Nazi-Skandale in der Berliner Polizei: Hitlergruß aus der Wache
Berichte über rechtsextremistisch auffällige Polizisten häufen sich. Intern ermittelt wird aber nur selten. Hat die Berliner Polizei ein Problem mit Corpsgeist?
Ein Polizist verschickt Nazi-Grüße an Kollegen. Ein anderer äußert sich bei WhatsApp abfällig darüber, dass in einer Polizeisporthallle Flüchtlinge untergebracht sind. Ein Dritter stellt bei einer Pegida-Demonstration ein Plakat rechtsextremistischen Inhalts zur Schau. Fälle wie diese scheinen sich zu häufen. Hat die Berliner Polizei in den eigenen Reihen ein zunehmendes Problem mit Fremdenfeindlichkeit?
Polizeipräsident Klaus Kandt antwortet mit Allgemeinplätzen: „Es wäre naiv zu glauben, dass es in einer Behörde mit 23.000 Beschäftigten keine Ressentiments gegen Ausländer gibt“, sagte er. Fremdenfeindlichkeit komme aus der Mitte der Gesellschaft. „Die Polizei ist Teil davon.“
Aber ganz so einfach ist das nicht. Im Unterschied zu normalen Bürgern sind Polizeibeamte unmittelbare Repräsentanten des Staates. Als solche unterliegen sie einem politischen Mäßigungsgebot. Sie sind zur Neutralität verpflichtet, müssen unvoreingenommen, neutral, frei von Vorurteilen sein. Und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Nicht nur im Dienst, auch privat.
Seit Januar 2007 hat die Polizei eigenen Angaben zufolge gegen sieben Kollegen Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet. Strafrechtliche Ermittlungen ziehen automatisch disziplinarrechtliche Prüfungen nach sich. In Fällen, die als gravierend eingestuft werden, wird der Beamte schon vor Abschluss des Strafverfahrens bis auf weiteres vom Dienst suspendiert.
Polizeipräsident Klaus Kandt
So geschehen im Fall eines Berliner Polizisten, der Mitglied des Kreisvorstandes der AfD im Havelland ist. Bei einer Demonstration des Pegida-Ablegers Bramm (“Brandenburger für Meinungsfreiheit & Mitbestimmung“) in Rathenow hatte der Mann ein Plakat getragen. Die Aufschrift: „Antirassismus, weltoffen, bunt, Vielfalt sind Kennwörter für weißen Genozid – Europa den Europäern“. Gesehen wurde der Mann mit dem Plakat bereits Anfang des Jahres. Aber erst seit Ende Oktober wird gegen ihn ermittelt. Erst kürzlich ist er suspendiert worden.
Warum hat die Polizeiführung so spät reagiert? Eine Handvoll Ermittlungsverfahren wegen Fremdenhasses in acht Jahren – spiegelt das die Realität wider? Was spielt sich bei der Polizei im Graubereich ab? Was ist mit der Dunkelziffer?
Piraten, Grüne und Linke brachten das Thema vergangene Woche im Innenausschuss zur Sprache, als letzten Tagesordnungspunkt am Ende einer langen Sitzung. Der SPD-Abgeordnete Frank Zimmermann beantragt mit Blick auf die Uhr Vertagung. Aber nicht nur die Zeit dient als Vorwand, die Debatte kurz zu halten. Man kennt das von anderen Sitzungen: Wenn es spannend wird, verschanzen sich die Vertreter der Exekutive hinter dem Datenschutzgesetz und dem Recht auf Persönlichkeitsschutz.
Aber so leicht lässt sich die Opposition nicht abspeisen. „Was unternehmen Sie, um solche Strukturen aufzudecken“, will Christopher Lauer (Piraten) vom Polizeipräsidenten wissen. Benedikt Lux (Grüne) setzt nach. „Wie gewährleisten Sie, dass Polizisten, die eigene Kollegen anzeigen, nicht als ‚Kollegenschweine‘ gemobbt werden?“
Es ist der Fall des 28-jährigen Kripobeamten Edmund H., auf den Lux anspielt. H. war unter anderem beim Staatsschutz beschäftigt. Weihnachten 2014 verschickte er per WhatsApp an rund 16 Kollegen Weihnachtsgrüße mit Nazimotiven: Adolf Hitler als Weihnachtsmann mit der Sprechblase „Ho-Ho-Holocaust“, Weihnachtsbaum vor Hakenkreuz-Fahne, Weihnachtskugeln mit Hakenkreuz. Dazu der Satz „Zum Glück ist alles HEIL!“.
Im September 2015 wurde H. wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu 2.750 Euro Geldstrafe verurteilt. Vor Gericht sprach er von einem dummen Scherz. Der Grüne Abgeordnete Lux berichtetet im Innenausschuss von Gerüchten, wonach H. nach wie vor in der gleichen Dienststelle tätig sei. Versetzt worden sei aber der Kollege, der H. wegen des Nazi-Weihnachtsgrußes angezeigt hatte. „Stimmt das“?, fragt Lux den Polizeipräsidenten. „Was tun Sie gegen so ein Klima“? Ob gegen die anderen 15 Beamten der WhatsApp-Gruppe, die geschwiegen haben, auch Disziplinarmaßnahmen eingeleitet worden seien, erkundigt sich Lauer.
Innensenator Frank Henkel (CDU) versucht die Debatte zu beenden. Zu Personalangelegenheiten sage man aus datenschutzrechtlichen Gründen nichts, so Henkel. Aber dann macht der Polizeipräsident ein überraschendes Bekenntnis. „Es ist in diesem Einzelfall nicht so gut gelaufen“, räumt Kandt mit Blick auf den Fall H. ein. Er selbst habe massiv Einfluss genommen. Das Ergebnis sei aber nicht zufriedenstellend. Kandts Fazit: „Die Zivilcourage der Kollegen muss gestärkt werden.“
Besser lief es offenbar in einem anderen WhatsApp-Fall. Vorvergangene Woche teilte die Pressestelle der Polizei mit: Ein Beamter habe ausgesprochen geschmacklos kommentiert, dass eine Polizeisporthalle als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Auch gegen diesen Polizisten wird nun wegen Verdachts der Volksverhetzung ermittelt. Diesmal habe die Mehrheit der Kollegen aber sofort reagiert und sei aus der WhatsApp-Gruppe ausgetreten, berichtet Kandt im Innenausschuss. „Das spricht dafür, dass der Mut grundsätzlich da ist, die Hand zu heben.“
Es sei Aufgabe der Führungskräfte, dafür zu sorgen, dass Ressentiments gegen Ausländer in der Polizei keinen Platz haben, sagt der Polizeipräsident. „Ich glaube, dass wir eine gute Sensibilisierung haben.“ Aber nicht alles werde zeitnah bekannt. Denn schließlich „erheben wir keine Daten über politische Aktivitäten unserer Mitarbeiter“.
Rassensprüche im Dienst
Wenn stimmt, was Medien über den AfDler aus dem Havelland schreiben, dann war die Nähe des Mannes zum Rechtsextremismus seit Jahren bekannt. Im Dienst soll er mit Sprüchen aufgefallen sein, etwa zur Reinhaltung der nordischen Rasse. Auf seinem Auto soll er einen Aufkleber von Holocaust-Leugnern gehabt haben. 2009 soll er deshalb vom Spezialeinsatzkommando (SEK) zum Streifendienst strafversetzt worden sein. Die Erklärung, die der Polizeipräsident im Innenausschuss dazu abgibt, bringt keine Klarheit: Disziplinarische Vorbelastungen würden nach spätestens fünf Jahren aus den Personalakten gelöscht. Kennt er die Vorgeschichte am Ende selbst nicht?
Allerdings stellt nicht jedes Verhalten von Polizisten, das von Dritten als beleidigend oder rassistisch empfunden wird, immer gleich einen Angriff gegen die Menschenwürde dar. Wo die Grenze verläuft, zeigt der Fall eines Berliner Polizeibediensteten, der in Brandenburg wohnt und AfD-Mitglied ist. In der Gemeinde Schönwalde-Glien polemisierte er in Postwurfsendungen, die mit seinem Namen unterzeichnet sind, gegen die Ansiedlung eines Flüchtlingsheims und gegen die Willkommenskultur. Ein Anwohner, der das als Diskriminierung empfindet, hat die Flugblätter mit der Bitte um Prüfung an das Landeskriminalamt geschickt.
Mitte September kam die Antwort. „Parallelgesellschaft“, „Vordringen islamischen Rechts“ und „Import außereuropäischer Konflikte“ seien noch keine Anstachelung zu Hass im Sinne des Volksverhetzungsparagrafen, schrieb ein Kripobeamter dem Anwohner in einem ausführlichen, freundlich gehaltenen Brief. Eine Demokratie müsse derlei Ansichten und Kritiken aushalten. Aber die Meinung der Polizeibehörde spiegele sich in solchen Flugblätter nicht wider, „das versichere ich Ihnen“.
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