Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Mindestlohn gibt es auch feiertags
Die Richter am BGH haben die Tricks von Arbeitgebern abgelehnt. Der Mindestlohn muss auch an Feiertagen und bei Krankheit gezahlt werden.
FREIBURG taz | Mindestlöhne gelten auch an Feiertagen und bei Krankheit. Das hat das Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden. Das Urteil betraf zwar noch nicht den seit Jahresbeginn geltenden allgemeinen Mindestlohn, dürfte aber übertragbar sein.
Zu entscheiden waren drei Fälle aus Hildesheim, Salzgitter und Cottbus. Die Kläger arbeiteten als pädagogische Beschäftigte bei den Bildungsgesellschaften faa-nord und faa-südost. Die faa-Unternehmensgruppe (die sich inzwischen sbh nennt) organisiert für die Arbeitsagentur Kurse aller Art, vom Bewerbungstraining bis hin zur Fortbildung für Friseure.
Für Arbeitnehmer in der pädagogische Weiterbildung gibt es schon seit einigen Jahren einen Mindestlohn. Zum Streitzeitpunkt 2012/2013 lag er bei 12,60 Euro brutto pro Stunde in Westdeutschland. Die Klägerin aus Salzgitter, Renate Kämpf, bekam für 29,25 Stunden pro Woche allerdings nur einen Brutto-Monatslohn von 1350 Euro ausbezahlt. Daraus ergab sich ein Stundenlohn von 10,66 Euro. Eindeutig zu wenig, schloss Kämpf und verlangte Nachzahlung.
Der Arbeitgeber rechnete jedoch anders. Der Mindestlohn gelte nur für geleistete Arbeit und Urlaubstage. Er gelte nicht für Krankheitstage und gesetzliche Feiertage, an denen nicht gearbeitet wurde. Hierfür wolle er nur den (niedrigeren) vereinbarten Lohn zahlen. In der Praxis setzte er Krankheits- und Feiertage teilweise sogar mit Null Euro bei der Berechnung an.
Wie schon in den Vorinstanzen gewannen nun auch beim Bundesarbeitsgericht die klagenden Beschäftigten. Auch für Feiertage und bei Krankheit muss der Mindestlohn bezahlt werden. Schließlich verlange in beiden Fällen bereits das Entgeltfortzahlungsgesetz, dass der Beschäftigte das bekommt, was „er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte“. Dies gelte auch dann, wenn sich das Entgelt nach einer Mindestlohn-Regelung richte, betonte das Bundesarbeitsgericht. Renate Kämpf bekommt nun für neun Monate eine Nachzahlung von rund 1000 Euro.
Das gleiche Problem beim Mindestlohngesetz
Im konkreten Fall ergab sich der Mindestlohn aus einem Mindestlohn-Tarifvertrag für pädagogisches Personal von 2011. Dieser war per Rechtsverordnung des Bundesarbeitsministeriums auf die ganze Branche erstreckt worden. Diese Möglichkeit bestand dank Arbeitnehmer-Entsendegesetz für bestimmte Branchen schon seit 2006.
Seit Jahresbeginn gilt nun zudem das Mindestlohngesetz, das für alle Branchen einen Mindestlohn von 8,50 Euro festlegt, soweit keine besseren Regeln bestehen. Auch dort ist nicht ausdrücklich geregelt, ob der Mindestlohn auch bei Krankheit und an Feiertagen zu zahlen ist. Da das Rechtsproblem aber das gleiche ist, besteht kaum Zweifel, dass das Bundesarbeitsgericht auch beim allgemeinen Mindestlohn im Sinne der Arbeitnehmer entscheiden würde. (Az.: 10 AZR 191/14)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher