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Nach Skandal um Neuland-FleischUnd niemand will was gemerkt haben

Nicht drin, was draufsteht? Der Neuland-Verein will trotzdem weiter mit Firmen und Managern arbeiten, die Verbraucher getäuscht haben.

Moment – das ist ja gar kein Fleisch aus „artgerechter“ Haltung! Bild: Jenzig71 / photocase.de

BERLIN taz | Konventionelles Hühnerfleisch war drin, doch auf der Verpackung klebte das Siegel der teuren Neuland-Marke für artgerechtere Tierhaltung. Systematisch wurde der Verbraucher getäuscht, mehrere Höfe machten mit, in Nord- und in Süddeutschland. Der Ruf von „Neuland“ ist angeschlagen, seit dieser Skandal in den vergangenen Monaten bekannt wurde. Trotzdem hat der Neuland-Verein nun entschieden: Er arbeitet weiter mit für die Unregelmäßigkeiten verantwortlichen Firmen und Managern zusammen.

Anfang Juni hatte der Neuland-Verein noch angekündigt, der für den Süden zuständigen Vermarktungsgesellschaft das Recht zur Nutzung der Marke zu entziehen. Doch jetzt sagte Vereinsgeschäftsführer Jochen Dettmer der taz: „Eine juristische Prüfung hat ergeben, dass das aufgrund der Verträge nicht möglich ist.“

Ähnlich äußerten sich die Träger des Vereins, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Deutsche Tierschutzbund und die Umweltorganisation BUND. Damit ist auch klar, dass der Chef der Neuland-Fleisch Süd GmbH, Matthias Minister, im Amt bleibt, zumal er alleiniger Eigentümer des Unternehmens ist. Zuvor hatte der Verein schon den Geschäftsführer von Neuland Nord, Thomas Strauß, von Betrugsvorwürfen entlastet.

Dabei hatte der Verein selbst eingeräumt, dass Neuland Nord Hähnchen ohne Zertifizierung verkauft hat. Vor Kurzem hat er aber mitgeteilt, eine Sonderprüfung habe „keine Anhaltspunkte für ein Mitwissen von Mitarbeitern der Neuland-GmbH beim Betrug ergeben“. Offenbar soll niemand gemerkt haben, dass der beschuldigte Landwirt L. mehr Hähnchen lieferte, als nach den Neuland-Regeln möglich war.

Keine Stellungnahme

Um Agrarindustrie-Farmen auszuschließen, schreibt der Verein vor, dass ein Neuland-Betrieb maximal rund 80.000 Hähnchen pro Jahr erzeugen darf. Doch zuweilen lag die Liefermenge bei etwa 100.000. L. soll also alles allein ausgeheckt haben. Neuland-Nord-Chef Strauß reagierte nicht auf eine Bitte der taz um Stellungnahme.

Sein Amtskollege bei Neuland Süd, Matthias Minister, hat im Gespräch mit der taz zugegeben, dass er fast eineinhalb Jahre insgesamt schätzungsweise 60.000 Hühnchen von sechs französischen Höfen ohne Neuland-Zertifizierung bezogen habe. Der Neuland-Verband habe aber nur „zwei sozusagen freigegeben“ – vier Betriebe lieferten also ohne Genehmigung, selbst wenn sie Minister zufolge „keine konventionelle Massentierhaltung“ betrieben.

Das war nicht alles: Auch Lämmer habe Neuland Süd aus einer nicht lizenzierten Schäferei bekommen. Für Minister war das „kein organisierter Betrug“, sondern ein Kennzeichnungsfehler. Zudem berichtete die Zeitung Zeit über Tierschutzverstöße in Ministers Schlachthof.

„Das wollte ich nicht“

Doch jetzt sagt der AbL-Vertreter im Neuland-Vorstand, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf: „Nach Aussagen des Veterinäramtes hat es diese Vorfälle bei Neuland-Schweinen nie gegeben.“ Und vor allem: Die Kündigung der Lizenzverträge „hätte zur Folge gehabt, dass das Zeichen zunächst mal weg gewesen wäre“ – auch für die Bereiche Schwein und Rind, wo bisher keine Probleme bekannt geworden seien. „Das wollte ich nicht“, sagte Baringdorf. Das liegt wohl auch an Ministers Drohung, dieser selbst werde Neuland kündigen und ein eigenes Label herausgeben. Baringdorf will jetzt lediglich neue Verträge, um Schlupflöcher zu schließen.

Selbst in der AbL stößt er damit auf Widerstand. Einer ihrer bekanntesten Aktivisten, Agrarindustrieexperte Eckehard Niemann, fordert: „Zumindest Neuland Süd muss die Lizenz entzogen werden.“ Die Unregelmäßigkeiten seien so gravierend, dass die AbL sie bei konventionellen Fleischkonzernen wie Vion scharf verurteilt hätte. „Diesen Maßstab müssen wir auch uns selbst anlegen“, sagte Niemann der taz.

Teilweise seien sogar Ausnahmen und Richtlinien beschlossen worden, „die nicht in Ordnung sind, die mit dem Image und den Zielen von Neuland nichts zu tun haben“. Der Skandal gefährde die „Glaubwürdigkeit der Trägerverbände“. Und er fragt: „Wie soll man mit seinem Namen haften für Wirtschaftsunternehmen, die man ja überhaupt nicht kontrollieren kann als Trägerverband?“

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18 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Neuland war von der Fütterung her nie rein "Bio" und das wurde (außer von "Agrarexperten" Jost Maurin) auch nie behauptet.

    Es wäre für den Kunden kaum zu bezahlen z.B. höchstpreisiges Biogetreide an Schweine/Hühner zu verfütterten.

    Allerdings sind die Futterrationen dennoch anders zusammengestellt als in konventionellen Betrieben, so wird z.B. als Eiweißträger Bohnenschrot statt Soja verwand und es hat einen höheren Rohfasergehalt.

     

    Die größte Stärke von Neuland lag in der Vergangenheit immer an anderer Stelle:

     

    Kleine überschaubare Einheiten, keine überzogenen Anforderungen an "biologische Leistungen" der Tiere (z.B. bei Mastdauer bzw. Milchleistung) und wirklich sehr ordentliche Haltungsstandards:

    Weidegang von Kühen und Muttersauen, an die Ställe angegliederter Außenauslauf für Hühner/Mastschweine, um den Faktor 5 erhöhtes Platzangebot im eingestreuten Stall gegenüber konventionell- strohlos.

     

    Motivation war für die Neuland-Landwirte immer als Bindeglied zwischen Konventionell und Bio zu stehen und praktikable Hochstandards in der Tierhaltung zu entwickeln die in fernerer Zukunft auch von konventionellen Betrieben übernommen werden könnten.

     

    Allerdings: wer hohe Standards setzt muss sie auch durchhalten.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Waage69:

      Ich habe nie behauptet, dass Neuland Bio sei (s.a. meine Antwort an LEX)

      • @Jost Maurin:

        o.k. - nach der verbesserten Bildunterschrift passt es. Ansonsten ist der Arikel als solcher recht informativ und gut geschrieben - man will ja nicht immer nur meckern.

  • Als ökokapitalisierte Neulandfleisch Fresser sollte man nicht so über Müslifresser herziehen. Kauft Jesusfleisch. Gut abgehangen, luftgetrocknet, beschwert sich über nichts. Einfach lecker!

  • Ich esse keine Tiere, und Müsli mag ich auch nicht. Hilfe.

  • ich ess super selten Müsli,

    und trotzdem kein Fleisch, und Jetzt? ...

     

    Bio kann theoretisch nur da drin sein, wo es drauf steht (oder gerade eben nicht,...) aber wenns nicht draufsteht, dann muss es ja auch nicht drin sein, also Neuland=kein Bio, war doch klar, oder nicht? http://www.neuland-fleisch.de/verein/geschichte.html

  • Wie kommt die völlig Falsch-Aussage Bio in den Artikel? Neuland war nie Bio, darum ging es denen doch. Nicht zertifiziert zu werden und dennoch unter dem Deckmantel vergetäuschter Nachhaltigkeit Tiere zu quälen und Konsumenten zu verarschen, die an artgerechte Tierhaltung glauben. Artgerecht ist nur die Freiheit.

  • Moment - wer schreibt denn hier die Bildunterschriften? Neuland war auch nie bio und wirds wahrscheinlich auch nie werden, auch ohne Betrug. Wär schön wenn das nicht mehr vermischt würde.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Lex:

      Ich nicht. Sie haben recht: Neuland ist nicht bio. Die Bildunterschrift jetzt korrigiert worden.

  • Neuland war noch nie Bio. Wie kommt diese Falsch-Behauptung in den Artikel?

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Tja. Ökokapitalismus funktioniert halt nicht, liebe Grünen, die ihr euch von der Systemfrage zurückgezogen habt.

    • D
      D.J.
      @90191 (Profil gelöscht):

      Tja, diese uneinsichtigen Grünen haben doch glatt vergessen, dass die bisherigen sozialistischen Experimente die reinsten Ökoparadiese waren.

  • Neuland steht jetzt also für 'artgerechte Kundenverarschung' - fein. Kauf ich doch lieber korrekt deklariertes Clorhuhn, als 'das wollte ich nicht, deshalb trage ich die Lüge mit' - Scheinbio.

     

    Wie SAUBLÖD kann man sein, Verbraucher für derartig ...

     

    oh.

     

    tschulligung. Müsste heißen: Wie schlau und erfahren muss man sein, um zu wissen, daß die Müslifresser auch diese Kröte schlucken?

    • 9G
      9076 (Profil gelöscht)
      @uli moll:

      Den meisten Müslifressern wird das egal sein, weil Sie schlau genug sind und entweder garkein Fleisch fressen, oder kein Fleisch von der Firma Neuland.

      • 9G
        90191 (Profil gelöscht)
        @9076 (Profil gelöscht):

        Genau. Neuland ist ja, wie vieles andere im Ökokapitalismus auch nur eine weitere Feigenblattfirma.

        • @90191 (Profil gelöscht): Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an unsere Netiquette.
          • 9G
            90191 (Profil gelöscht)
            @uli moll:

            Es wäre auch verwunderlich, wenn sich in Ihren Kreisen intelligente solche bewegten.

          • @uli moll:

            Ich empfinde es als eine ziemliche Unverschämtheit, Müsli essende Menschen als "Müslifresser" zu verunglimpfen. Hältst Du Dich vielleicht als etwas Besseres?