Neues vom Großpannenflughafen: Abflug für den Technikchef
Jochen Großmann sollte die Brandschutzanlage endlich fertig bauen. Nun schwelt ein ungeheurer Verdacht: Hat er absichtlich die Arbeit seines Vorgängers. schlechtgemacht?
Der BER-Technikchef Jochen Großmann steht unter Korruptionsverdacht. Er sollte die Brandschutzanlage des Gebäudes in Gang bringen – jetzt hat ihn die Flughafengesellschaft beurlaubt. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, am Dienstag wurden Wohnung und Büro von Großmann in Dresden und Berlin durchsucht. Der Vorwurf: Großmann soll für die Vergabe eines Auftrags an eine bestimmte Firma ein Schmiergeld von 500.000 Euro von dieser Firma verlangt haben.
Großmann ist Honorarprofessur für „Management von Umwelt- und Sanierungsprojekten“ an der Technischen Universität Cottbus. Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn holte ihn vor rund einem Jahr an die Baustelle, um für einen funktionierenden Brandschutz zu sorgen, eines der größten Probleme am BER.
Großmann analysierte zunächst die Planungen seiner Vorgänger. Anfang April verkündete er: „Wir haben die Anlage nachgerechnet, und man muss ganz klar sagen: Es war ein Planungsfehler.“ Er behauptete, der kritische Abschnitt der Brandschutzanlage sei „ein Monster“. Es sei notwendig, die Anlage zu zerlegen und zusätzliche Schornsteine einzubauen. Und der 54-Jährige versicherte: „Wir haben alle Planungen vergeben, die wir gegenwärtig brauchen.“
Alfredo di Mauro, der ursprünglich für die Brandschutzanlage zuständig war, hatte die Vorwürfe Großmanns zurückgewiesen. Der Bild-Zeitung sagte er: „Es gibt bisher gar keine Messung, die beweist, dass die Anlage nicht funktioniert. Sie ist schlicht noch nicht fertiggestellt.“ Doch da hatte sich die Flughafengesellschaft bereits von ihm getrennt und mitgeteilt, seine Unterlagen für den Umbau der Entrauchungsanlage würden „der Entsorgung zugeführt“. Stattdessen erhielt Gutachter Großmann einen Job als leitender Angestellter und die Verantwortung für den Brandschutz.
Jetzt steht ein ungeheurer Verdacht im Raum: Hat Großmann die alten Planungen für die Anlage nur deshalb als Fehler bezeichnet, um sich bei der Auftragsvergabe für die Neuplanung zu bereichern?
Die von Großmann gegründete Consultingfirma Gicon hofft auf eine Entlastung des Firmeninhabers. „Der Öffentlichkeit versichern wir, dass die Gicon vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten wird, um die Vorwürfe schnellstmöglich zu entkräften“, teilte ein Sprecher des Unternehmens in Dresden mit. Zu dem laufenden Verfahren wollte er sich nicht weiter äußern.
Der Piraten-Abgeordnete Martin Delius, Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses, fordert Konsequenzen: „Angesichts des erhärteten Verdachts gegen den Technikchef Großmann müssen alle Entscheidungen der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft und des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Herrn Großmann auf den Prüfstand.“ Es dürften keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Vergaben, Planungsänderungen und Personalentscheidungen bestehen bleiben.
Der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto meint: „Die Entlassung des Planers di Mauro und die Vernichtung seiner Unterlagen erscheinen in einem ganz neuen Licht, wenn es um Schmiergeldzahlungen von anderen Firmen geht. Wäre die Fertigstellung nach di Mauros Plänen zu schnell gegangen?“
Die Linken-Abgordnete Jutta Matuschek kritisiert, dass der BER-Untersuchungsausschuss diese Fragen bisher noch nicht untersuchen kann. Der Untersuchungsauftrag sollte „schnellstmöglich auf die Vorgänge des baulichen Stillstands, des Strategiewechsels hinsichtlich der Fertigstellung versus Neubau der Brandschutzanlage und der personellen Verstrickungen ausgedehnt werden.“ Die Opposition hat die Ausweitung des Untersuchungsgegenstands beantragt, die Koalition hat dies aber noch nicht beschlossen.
Der Regierende Bürgermeister und Flughafen-Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Wowereit, der derzeit in Peking weilt, lobte indes die Flughafengesellschaft: „Das ist ein Zeichen dafür, dass Unregelmäßigkeiten bis hin zu Korruption keinen Platz haben dürfen. Die Flughafengesellschaft ist hier einen konsequenten Weg gegangen. Wir haben nichts zu verstecken und sind an einer zügigen Aufklärung und eventuellen Ahndung interessiert“, sagte er im RBB-Inforadio.
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