: Schaltschränke für den Frieden
Wer Gewalt sät, bekommt selber Hiebe: Eine interaktive Friedensausstellung aus Utrecht in der VHS Aachen
Es dröhnt. Von den Schaltschränken kommt das Geräusch aber wohl nicht. 15 Stück stehen derzeit in der Volkshochschule Aachen herum – nur: Güter werden hier keine produziert. „Die Besucherinnen und Besucher produzieren Frieden und Freiheit“, sagt Winfried Casteel von der VHS. Mit allerlei Werkzeugen entdeckten die, dass Toleranz Grenzen hat, dass Freiheit an Regeln gebunden ist und dass Konflikte auf verschiedene Arten gelöst werden können.
Darf man nach einem Krieg verlorene Teile seines Landes zurück erobern? Ist es Tatsache oder Vorurteil, dass in einer Ehe der Mann „Boss“ sein will? Sollten Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge Aufenthaltsrechte erhalten? Und was ist eigentlich Macht? Fragen wie diese müssen die meist jungen Besucher der interaktiven Ausstellung „De Vredesfabrik“ (Die Friedensfabrik) beantworten. Zum zweiten Mal gastiert das Projekt in Deutschland, zum zweiten Mal wollen die Initiatoren auch deutsche Besucher animieren, auszuloten, wie schwer es ist, Frieden zu stiften oder zu erhalten.
Schalt- und Drehflächen, Schieber, Knöpfe, eine Waage und Drehapparaturen – die Gerätschaften erinnern an eine echte Fabrik. Und je nach Gerät leuchten Lampen auf, wenn die Antwort richtig ist. Oder Zahnräder geben Hinweise darauf, wie die gegebene Antwort zu werten ist: „Du schlägst dich gern. Tipp: Pass auf, denn wer Gewalt anwendet bekommt selber Hiebe“, werden die kleinen Besucher je nach Radstellung belehrt.
„In der Friedensfabrik wird ein Bezug zwischen Krieg und Frieden, zwischen Vergangenheit und Gegenwart hergestellt“, sagt Casteel. Allmählich kämen die Besucher dahinter, dass die Ausstellung von ihnen selbst handelt, von eigenen Normen, Haltungen und Verhaltensweisen. Entworfen wurde das pädagogische Projekt von der Stichting Vredeseducatie (Stiftung Friedenserziehung) im niederländischen Utrecht.
Weil es die Initiatoren für unmöglich halten, Frieden darzustellen, konzipierten sie die eintrittfreie Mitmachausstellung, die zwar auch Historisches vermittelt, meist aber den Einzelnen direkt fordert. Zwar schmälert es den Wert der insgesamt überzeugenden Ausstellung nur marginal, trotzdem ist einiges recht plakativ gehalten: Stellt man etwa unterteilte Drehscheiben passend zu Bildern von Juden („Sündenbock“), Hitler-Gruß zeigenden Menschen („Mitläufer“), Nazigrößen („Täter“) und Nazigegnern („Widerstand“) korrekt ein, erscheint im Sichtfenster ein schnödes „Cool“. M. KLARMANN
Bis 04. Dezember 2005Infos: 0241-4792127
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