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Neuauflage von Hitlers „Mein Kampf“Amazon spendet, Thalia versteckt

Im Januar erscheint eine kommentierte Ausgabe von „Mein Kampf“. Dass es kein Buch wie jedes andere ist, zeigt sich am Umgang des Buchhandels damit.

Alter Dreck Foto: dpa

MÜNCHEN dpa | Der Buchhandel hat unterschiedliche Wege gefunden, mit einer kommentierten Neuausgabe von Adolf Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ umzugehen. Der Onlinehändler Amazon will Erlöse aus dem Verkauf der Edition, die das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München im Januar veröffentlicht, für gemeinnützige Zwecke spenden, wie ein Sprecher sagte.

Die Handelskette Thalia will das Buch nur „auf expliziten Kundenwunsch“ bestellen, es aber nicht in den Läden auslegen. Es sei „keine gesonderte Präsentation des Buchs vorgesehen“, sagte eine Sprecherin.

Vom Konkurrenten Hugendubel hieß es nur: „Grundsätzlich können unsere Kunden alles bei uns beziehen, was nicht auf dem Index steht.“ Ob das Buch auch in den Läden ausliegen wird, ließ die geschäftsführende Gesellschafterin Nina Hugendubel offen.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels wollte keine konkrete Handlungsanweisung ausgeben. Er setzt darauf, „dass seine Mitglieder mit den kommentierten Ausgaben der Schrift besonnen umgehen“, wie eine Sprecherin des Börsenvereins sagte.

Seit 1945 ist das Buch in Deutschland nicht mehr veröffentlicht worden. Denn der Freistaat Bayern war als Rechtsnachfolger des nationalsozialistischen Franz-Eher-Verlages Inhaber der Urheberrechte und verhinderte deutschsprachige Neuausgaben. Die Urheberrechte laufen aber nun Ende 2015, 70 Jahre nach dem Tod des Diktators, aus.

Im Januar 2016 will das IfZ in München eine fast 2000 Seiten starke, kommentierte Ausgabe herausbringen, an der Wissenschaftler drei Jahre lang gearbeitet haben.

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9 Kommentare

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  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine kommentierte Ausgabe dieses Machwerks über den Schulunterricht hinaus große Verbreitung finden wird. Nazis haben es längst auf dem Häkeldeckchen ihres Nachtkästchens zur allabendlichen Bettlektüre liegen. Aufgeklärte Menschen brauchen keine Kommentierung, um die Banalität des Bösen darin zu erkennen und der Rest der Bevölkerung ist historisch eher uninteressiert.

    • @DorianXck:

      Dass "Mein Kampf" inhaltlich und stilistisch schrott ist, weiß ich in der Tat auch ohne Kommentar und es war auch nicht schwierig an eine PDF des Machwerks zu gelangen. Von der kommentierten Ausgabe, die ich mir anschaffen möchte, erwarte ich mir Hintergrundinformationen, aus welchen Versatzstücken Hitler seinen Gedankenmüll zusammengeklaubt hat. Wo hat der Ungeist seine Wurzeln? Hoffentlich werde ich nicht enttäuscht.

    • @DorianXck:

      Oh, Buchverlage und -händler investieren nicht in etwas, das sich nicht verkauft.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Es wird sich verkaufen, Kurt-Horst, das ist nicht die Frage, aber weder als kommentierte noch als unkommentierte Ausgabe bei Weitem in der Auflagenstärke wie vor 70-90 Jahren.

  • Es ist immer sehr interessant zu sehen, wie man in Deutschland versucht, die komplexe Vergangenheit aufzuarbeiten. Da ist nicht nur der Umgang mit dem III. Reich, sondern auch mit der DDR-Zeit ein hoch umstrittenes Thema. Das sind natürlich zwei Paar Schuhe, die verschiedene Formen der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte zeigen. Zum Umgang mit dem Leninkult gibt es inzwischen ein interessantes Projekt, das darstellt, was diesbezüglich in den letzten 25 Jahren in Deutschland (nicht) gemacht wurde und welche Lenindenkmäler auch heutzutage noch stehen. Auf jeden Fall sehenswert: http://www.leninisstillaround.com

    • @Carlos Gomes:

      Die DDR war nicht das Dritte Reich. Wir wollen doch die Prioritäten nicht vertauschen und das mit Abstand furchtbarste Verbrecherregime, das je auf deutschem Boden gehaust hat, im Schatten der kleinen DDR verstecken. Wie man am Wiederaufkeimen rechter Tendenzen in breiten Bevölkerungsschichten sieht, sind das Dritte Reich und der Nationalsozialismus nicht ausreichend aufgearbeitet worden. Das muß jetzt im Zentrum der Bemühungen stehen.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Somit haben wir nun also den Bosheitsquotienten für folgende totalitäre Staaten festgelegt: Die DDR war ein böser, das Dritte Reich ein sehr böser Unrechtsstaat.

  • Am besten die Firmen spenden die Gewinne an Nazi-Aussteigerprogramme oder an die Flüchtlingshilfe....

    • @robby:

      Natürlich gegen Spendenquittung.