Berliner Alternativkultur: Wowereit redet Tacheles
Die von Räumung bedrohten Künstler des Tacheles haben einen neuen Unterstützer: Der Regierende spricht sich gegen ein "Plattmachen" des Projekts aus.
Während in Hamburg Künstler das alternative Gängeviertel besetzen und lautstark um öffentliche Unterstützung und den Erhalt werben mussten, macht das in Berlin in einem vergleichbaren Fall der Regierende Bürgermeister höchstpersönlich. Klaus Wowereit (SPD) sprach sich am Montag mit Verve für den Bestand des Künstlerhauses Tacheles an der Oranienburger Straße aus. Allen Beteiligten müsse klar sein, "dass eine Zwangsversteigerung des Tacheles zu unterbleiben hat", sagte er im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses. Er wolle alles für den Erhalt des Standorts tun. "Kunst dort einfach plattmachen, nein, das geht nicht." Man wünschte sich ähnliches Engagement von Wowereit für andere Alternativprojekte.
Hintergrund von Wowereits Tacheles-Plädoyer ist, dass das 20 Jahre alte Künstlerhaus von der Räumung bedroht ist. Der Gläubiger des Grundstückseigners, die HSH Nordbank (Hamburg), strebt eine Zwangsversteigerung der Immobilie an und will diese zuvor räumen lassen. Angeblich seien die Künstler Entschädigungszahlungen von 108.000 Euro schuldig geblieben. Die Versteigerung begründete die Bank damit, dass der einstige Grundstücksbesitzer - eine Tochter der Fundus-Gruppe - für das 22.000 Quadratmeter große Areal über 70 Millionen Euro Schulden bei der HSH Nordbank angehäuft hatte und damit pleite ist. Darum beabsichtige die Bank, die insgesamt 16 Grundstücke des Tacheles-Areals komplett an Investoren zu veräußern, so Nordbank-Sprecherin Gesine Dähn.
Zwar hatte bereits vor zwei Wochen der Senat seine Unterstützung für das Kunsthaus mit Ateliers, Kinos sowie Theater- und Tanzbühnen bekundet. Kulturstaatssekretär André Schmitz wollte deshalb Kontakt mit dem Senat in Hamburg aufnehmen. Diplomatisch sozusagen, weil Berlin keinen direkten Einfluss auf das Privatgeschäft hat.
Wowereits Ausbruch dagegen lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. "Die Räumung muss bekämpft werden", polterte er. Er forderte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) auf, die Bank zu beeinflussen und umzustimmen, zumal diese "gerade mit öffentlichen Geldern gerettet wurde". Zudem sollten sich Hamburg, Berlin und die Bank bemühen, einen Investor zu suchen, der das Tacheles in sein Konzept integriert. Er schloss aber aus, dass Berlin als Käufer des Grundstücks einspringen wird.
Die HSH-Nordbank hält indes weiterhin an ihren Plänen für Räumung und Zwangsversteigerung fest. Aktuell sei man dabei, den Verkehrswert festzustellen. "Die Zwangsversteigerung wird voraussichtlich noch in diesem Jahr stattfinden", sagte Sprecherin Gesine Dähn. Bis dahin wolle man das Gelände geräumt haben. Ein entsprechender Räumungstitel liegt seit 2009 beim Amtsgericht Mitte. Räumen kann die Bank aber erst, wenn die von den in der Tacheles-Ruine verbliebenen Künstlern beantragte Insolvenz beschlossen ist.
Selbst dann dürfte es unübersichtlich werden: Der Verein Tacheles bestreitet, mehr als einen winzigen Teil des Gebäudes für seine Aktivitäten zu nutzen. Die Betreiber der gastronomischen Einrichtungen auf dem Gelände sind keine Vereinsmitglieder mehr, das Entwirren der unübersichtlichen Nutzerstrukturen dürfte der Bank einiges Kopfzerbrechen bereiten. Zugleich dementierte die Bank Gerüchte, wonach ein privater Investor eine Bürgschaft für Teile des Geländes übernommen haben soll.
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