Wahlkreissieger Stefan Liebich (Linke): "Thierse passt nicht mehr in diese Zeit"
Die Opposition im Bundestag muss gemeinsam Projekte entwickeln, sagt Stefan Liebich (Linke), der den Wahlkreis Berlin-Pankwo gegen Wolfgang Thierse (SPD) gewonnen hat.
taz: Herr Liebich, hatten Sie erwartet, dass Sie Wolfgang Thierse den Wahlkreis Pankow abnehmen würden?
Stefan Liebich: Ehrlich gesagt, nein. Nicht nur unsere Themen Solidarität, Gerechtigkeit und Frieden haben gezogen. Auch als Person habe ich die Prenzelberger, Pankower und Weißenseeer für mich einnehmen können.
Der 66-jährige Thierse kommt aus der DDR- Bürgerrechtsbewegung. Sie sind viel jünger. Auf Ihrer Homepage bekennen Sie, als 13-Jähriger von der Stasi angesprochen worden zu sein, für sie zu arbeiten. Wörtlich schreiben Sie: "Ich sagte nicht Nein und bin darauf nicht stolz." Wie erklären Sie das?
Für mich war es damals eine romantische Vorstellung, im Dienste des Sozialismus als Kundschafter zu arbeiten. Gott sei Dank ist es dazu nie gekommen. Als die Wende kam, war ich 17. Während des Wahlkampfs bin ich oft gefragt worden, wie die Neue Linke zum Thema DDR und SED steht. Es ist wichtig, dass man da glaubwürdig agiert.
Trotzdem erstaunt es, dass Sie Thierse ausgeknockt haben.
Thierses Problem ist, dass er für die Politik der letzten Bundesregierungen steht. Persönlich ist ihm anzulasten, dass er nur ungern bereit war, sich mit seinen Mitbewerbern bei Podiumsdiskussionen zu messen. Ich glaube, das hat ihn noch mal richtig Sympathien gekostet.
Geschieht das aus Arroganz - Thierse hat ja einen sicheren Listenplatz?
Vielleicht ist es einfach so, dass so einer wie Thierse nicht mehr in diese Zeit und in diesen Bezirk passt. Der Verweis darauf, dass er schon 100 Jahre am Kollwitzplatz wohnt, reicht einfach nicht. An unseren Infoständen haben wir mit Menschen gesprochen, die aus den alten Bundesländern hierhergezogen sind. Klar sind die erst mal skeptisch, was die Linkspartei betrifft. Aber wenn ich sage, dass ich Internetsperren ablehne und Wolfgang Thierse sagt, er finde sie gut, dann nützt ihm die Bürgerrechtsvergangenheit gar nichts.
Was wollen Sie im Bundestag erreichen?
Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass Linke auch regieren können müssen. Wir tun das ja hier in Berlin. Unsere Aufgabe wird es sein, in der Opposition gemeinsam mit SPD und Grünen linke Projekte zu entwickeln, um die schwarz-gelbe Regierung möglichst bald zu Fall zu bringen. INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!