Rot-Grün verliert Mehrheit in Köln: Der Sitz, der keiner war
In Köln hat die SPD nach der Neuauszählung der Stimmen der Wahl von 2014 in einem Bezirk einen Sitz verloren. Nun hat Rot-Grün auch keine Mehrheit mehr.
KÖLN taz | Es ist ein Paukenschlag. Was die Kölner SPD seit der Kommunalwahl vor einem Jahr nicht wahrhaben wollte, jetzt hat sie es amtlich: Im traditionell schwarzen Stadtteil Rodenkirchen haben die Genossen gar nicht die Union in einem Wahlbezirk deklassieren können – die Wahlzettel waren nur vertauscht. Das ergab die Neuauszählung am Dienstag. Damit verliert Rot-Grün die hauchdünne Einstimmenmehrheit im Kölner Rat - und SPD-Oberbürgermeisterkandidat Jochen Ott sein Ratsmandat.
Erhebliche Zweifel an dem Wahlausgang im betroffenen Briefwahlbezirk 20874 hatten seit dem Urnengang im Mai 2014 bestanden. Ohne sichtlichen Anlass sollte die CDU mehr als 20 Prozent gegenüber der Wahl fünf Jahre zuvor verloren und die SPD fast 13 Prozent gewonnen haben – während bei den zeitgleich abgehaltenen Wahlen zum Europaparlament und zur Bezirksvertretung die Wähler genau andersherum votierten.
Doch gegen eine Neuauszählung sperrte sich die SPD mit allen Mitteln. „Im Sport würde man sagen: Es ist eine Tatsachenfeststellung“, argumentierte SPD-Ratsfraktionschef Martin Börschel. Erst eine Verwaltungsgerichtsentscheidung machte Ende März den Weg frei, sich die Wahlzettel noch mal genauer anzuschauen.
Das Resultat: Die neue Auszählung kommt nun auf einen satten Vorsprung für die CDU, die 297 Stimmen erhält. Die SPD kommt nur auf 176 der insgesamt 703 gültigen Stimmen, wie Wahlleiterin Agnes Klein als vorläufiges amtliches Ergebnis mitteilte. Damit gewinnt die CDU einen Sitz hinzu, den die SPD entsprechend abgeben muss. „Für eine Party haben wir kein Geld“, kommentierte CDU-Chef Bernd Petelkau das Ergebnis. „Die Anwaltskosten waren so hoch.“
Seinen Ratssitz verliert nun ausgerechnet der Kölner SPD-Parteichef und Landtagsabgeordnete Jochen Ott, der sozialdemokratische Kandidat für die OB-Wahl im September. Weder Ott noch Fraktionschef Börschel wohnten der Neuauszählung bei. Sie nahmen lieber an einer Klausurtagung der SPD-Landtagsfraktion in Düsseldorf teil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin