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Archiv-Artikel

Mit schwarzer Lederkappe für Gerechtigkeit

POLITDOKU Der Film „Das hat mit Gerechtigkeit wenig zu tun“ über den linken Hamburger Anwalt Andreas Beuth ist auch eine Dokumentation durch die letzten Jahrzehnte über die Proteste der autonomen Szene

VON GASTON KIRSCHE

Bambule, Brokdorfdemos, G 8-Gipfel in Heiligendamm und immer wieder die Rote Flora. Andreas Beuth war schon in vielen Konflikten als Anwalt tätig, hat viele AktivistInnen verteidigt, denen ihr Einsatz gegen die herrschenden gesellschaftlichen Zustände eine Kriminalisierung, Observationen durch den Staatsschutz bis hin zu Anklagen durch die Staatsanwaltschaft eingebracht hat. Für ihren Film „Das hat mit Gerechtigkeit wenig zu tun“ haben Frank Brennecke und Andreas Grützner, die beiden Regisseure, Andreas Beuth drei Jahre lang mit einer digitalen Kamera begleitet. In sehr persönlichen Interviews, die sie in seiner Kanzlei, seiner Wohnung und in seinem Wohnwagen an der Ostsee aufgenommen haben, erzählt der 1953 geborene Andreas Beuth viel aus seinem Leben. Von seiner Kindheit in Norderstedt spricht er offen über Unsicherheit und Abkapselung. „Warum geht es mir so dreckig“, heißt eine Schallplatte von Ton, Steine, Scherben. Das Lied passt zu Andreas Beuth, als er auf Druck seiner Eltern eine Lehre als Verwaltungsbeamter beginnt. Er vereinsamt in seiner ersten eigenen Wohnung, wird krank. Er sucht sich selbst Hilfe, bricht die Lehre ab, beteiligt sich an radikalen, linken Debatten und Aktionen – und ist nicht mehr allein.

Andreas Beuth blickt ungeschönt zurück, spricht vor der Kamera wie mit einem engen Freund. In seinem eigenen Rhythmus, die Regisseure fragen selten nach, geben ihm Raum. So schildert er, was ihn geprägt hat im Leben, was ihm wichtig ist. Während des Jura-Studiums hat er im Anwaltskollektiv mitgearbeitet, wo auch Peter Tode war, der Sigurd Debus vertreten hat. Sigurd Debus war seit 1974 im Knast, weil er eine Hamburger Stadtguerilla aufbauen wollte und ein paar Bomben gelegt hatte, die Sachschaden anrichteten. 1981 schloss er sich dem Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF an. Er wurde, wie andere auch, brutal zwangsernährt. Er wehrte sich, fiel ins Koma. Andreas Beuth geht es immer noch sichtbar nah, wenn er jetzt, Jahrzehnte später, schildert, wie Peter Tode von seinem Mandanten Sigurd Debus zurückkam, der wehrlos im Sterben lag, wie sie im Büro geweint haben, als Debus gestorben war.

Ein Höhepunkt des Filmes ist der Plattenlegerprozess. Der Staatsschutz der Hamburger Polizei konstruierte 1991 eine Anklage gegen zwei bekannte Aktivisten der Roten Flora. Die wurden als Terroristen angeklagt, weil sie angeblich Steinplatten auf Bahngleise bei Pinneberg gelegt hätten. Ein abstruser Vorwurf, wie Andreas Beuth begründet: Warum sollten autonome Aktivisten versuchen sollen, willkürlich Menschen zu ermorden, die in irgendeinem Zug fahren? Gleichwohl dauerte es die lange Kampagne „Freiheit für Ralf und Knud“ und einen zähen Prozess, bis die Vorwürfe vom Richtertisch waren.

Andreas Beuth, dem sein Anwaltskollege Manfred Getzmann in dem Film bescheinigt, er habe eine „hohe Bearbeitungstiefe“, der sich in Akten reinfresse, hat sich in dem Prozess persönlich aufgerieben. Aber nach einer Auszeit, in der er als Taxifahrer gearbeitet hat, und mit weniger Aufwand genau so seinen Lebensunterhalt verdienen konnte wie als linker Anwalt, war und ist er wieder da. Mit einem Anwaltskollektiv, das aus den juristischen Auseinandersetzungen rund um die radikale, linke Bewegung der Hansestadt nicht wegzudenken ist.

Die Stärke des Filmes, seine Nähe zum Protagonisten, schlägt im Laufe des Filmes in eine Schwachstelle um: An keiner Stelle wird hinterfragt, was Andreas Beuth sagt oder tut. So wird ein Stereotyp über autonomen Lebenswandel reproduziert. Denn Andreas Beuth ist auch selbst politisch aktiv, beteiligt sich an Diskussionen der autonomen Szene Hamburgs. Dies erwähnt sein Büromitarbeiter Andreas Blechschmidt, es wird nicht weiter aufgegriffen, ob dies nicht manchmal schwierig ist.

Dass Andreas Beuth ein glühender Anhänger des FC. St Pauli ist, einen Hund hat, gerne schwarze Kleidung trägt und Postpunk hört wird als selbstverständliche Gegebenheit gezeigt. Die Chance, autonome Identität nicht schematisch abzubilden, sondern auf Veränderungsmöglichkeiten abzuklopfen, wird so vertan. Als linker Anwalt ist Andreas Beuth beweglicher, als es diese autonome Symbolik nahelegt.

■ Donnerstag, 23. bis Samstag, 25.6., jeweils 18.00 Uhr, 3001-Kino, Schanzenstraße 75 im Hof. Am Freitag sind die beiden Regisseure Frank Brennecke und Andreas Grützner und Andreas Beuth zu Gast.