: Die Einheit des Universums
Tibet, Bremen, Moskau, Museum Weserburg und botanika sind enger miteinander verbunden als gedacht. Bloß wie? Das lässt sich nur in einer wahren Weihnachtsgeschichte erzählen
von Benno Schirrmeister
Eine selten sichtbare und beinahe chaotische Linie verbindet Bremen mit Murska Sobota in Patanien, mit Moskau und den schneebedeckten Höhen des Tibet. Von dort stammen etliche Rhododendren – also spielt die botanika eine Rolle. Aber der Ausgangspunkt ist doch das Neue Museum Weserburg (NMWB), nicht wegen der beschriebenen Linie. Sondern in Gestalt seines ehemaligen Direktors Thomas Deecke. Ebenso wichtig für die Geschichte sind die russische Künstlerin Tatiana Antoshina und Rhopag Chef Bernd Linke. Und wer genau aufpasst, verspürt auch einen kleinen Hauch Kopftuchstreit – im übertragenen Sinne, versteht sich, weil der Buddhismus keine Kopftuchpflicht kennt.
Antoshina hat dem NMWB schon vor Jahren eine kleine Statue geschenkt. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Moskau. Oft beziehen sich ihre Werke auf Allegorien aus dem Fundus der Kunstgeschichte. Auf der Suche nach Darstellungen unternimmt sie Reisen. Zuletzt war sie im Tibet, wo sie für sich die Fresken der buddhistischen Klöster entdeckt hat. „Sie überlegt“, so Deecke, „daraus eine Skulptur zu machen“. Für ihn ist das besonders interessant, weil er gerade in Slowenien eine Ausstellung kuratiert – in Murska Sobota, der Provinzhauptstadt Pataniens, und zwar die „Europäische Triennale für Kleinplastik“. Wenn Antoshina aber daran teilnimmt, dann wohl mit einer Figur, die in Europa unwillkürlich an Bremen denken lässt. Das Wandgemälde, von dem sie Deecke ein Foto geschickt hat, zeigt eine Pyramide aus vier Tieren. Ein Elefant, auf dessen Rücken ein Affe kauert, der einen Hasen trägt. Auf dessen Kopf sitzt ein Vogel.
Der Überlieferung zufolge handelt es sich um ein Rebhuhn, das die anderen drei „durch Gedankenaustausch“ davon überzeugt hat, „der Älteste unter ihnen“ zu sein. Weshalb ihm der Ehrenplatz ganz oben in der Tierpyramide gebührt. Glück für das Rebhuhn!, – denn, hätte sich der Elefant durchgesetzt…
Am zugänglichsten findet sich die Überlieferung auf einer Homepage: Betreiber ist das Dharmapala Thangka Center, mit Sitz in Bremen. Sie heißt www.thangka.de und wurde von der Unesco für die CD-ROM „Millennium Guide to Cultural Resources on the Web“ ausgewählt. Eine zuverlässige Quelle also, die in die Kunst der Thangkas einführt: Das sind aufrollbare Meditationsbilder, auf Leinwand gemalt oder in Seide gestickt. Ähnlich wie abendländische Ikonen werden sie seit Jahrhunderten nach genauen Regeln und mit festem Themen-Repertoire hergestellt, auf das auch die Kloster-Fresken zurückgreifen. Zum Repertoire gehört die Fabel von den „vier Freunden“.
Die tibetischen Stadtmusikanten haben weder mit Musik noch mit Altersarbeitslosigkeit zu tun. Und noch ein Unterschied zu ihren europäischen Märchen-Vettern: Sie haben es nach Bremen geschafft. Das DTC nämlich fungiert bei der botanika als „Generalunternehmer für alle buddhistischen Objekte“. Und das Thangka hängt im Foyer, über der Ausgangstür – die zwar auch der Eingang ist, aber das Bild sieht nur, wer das Schaugewächshaus wieder verlässt.
Bernd Linke ist Geschäftsführer der botanika. Außerdem ist er Vorsitzender des Trägervereins der Freien Evangelischen Bekenntnisschule. Und auf Fragen nach den Schmuckstücken im grünen Science-Center antwortet er sehr vorsichtig. „Ich hätte“, sagt er zum Beispiel, den buddhistischen Charakter „möglicherweise nicht in der Art betont“. Künftig werde das Gewicht jedenfalls „schon klar in Richtung Natur verschoben“: Auch deshalb verfolge man das Konzept der Tierausstellungen. „Wo Pflanzen sind“, so Linke, „sind auch Tiere.“ Aber halb so wild: Auch er selbst habe „überhaupt kein Problem damit, der Figur des sterbenden Buddha die christliche des Auferstandenen“ entgegenzuhalten.
Ehret das Alter – das ist die Lehre der Fabel. „Nur dadurch“ würden „gute Taten wie das befruchtende Regenwasser auf die Scholle“ wirken. Doch die Weisheit Asiens bleibt bei praktischer Moral nicht stehen. Die Künstlerin Antoshina hat im Kloster nach der Bedeutung des Gemäldes gefragt. „Ihr wurde dort gesagt“, so Deecke, „dass es die Einheit des Universums symbolisiert.“ Denn letztlich hängt alles mit allem zusammen.