Rio Reisers Residenz: Nichts als Scherben
Die ehemalige Residenz von Rio Reiser in der nordfriesischen Gemarkung Fresenhagen steht zum Verkauf – weil den Erben die Kosten über den Kopf wachsen.
HAMBURG taz | Für die Eingeweihten heißt dieser Ort schlicht „Fresenhagen“. Für die Eingeweihten ist die Nachricht „Fresenhagen steht zum Verkauf“ zugleich ein Schock und ein Grund zum Schmunzeln, würden sie doch sagen: „Schon wieder?“ Fresenhagen ist nämlich eine Geschichte der Finanznöte, schon einmal musste eine Zwangsversteigerung abgewendet werden.
Außerdem ist Fresenhagen berühmt als der Rückzugsort und Freiraum von Rio Reiser und seiner Band Ton Steine Scherben. Ein bedeutungsschwerer Ort, nicht nur für Eingeweihte: „Fresenhagen ist für die deutsche Geschichte seit 1968 so wichtig wie das Goethehaus für den Weimar-Kult“ schrieb die Süddeutsche Zeitung im Jahr 2007.
Eigentümer der Immobilie sind Rio Reisers hinterbliebene Angehörige, also seine Brüder Peter und Gert Möbius und dessen Frau. Die Eigentümergemeinschaft hat einen Immobilienmakler mit dem Verkauf beauftragt. Das Angebot steht im Internet: „Künstlerdomizil in einem reetgedeckten Friesenhof mit großzügigem Grundstück“ heißt es in der Anzeige. Der Preis liegt bei 450.000.- Euro.
Rio Reiser und seine Band kauften den Hof 1975 für 50.000 Mark. Anfang der 1980er Jahre lebte auch Claudia Roth dort, die damals die Band managte, heute Parteivorsitzende der Grünen ist und zum möglichen Verkauf von Fresenhagen nichts sagen will. 1996 starb Reiser auf dem Hof und wurde auf dem Grundstück bestattet – die Sondergenehmigung dafür organisierte die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis.
Reisers Bruder Gert Möbius gründete zusammen mit Freunden und ehemaligen Bandmitgliedern einen Verein, um das Haus zu halten. Ein Museum wurde eröffnet, außerdem gibt es ein Tonstudio, eine Veranstaltungsscheune, ein Gästehaus und ein Café. Regelmäßig finden Konzerte statt und Fans besuchen Reisers Grab, das sich im Garten unter einem Apfelbaum befindet.
Gert Möbius hat den Verkauf in die Wege geleitet, weil in Fresenhagen die Finanzen aus dem Ruder laufen. Den Kosten für Unterhalt und Personal stehen zu geringe Einnahmen gegenüber – zu weit ab vom Schuss ist der Hof, zu gering ist das Interesse der Bevölkerung vor Ort. „In Berlin hätten wir kein Problem“, sagt Möbius, der in Berlin lebt und dort das Rio-Reiser-Archiv betreut. „Aber in Nordfriesland ist es anders.“
Förderung durch die öffentliche Hand könnte eine Lösung sein. Einen Termin bei Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen habe er angefragt, aber keinen bekommen. Auch dessen Kulturbeauftragte Caroline Schwarz habe nicht reagiert.
Möbius wäre es am liebsten, wenn „der Verein das Haus durch Spenden oder Sponsoren erhalten könnte“. Gleichzeitig läuft der Verkauf. Acht Interessenten habe es bisher gegeben, davon hätten sich zwei das Haus angeschaut, sagt Möbius. „Aber ich will das Haus nicht verscherbeln. Ich will nicht, dass da jemand reinkommt, der nichts damit zu tun hat.“ Leute, die etwas damit zu tun haben könnten, wären andere Musiker. Udo Lindenberg vielleicht. Oder Annette Humpe.
Der Makler sagt auf Anfrage, der Erhalt der Rio-Reiser-Gedenkstätte sei zwar gewünscht, aber keine Bedingung für den Verkauf. Im Ernstfall hieße das: Alles raus, das Museum, das Tonstudio, die Technik in der Veranstaltungsscheune. Und das Grab? „Rio ist Berliner“, sagt Gert Möbius. „Wenn es ernst werden würde, würde ich ihn dahin umbetten.“
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