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Kriminalbiologe über Parawissenschaften"Vampire haben meine Sympathie"

"Warum blieb die Uhr stehen, als Opa starb?" Unter diesem Motto erforscht ein Kongress Ende der Woche das Übersinnliche. Kriminalbiologe Mark Benecke ist einer der Experten.

Vampire sind Beneckes liebster Aberglauben. Bild: ap
Interview von Jennifer Zylka

taz: Herr Benecke, beim Kongress der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Erforschung von Parawissenschaften (GWUP) werden Sie einen Vortrag zur "Spontanen menschlichen Selbstentzündung" (SHC) halten. Dabei sollen Menschen ganz plötzlich von innen heraus verbrennen und nur die äußeren Gliedmaßen übrig bleiben. Wie erforschen Sie so etwas?

Mark Benecke: Früher konnten wir keine Fälle direkt angucken, sondern unsere Informationen nur aus der Literatur und den Polizeiakten rausziehen. Dann haben die Leute angefangen, mir zu schreiben und mich auf Fälle hinzuweisen, schließlich konnten wir sogar eine Frau in Belgien besuchen, die eine solche "Selbstentzündung" überlebt hatte. Darüber werde ich auch meinen Vortrag halten.

Normalerweise glaube ich Zeugen zwar nichts, dort war aber die eigene Familie dabei, dazu ein ganz unbeteiligter Mensch und die Leute im Krankenhaus, daran gibt es also nichts zu rütteln. Auch durch die Presse ging es nicht. Das Ganze ist vor zirka vier Jahren geschehen, und wir haben bis jetzt an der Aufklärung gearbeitet. Wir haben in den letzten Jahren auch neue Zündquellen für diese Fälle gefunden, beispielsweise aus Brandbomben des Zweiten Weltkriegs.

ZUR PERSON

Mark Benecke geboren 1970, ist einer der bekanntesten Forensiker Deutschlands und als Kommentator von Kriminalfällen und Autor auch durch Print, Funk und Fernsehen bekannt. Er ist Mitglied der GWUP, der "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Erforschung von Parawissenschaften", die u.a. das Magazin "Der Skeptiker" herausbringt und Kongresse abhält, der nächste vom 21. bis 23. Mai in Hamburg.

Nach einer Idee des Bühnenzauberers James Randi führt die GWUP Versuche zur Aufklärung durch - wenn jemand unter objektiven Bedingungen paranormale Fähigkeiten beweist, bekommt er eine Million Dollar auf die Hand. Das hat noch niemand geschafft.

Wenn man sich für "SHC" oder andere mysteriöse Geschichten interessiert, braucht man nur im Internet zu schauen, dort findet man wissenschaftliche Aufklärung. Wieso glauben trotzdem so viele Menschen an solchen Quark?

Das war schon immer so. Bei der SHC hat der Chemiker Justus von Liebig schon 1850 ein Experiment gemacht, das bewies, dass diese Selbstentzündung gar nicht "von innen heraus" stattfinden kann. Aber bei paranormalen Sachen sagen die Menschen immer: "Das ist etwas anderes." Das nennen wir Immunisierung.

Den Effekt kennt man aus dem Alltag: Eine Freundin sucht sich einen idiotischen Typen aus. Dann kann man ihr vorhalten: Ganz objektiv - der Typ war im Knast, der hat seine Freundinnen regelmäßig geschlagen, der lügt, der schneidet sich nicht die Fußnägel … Aber sie wird antworten: Nein, der bessert sich gerade, das merke ich auch schon … Immunisierung gegen Tatsachen eben.

Die Paranormalgläubigen machen das immer so, wenn etwas widerlegt ist, gehen sie einen Schritt zurück und legen eine neue Theorie drauf. Aber der Grund dafür, dass Menschen überhaupt an Übersinnliches glauben, ist: weil es einfacher ist. Bis du den Grund für eine Sache weißt, musst du erst mal etwas verstanden haben, etwa wie Verbrennungen chemisch funktionieren. Für die meisten Menschen ist es leichter, eine Art Glaubenssystem zu nutzen, als sich darüber Gedanken zu machen, wie die Welt sonst funktioniert.

Ich finde es viel anstrengender, diese vagen Dinge zu glauben, als etwas zu glauben, das bewiesen wurde.

Sind Sie in Berlin-Brandenburg aufgewachsen? In dieser Region zum Beispiel sind Glaubenssysteme nicht so fest verwurzelt, es gibt nicht überall diesen klerikalen oder religiösen Unterton.

Südosteuropa dagegen war früher viel mehr abgekoppelt vom Rest der Welt als Teile Deutschlands. Darum haben die Menschen sich dort eben ihre eigenen Erklärungen gemacht. Wie die Kinder es heute immer noch tun, wenn sie denken: Wenn ich mich unter der Bettdecke verstecke, kann der Geist mich nicht sehen.

Wird der Glaube, egal ob konfessionelle Kirchen oder Übersinnliches, nicht auch dann immer besonders stark, wenn es den Leuten schlecht geht? So wie beim Prinzip des Jüngsten Gerichts: Man wird später dafür gerächt, dass einem Unrecht geschah …

Stimmt. Aber diesen Esotrend gibt es schon lange und ist ein Unikat: Deutschland ist das einzige Land, in dem Homöopathie so stark ist. Dieser Trend mit dem Spirituellen, Esoterischen stammt noch aus den 20ern, wurde von den Nazis dann teilweise gefördert, brach in den 50ern und 60ern ein wenig zusammen, und spätestens mit den Hippies kam das wieder. Man wollte wieder eine Alternative zum Gegebenen haben.

Grundsätzlich sind aber alle monotheistischen Religionen Erlöserreligionen, Judentum, Christentum, Muslime … Den Leuten geht es eben überall relativ schlecht, oder sie empfinden das so.

Dann müssten aber doch unter reichen Menschen oder beim Adel besonders viele Atheisten zu finden sein …

Nein, die benutzen das als Machtmittel. Die glauben da auch nicht ernsthaft dran. Je höher man in den Strukturen guckt, desto stärker wird das als Machtpotenzial genutzt. Es gibt kein Land außer Deutschland, in dem der Staat die Kirchensteuer erhebt. Diese historisch merkwürdige kirchliche Verflechtung mit dem Staat hier widerspricht jeder Logik einer modernen westlichen Welt.

Natürlich ist Religion nicht nur, aber auch ein Unterdrückungsmittel. Für die Armen, Schwachen bedeutet sie, dass sie später emporgehoben oder eben "erlöst" werden, aber bis dahin müssen sie noch malochen. Da hat man wieder das Element der Ausbeutung.

Ist das für Sie als Skeptiker ein Grund, das Gespräch abzubrechen, wenn Sie jemand nach Ihrem Sternzeichen fragt? Oder können Sie das wissenschaftlich-empirisch lockersehen?

Bei mir in der Nähe ist eine Pizzeria, und den sternzeichengläubigen Besitzern höre ich durchaus zu, weil man etwas lernen kann: Erstens glauben die an Erlösung, sind also belohnungsmotiviert. Zweitens kann es sein, dass Menschen von einer politischen Entwicklung enttäuscht sind und sich darum dem Glauben zuwenden. Und drittens haben sie ja vielleicht wirklich etwas Interessantes gelesen. Gunter Sachs hat mal in einem Buch scheinbar bewiesen, dass Sternzeichen tatsächlich einen Einfluss auf das Leben haben.

Das Irre ist: Auch als Naturwissenschaftler kann man zuerst nicht erkennen, wo der Fehler ist. Er weist mit soliden statistischen Methoden ohne selektive Wahrnehmung nach, dass Sternzeichen den Charakter beeinflussen. Das wurde sehr kompliziert zu beweisen, dass da doch Fehler in der Statistik sind, Mathematiker haben das gemacht.

Da wird es aber erst interessant, das ist wie bei Kriminalfällen. Man muss üben, kriminalistisch und ganz vorurteilsfrei zu denken. Es geht oft um Methoden. Ich hab bei den Skeptikern mal diesen Film analysiert, in dem angeblich ein Alien seziert wird, und zwar unter der Prämisse: Wie weist man nach, dass der Film ein Fake ist, und nicht: Es gibt keine Aliens. Denn ob es Aliens gibt, weiß ich nicht, das ist ja völlig unprüfbar.

Wie stehen Sie zu der Subkultur, die sich als Vampire bezeichnet?

Die haben meine Sympathie. Diese Subkultur habe ich mir angeguckt, weil ich die irgendwie mag, die hören die gleiche Musik wie ich. Ich habe mal deren ganze Szenenaufsplitterung rausgearbeitet: Es gibt ja diese "Blut-Vampire", blood play, also Spiele mit Blut, die sogenannten Psychic Vampyres, die Energie von anderen Menschen "aussaugen", dann die romantischen Vampire und die, die sich für Vampirfilme interessieren.

Da braucht man aber eine neue Definition von Vampirismus: nicht mehr nur Blut saugen und untot sein …

Ja, da gibt es wilde Fälle. Bei der Bild-Zeitung hat mal einer angerufen und behauptet, er könne relativ viel Blut trinken. Und die haben mich dann gebeten, das nachzuprüfen. Nach einem Fingerhut Blut wird einem normalerweise schlecht. Der Typ hatte sich aber einfach da reingesteigert, hatte sich ein bisschen dran gewöhnt und konnte vielleicht eine halbe Tasse trinken. Das sind aber die absoluten Ausnahmen.

Was kann die GWUP beim Kongress gegen den ganzen Humbug machen?

Donnerstag ist Publikumstag, da werden Themen verhandelt, die jeden interessieren. Da können Skeptiker, aber auch Esoteriker kommen. Der zweite Teil der Konferenz ist spezieller, da geht es dann etwa um die richtigen Tests, um nachzuweisen, dass kein Mensch Strahlen vom Handy oder einem Kristall wahrnehmen kann. Immerhin gibt es ja diesen "One million dollar paranormal challenge", aber noch niemand ist mit der Million nach Hause gegangen.

Wenn Leute Yoga machen und sagen, ich spüre, dass mein Körper eine Änderung erfährt, dass ich Energien empfange - darüber schimpfe ich nicht. Solange man nur für sich selbst spricht, ist das in Ordnung. Die Probleme fangen ja erst an, wenn Leute andere beeinflussen oder Geld aus der Tasche ziehen wollen, diese alternativen pseudoreligiösen Glaubenssysteme, das nervt!

Ich bin da im Ganzen recht liberal. Ist mir auch egal, ob Kinder an den Weihnachtsmann glauben. Sollen sie doch.

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8 Kommentare

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  • DR
    Dieter Reiber, IbF-Institut

    Ewiger Medizin-Wissenschaftsstreit – relativiert durch das Ergebnis:

    Homöopathie-Nebenkrieg : Wie Kassenstatistik durch Abrechnung der Dienstleister beweist, ist wissenschaftliche Medizin als „Nichtevidende Medizin“ ja schon erwiesen:

     

    Nichtevidende Medizin mit Unterlassungsvorteil (also ohne Medizin) – oder:

    Krank durch Medizin, ist ja schon erwiesen – mit :

     

    a) 18 Arztbesuchen pro Kassen-Mitglied und Jahr.

    b) Mit bis zu 10,15,20, ja sogar bis 39-jähriger Odyssee (bei seltenen, chronischen Krankheiten ..) durch alle Schul-Medizin-Experten.

     

    Antwort auf: Beweisen sie mal, dass sie krank sind!

    Das geht nur mit Verursachungs-Antidot und Messung.

     

    1 Million für die Beweisführung der Medizin-Wissenschaft; die dem Zweck der Medizin-Wissenschaft und der Volks-Gesundheit dient:

     

    Versuchsanordnung einer “Evidence-based-Medicine” ist nicht an Pauschalmedizin, sondern logisch nur für Individualmedizin auszurichten, denn es darf nicht sein, dass man Menschen erst gleich macht, um sie gleich schlecht zu behandeln :

    Zellverbandsenegie ist in-vitro messbar und darstellbar.

    Schließlich muss eine “EVIDENZ”-MEDIZIN” jedem Individium genschaltergerecht passen, weil sonst nur Umsatz und nicht Volksgesundheit das Ergebnis ist. Mit einer Million ist zu beweisen:

     

    Physik und nicht Chemie steuert die Biochemie und den Stoffwechsel des Körpers und der Säfte; dass CT und Gamma-Strahlen Gen-Schalter verstellen – und Krankheit initiieren ist durch IbF-bi-Labor wissenschaftlich reproduzierbar erbracht.

     

    Wenn dann physikalische Phänomene (die Bio-Information) in ihrer Wirkung erwiesen sind, ist logisch auch die Homöopathie-Wirkung (oberhalb der Losschmitschen Zahl – 1×10-23 – nur noch Bio-Information) erwiesen.

     

    Daher gelten die Ausschreibungen* (1 Million für den Beweis der Homöopathie-Wirkung) sinngemäß für die verschiedenen “Angebote”, um die Beweisführung der Physik-Wirkung; *wie sie da und dort durch die Homöopathie-Gegner angeboten sind.

     

    Nachdem nun die Technik schon zertifiziert ist, kann im nächsten Schritt die schlüssige reproduzierbare Versuchsanordnung den ewigen Wissenschaftsstreit beenden: zum Beispiel die Mikrowellen-Herde in Wasser-Wirkung auf die Normalität der Energie-Verteilung bzw. die Energie des Zellverbands beweist. Mit dem Ausschreiber des Preises ist die praktische Versuchanordnung zu vereinbaren:

     

    Dieter Reiber, Ibf-Institut für EUROPA-Technik- und Technikfolgenforschung und Verbraucherforschung.

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  • L
    L.G.

    Mit wissenschaftlicher Herangehensweise haben die Aussagen des Herrn B. in diesem Interview m.E. nun wirklich nicht viel zu tun. Meiner Meinung nach populärwissenschaftlich wie seine Fernsehauftritte, die ich bisher "bewundern" durfte. Mein Fazit: Herr B. ist medienwirksam, aber kein Wissenschaftler.

  • PH
    Peter Heinz

    >>. Naja... Neulich war die Erde noch eine Scheibe und das Atom unteilbar. War alles wissenschaftlich bewiesen.

  • Z
    zweifellos

    Ist eben eine sehr komplizierte Maschine (oder gar eine Symbiose verschiedener Maschinen), so ein Organismus. Was soll es denn sonst sein?

     

    Und die genannten Dinge kann man durchaus grob zusammenfassen, nämlich unter der Überschrift "Aberglauben". Natürlich gibt es vieles, was noch nicht oder nur unzulänglich erklärt ist, vielleicht auch nie wird - das heißt aber nicht, dass das, was (angeblich) nicht erklärt werden kann, wahr ist. Beispielsweise Homöopathie: Die widerspricht doch allem, was man kennt, da hilft auch die Verleumdung von "Schulmedizin" nichts; ihr Erfolgsgrad liegt auf einer Stufe mit Placebo-Effekten, bestätigende Studien gibt es nicht.

  • BK
    Barbara Kirsch

    P. S.: Es gibt Menschen wie Herrn Benecke, die glauben, daß man einen Organismus mit einer Maschine vergleichen kann. Ich halte das für DEN fundamentalen Irrtum der letzten Jahrhunderte.

  • BK
    Barbara Kirsch

    Spontane menschliche Selbstentzündung (SHC), Esoterik, Homöopathie und Yoga. Alles eins, was? Fehlt ja nur noch, daß Akupunktur auch nur Einbildung ist. Naja... Neulich war die Erde noch eine Scheibe und das Atom unteilbar. War alles wissenschaftlich bewiesen.

     

    Die SHC sehe ich auch eher sehr skeptisch (um nicht zu sagen: Die halte ich für Blödsinn!), aber beim Rest würde ich mich lieber nicht festlegen. Nur weil etwas mit heutigen Mitteln nicht meßbar ist oder die Messung von - sagen wir mal der Pharmaindustrie- nicht erwünscht ist. In welcher Verdünnung Haie noch auf Blut reagieren, kann ja erstaunlicherweise gemessen werden.

     

    Den Artikel habe ich aber begriffen: Dadurch, daß ich jetzt Yoga und Homöopathie verteidige, bin ich natürlich in meinem persönlichen Glaubenssystem gefangen.

     

    Alles klar!

  • K
    K.L.

    Die Verbannung von Selbstentzündungen, Vampirglauben, Tischerücken & co. in das Reich des Aberglaubens - auch aus meiner Warte völlig berechtigt. Die Ausführungen über monotheistische Religionen (es gäbe da noch ein paar andere Glaubenssysteme, bei denen es ebenfalls von "übersinnlichen" Phänomenen wimmelt - gelegentlich werde diese durchaus Methaphern verstanden) halte ich hingegen für wenig fundiert. Ebenso ist mir der Zusammenhang mit Homöopathie und Körperarbeit wenig schlüssig. So lassen sich beispielsweise im letzteren Fall durchaus "Energien" messen - ganz im klassischen neurologischen Sinn. Fazit - gute Spukaufklärung aber ein bisschen eingeschränkte Weltsicht.

  • S
    sjb

    Aber diesen Esotrend gibt es schon lange und ist ein Unikat: Deutschland ist das einzige Land, in dem Homöopathie so stark ist - da schiesst sich der Meister aber selber ins Bein! Homöopathie und Esoterik sind 2 Paar Schuhe!

    Ansonsten, cooler Typ ;-)