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Archiv-Artikel

DIE ZERLEGTE ZAHL 5 Mark pro Liter Benzin

Ein FDP-Politiker hat sich das ausgedacht – nicht die Grünen. Jetzt ist er gestorben

Die Erzählung ist falsch. Den Grünen wird nachgesagt, das 5-Mark-Benzin erfunden zu haben, seit sie auf ihrem Parteitag 1998 in Magdeburg beschlossen, den Spritpreis mehr als zu verdreifachen. Fast hätte sie das damals den Einzug in den Bundestag gekostet. Doch hinter der Forderung „5 Mark pro Liter Benzin“ steckte eigentlich ein FDP-Politiker und Schwabe: Heinrich Freiherr von Lersner.

Es ist Zeit, den Fehler auszuräumen. Denn der Mann, von dem für die heutige Umweltdebatte verschiedene entscheidende Äußerungen kommen, ist diese Woche gestorben. Von Lersner – ein Nachfahre des Ritters Götz von Berlichingen – hat das Umweltbundesamt, die oberste Umweltbehörde in Deutschland, als ihr erster Chef 21 Jahre lang geleitet, bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1995.

Und er hat sich eingemischt. Eben mit Sätzen wie diesem: „Es wird wahrscheinlich, wie es bei Prognosen so ist, nicht genau zu fixieren sein, ob der entscheidende Preis bei 2,50 Mark oder 5 Mark für den Liter Benzin liegen muss. Ich denke aber schon, dass es in diese Größenordnung gehen muss.“ 1992 war das, in einem Gespräch mit dem Spiegel. Fortan waren die „5 Mark“ in der Welt.

In einer Studie des Umweltbundesamtes las sich das damals noch etwas genauer. Da hieß es, ein Benzinpreis von 4,60 Mark sei so einschneidend, dass Autofahrer im Schnitt 20 Prozent weniger fahren würden. Von Lersner wollte weniger Verkehr auf den Straßen. Vom Bonner Regierungssprecher wurde er dafür als „absolut inkompetent“ und „unzuständig“ abgewatscht.

Von Lersner war auch der Erste, der Tempo 100 auf deutschen Autobahnen forderte. Das war schon Anfang der 80er Jahre. „Meine amerikanischen Freunde sagen, dass das Recht, im Drugstore einen Ballermann zu kaufen, ebenso zum Freiheitssymbol wurde wie bei uns die freien Geschwindigkeiten“, sagte der FDP-Mann. Für ihn war es „skurril“, am Auto den „Freiheitsfetisch“ demonstrieren zu wollen.

Er war ein unabhängiger, Pfeife rauchender Mann in der Bonner Republik, dem die Einführung des Katalysators und der Rauchgasentschwefelung bei Kraftwerken zuzurechnen ist sowie der Ausstieg aus der Asbestproduktion.

Am Dienstag, als von Lersner mit 84 Jahren starb, lag der Preis für E10-Benzin etwa bei 1,50 Euro. Umgerechnet sind das ohne Preisbereinigung 2,93 Deutsche Mark. HANNA GERSMANN