiter tun!

    Und als "Gegenleistung" nimmt es dann Flüchtlinge auf.

    Ja, so ist halt der moralische Westen, der immer mit den Zeigefinger z.B. auf Putin zeigt.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Ziggi Stardust

  • Auch ich bin dagegen, dass Konzerne mittels Tod und Zerstörung Geld verdienen. Insofern ist die Forderung nach einem Ausfuhrverbot von Waffen ein Schritt in die richtige Richtung – löst aber das Problem nicht! Denn das Problem ist, dass auf diese Weise keine einzige Waffe weniger in Krisen- und Kriegsgebiete kommt!

     

    Die ausländischen Waffenproduzenten werden ihren deutschen Konkurrenten hohnlachend einen Vogel zeigen, ihre eigenen Fließbänder schneller drehen und das Geld wird in ihren Kassen umso lieblicher klingeln. Vielleicht sollten sich Grüne und Linke mal Gedanken um eine ECHTE Problemlösung machen!

     

    Und noch was: Man erinnert sich, dass vor einigen Monaten Russland für seine Waffenlieferungen nach Syrien hart kritisiert wurde, denn viele Tote in Syrien gehen auf das Konto der Assad-Regierung. „Zar Putin“ konnte die Aufregung gar nicht verstehen: Die Assad-Regierung sei doch international anerkannt und es gäbe gültige Verträge – wo ist das Problem? Damals schloss sich die Linkspartei dieser „Logik“ voll und ganz an und fanden überhaupt nichts Kritikwürdiges an diesen Waffenlieferungen. Warum also jetzt?!

  • Dieser Kreis schliesst aber nicht so einfach. Bzw. eng. Die steigenden Waffengeschäfte drücken sich (immer) in steigenden Konflikten und steigenden Menschenmassen auf der Flucht aus.

    Statt dass aber Gesellschaft-Exekutive die Rüstungsfirmen richtiger Weise zur Versorgung der Flüchtlinge im jeweiligen Land heranzieht, erleichtern sie deren Geschäfte lieber - mit öffentlichem Geld (bzw. ihrem Wahlverhalten). Und heizen die Elends- und Flüchtlingsspirale weiter auf.

  • Sigmar der Grätenfreie im September 2014:

    "Ich bin kein Pazifist aber ich habe den Amtseid geschworen, mich an die Gesetze zu halten. Danach ist der Export von Rüstungsgütern in Staaten außerhalb von EU und NATO grundsätzlich verboten. Anträge werden nur noch genehmigt, wenn die Lieferung den besonderen Sicherheits- und Bündnisinteressen Deutschlands entspricht."

    (http://www.dw.com/de/gabriel-verspricht-ein-neues-r%C3%BCstungskonzept/a-17904243)