Zehn Jahre „Fefes Blog“: Die Hassmaschine der Arschlochnerds
„Fefes Blog“ ist diskursmächtig. Und ein Problem. Es ist das Leitmedium für den reaktionär-ignoranten Teil der männlichen deutschen Netzszene.
Dies ist die gekürzte Fassung des Originalbeitrags, der auf mspr0.de erschienen ist und der mit detaillierteren Beispielen arbeitet. Viele weitere mehr oder weniger kritische Geburtstagsreden sind direkt auf Fefes Blog erschienen, unter anderem von Markus Beckedahl, Julia Seeliger, taz-Mitarbeiter Mathias Broeckers und Frank Rieger.
Fefe hat auch mich gefragt, zum zehnjährigen Geburtstags seines Blogs eine Kritik zu schreiben. Ich habe Fefe freundlich geantwortet, dass ich es ablehne auf seinem Blog publiziert zu werden. Denn ich halte sein publizistisches Schaffen für ein Problem.
Stefan Niggemeier wehrt sich seit Jahren gegen die „ironische“ Lesart der Bild, die sich in unserer auf- und abgeklärten Hipsterwelt breit gemacht hat. Ähnlich geht es mir mit den „Ich lese Fefe ja nur wegen dem Sportteil“-Gewitzel in der Netzszene. Um das hier klar zu sagen: Ich lese Fefe nicht, und zwar wegen seiner mangelnden journalistischen, moralischen und diskursethischen Integrität. Wer ihn dennoch liest, kann von mir nicht erwarten, dass ich sie oder ihn noch irgendwie ernst nehme.
Weil das Phänomen Fefe aber ein diskursmächtiges ist und aus meiner Sicht auch das Hauptproblem der deutschen Netzszene, will ich meine Ablehnung etwas ausführlicher begründen.
Fefe hat eine gewisse Strukturähnlichkeit mit dem Konservativen-Feuilleton-Man, allerdings mit noch weniger Ahnung und einer ganz besonderen Aversion gegen Recherche. Fefe ist zu faul zum Recherchieren, hat von nichts ne Ahnung, aber zu allem ne Meinung. Und wenn sich seine reaktionäre Sicht auf die Welt mit seiner aggressiven Ignoranz paart, wird es besonders schlimm.
Mehr als der Mensch, mehr als das Blog
Fefe kennt seine Wirkung. Durch Refefe (ein ehemaliges Projekt von Linus Neumann, das Fefes Inhalte gespiegelt und mit einer Kommentarfunktion ausgestattet hat), weiß er, was er für Leser hat und wie die so drauf sind. Sein Post über die Sprachversuche der Gender Studies hat unter anderem einen enorm unangenehmen Shitstorm gegen die Macher/innen losgetreten, der vor allem auf Lann Hornscheidt niederprasselte. Fefe ist mehr als der Mensch, es ist mehr als das Blog. Zusammen mit seinem Lesermob ist es eine Hassmaschine.
All die oben beschriebenen Eigenschaften von Fefe reichen weit über sein Blog hinaus. Fefe ist das Leitmedium von ahnungslosen, reaktionär-ignoranten Arschlochnerds. Würde man von einer Bewegung sprechen, müsste man #Gamergate dazurechnen, aber weil ich mich hier auf Deutschland beziehe, nenne ich sie „Fefisten“.
Immer wenn ich mich über die Dummheit eines Fefe-Artikels aufrege, kommt von irgendwo ein Nerd daher, der mir erzählt, was für ein supertoller Oberchecker Fefe doch sei, von welcher herausragenden Qualität sein Code sei und dass er doch die superpraktische XYZ-Bibliothek geschrieben habe. Und dann rolle ich die Augen, denn genau hier liegt der Urgrund des Fefismus. Dafür muss ich etwas ausholen.
Programmiersprachen sind komplex. Es dauert lange, sich in eine einzuarbeiten. Betriebssysteme sind komplex. All ihre verwinkelten Verzeichnisse, Prozesse und Configdateien zu kennen und zu wissen, was sie tun, ist eine langwierige Aufgabe. IT-Security ist ein hochkomplexes Feld, mit vielen Fallstricken und tausend Dingen, die man falsch machen kann.
Überzeugt von der eigenen Kompetenz
Es gibt aber einige Leute, die haben sich dieses Wissen in einem erstaunlichen Maße angeeignet. Wir nennen sie „Nerds“ oder „Experten“ und die meisten von uns haben eine gewisse Ehrfurcht vor diesen Menschen, weil sie Dinge können und verstehen, die einige von uns nicht verstehen. Und manchmal haben diese Nerds dann auch selbst dieses Bild von sich: Dass sie Dinge verstehen, die andere nicht verstehen, macht sie, wie sie finden, kompetent auf eine gewisse, allgemeine Weise.
Und dann blicken sie auf die Welt, sehen politische Prozesse, sehen die Medienberichterstattung, sehen kriegerische Konflikte, sehen menschliche Interaktion und rufen:
„Das ist doch alles ganz klar! So und so einfach ist die Welt!“
Das Ganze hat aber einen Haken. Programmiersprachen sind nicht komplex. Es ist jedem möglich sie innerhalb eines Jahres komplett zu verstehen. Betriebsysteme sind nicht komplex. In jedes Betriebsystem kann man sich relativ schnell einfuchsen, wenn man ein, zwei gesehen hat. IT-Security ist nicht komplex. Es ist eine abzählbare Menge an Dingen, die man beachten muss und ein paar Denkkonzepte, die man lernen kann.
All das ist verstehbar und sogar restlos verstehbar. Ein Computer ist eine determinierte Maschine, das heißt, sie ist zwar relativ komplex, aber endlich in dem, was sie tun kann, und somit ist sie intellektuell komplett erschließbar.
Diese verdammte Komplexität
Und genau hier liegt der Unterschied zur restlichen Welt. Politik ist scheißenochmal komplex. Menschliche Interaktion ist megakomplex und die sich daraus ergebenden Konflikte ebenfalls. Egal wie sehr sich jemand in diese Dinge einfuchst, sie werden niemals restlos verstehbar sein. Die meisten von uns haben sich an diesen Umstand gewöhnt. Er fordert uns jeden Tag eine gewisse Demut ab, eine gewisses Zurückzucken, bevor man Dinge endgültig bewertet. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir niemals über vollständige Informationen verfügen, dass es Zufälle gibt und dass manche Dinge eben über den eigenen Horizont reichen und immer reichen werden.
Wir haben deswegen wissenschaftliche Fachbereiche für diese Dinge eingerichtet, die komplizierte Theorien aufstellen, die immer im Ungefähren argumentieren müssen und niemals mathematisch beweisbar sein werden. Die aber Annäherungen finden, in mühevoller Arbeit und teils jahrhundertelangen Diskursen.
Aber das interessiert Fefisten nicht.
Sie können sich damit nicht abfinden, Dinge nicht restlos verstehen zu können, denn sie sind intellektuell in Welten geprägt worden, die restlos verstehbar sind. Mit dem Überlegenheitsgefühl aus ihrer kleinen unterkomplexen Welt gehen sie also die Probleme der Menschheitsgeschicke an und unterwerfen sie ihrer eingeschränkten Systemlogik. Das ist der Kern der Nerdsupremacy und gleichzeitig ihres Denkfehlers. Bei Fefe kann man das gut beobachten. Seine Systemlogik sieht in etwa wie folgt aus:
Irgendwo sind immer die bösen Menschen (die Amis/die Israelis/die da oben) dabei sich zu verschwören, um die Welt an sich zu reißen oder zumindest doofe Appleprodukte zu bewerben. Aber die Bösen sind auch – da kommt ihr nie drauf – superduper dumm und können gar nicht mit Technik umgehen (HAHAHA!), haben RIESEN- Security-Holes in ihren Betriebsystemen/Protokollen/ihrer Krypto (HAHAHA!) und deswegen klappt ihr evil Plan immer nicht. (HAHAHA!)
Gut, dass es gute Hacker gibt (CCC und so!), die dann das schlimmste verhindern und aufdecken! Wenn die nicht wären, würden die Amis/die Israelis/die da oben einfach durchregieren, was sie bereits machen, die Schweine!
Und dann gibt es noch die, die eigentlich auf der richtigen (unserer!) Seite sein müssten, aber ständig von den wirklichen Bösen (die Amis/die Israelis/die da oben) ablenken: nämlich die Feministinnen mit ihrem Genderwahnsinn! Und die Linken, mit ihren ganzen Theorien! Also die Antifas, Antiras, die irgendwie anders links sind als Fefe! So mit Diskurs und son Quatsch!
Damit wären ca. 90 Prozent aller Fefeposts abgedeckt. Das ist auch der Grund, warum Fefe noch die größten rechten Spinner wie Ken Jebsen als wichtigen Debattenbeitrag ansieht. Und deswegen besteht beim Fefismus auch immer eine gewisse Überschneidung zu den Querfrontlern. Das macht den Fefismus, neben den ganzen Unannehmlichkeiten durch seine Shitstormhorden, gefährlich.
Die Nerdszene leidet extrem unter dem Fefismus. Es wird Zeit, dass es in ihr zu einer Form der Selbstaufklärung kommt.
Nein, ihr seid keine Genies, weil ihr Euren Kernel selbst kompiliert. Nein, ihr habt die Welt nicht verstanden, weil ihr wisst, wie man eine Playstation hackt. Nein, ihr habt nicht den Durchblick, weil ihr die Welt in eure Schablonen presst. Nein, ihr seid nur ignorante, reaktionäre Arschlöcher, wenn ihr das glaubt, und dann seid ihr das Problem – und nicht die Lösung.
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